Wie durch die Sonntagschule bei manchen der Glaube zerstört wird

Mein elfjähriger Sohn liest zur Zeit ein Kinderbuch in englischer Sprache von Katie Davies. Er machte mich auf eine Szene aus dem Buch „The Great Hamster Massacre“ aufmerksam. Es wird aus Kinderperspektive beschrieben, wie ein Kind die Kirche und die Sonntagschule erlebt. Die Beschreibung könnte idealtypischer nicht sein. Ich bezeichne diesen Eindruck als den „Sonntagschul-Effekt“. Ich habe einen kurzen Auszug übersetzt bzw. in Klammern die Erzählung inhaltlich zusammengefasst.

(1) Man geht ab und zu, wenn es gerade drinliegt.

Manchmal, an den Sonntagen, gingen Mama und Nanna in die Kirche.

(2) Die Kinder werden „betreut“, damit sie die Erwachsenen nicht stören.

Tom und ich gingen in die Sonntagschule im Pavillon neben der Kirche, weil es Kindern nicht erlaubt ist, lange in der Kirche zu sein, weil sie sonst zu lachen oder zu weinen beginnen. Diese Dinge darf man in der Kirche nicht tun. Die einzigen Dinge, die du in der Kirche tust, sind das Niederknien und das Amen sprechen (anglikanischer Gottesdienst). Wenn du konfirmiert bist, dann darfst du den Leib Christi essen und sein Blut trinken. Aber Tom und ich sind nicht genügend alt, um dies zu tun. So gingen wir anstelle in die Sonntagschule und für die letzten Momente in die Kirche.

(3) „Kindgerechter“ Spass und Spiel stehen im Vordergrund, die inhaltliche Verknüpfung gerät in den Hintergrund.

In der Sonntagschule darfst du die meisten Dinge tun wie malen, singen oder dich verkleiden, solange du dich nicht als Jesus auf dem Kreuz verkleidest. … Wenn die Sonntagschule beendet ist, sprichst du ein Gebet, bekommst etwas zum Knabbern und dann geht jeder von der Sonntagschule in die Kirche für die letzten Momente und sitzt neben der Mutter.

(4) Die entscheidende Rolle des Vaters

Manchmal sitzen die Kinder auch neben ihren Vätern, aber meistens sitzen sie neben ihren Müttern, weil nicht viele Väter zur Kirche gehen.

Unser Vater geht da nicht hin. Er glaubt nicht mal an Gott.

(5) Man glaubt nicht an so verrückte Dinge wie eine Hölle.

(Eine Bekannte) sagt, dass Vater vielleicht in die Hölle komme. Nanna sagt, dass Vater nicht in die Hölle komme und dass sie nicht solche Dinge sagen solle, dass sie gar nicht wisse, was sie da sage.

(6) Eine Mindestteilnehmerzahl muss erreicht werden.

Es sind nicht viele Kinder in der Sonntagschule. Manchmal sind es zehn, manchmal sechs. Einmal waren es nur zwei, nämlich Tom und ich. … An diesem Sonntag mussten wir zwei für die volle Zeit in die Kirche.

(7) Es geht sozial zu.

An jenem Sonntag kamen wir in grosse Bedrängnis (Big Trouble), weil ‘die Hysterischen’ (The Hysterics) bekamen: Jeder musste jedem in der Kirche die Hand schütteln und sagen: ‘Friede sei mit dir.’ (Und dann sang man ein Lied mit dem Inhalt von Matthäus 25: Mir war kalt. Ich war nackt. Warst du dort?)

(8) Das wirkliche Leben ist ganz anders.

(Dadurch, dass sie weder Handlung noch Liedinhalt verstanden, verknüpften sie die Inhalte mit ihren eigenen Bildern. Sie begannen sich vorzustellen, wie Jesus in der Gestalt der Bekannten mit deren Hosen auftrat. Das ging nicht geräuschlos vor sich, das Gewitter nahte von hinten – durch eine genervte Frau.) Die Frau, die hinter uns sass, die den anderen ‘Friede sei mit dir’ sagte, ‘schwartete’ mit dem Gesangbuch Tom eins über den Kopf.

(9) Es wird mit Konsum belohnt, weil Konsum beruhigt.

(Es kommt ein Streit mit den Begleitern auf wegen der Behandlung der Kinder. Die Kinder werden nach der Kirche zum Eisessen eingeladen, weil das beruhige.)

Solche Schilderungen sollten uns zu denken geben. Diese Botschaft vermitteln wir Kindern – auch in vielen Freikirchen! In einem anderen Beitrag stellte ich die Frage: Zerstört die Sonntagschule unseren Glauben?

Über Hanniel Strebel (PhD)

Hanniel Strebel, * 1975, Betriebswirt & Theologe, glücklich verheiratet, fünf Söhne, Blogger - Autor - Selbstlerner

8 thoughts on “Wie durch die Sonntagschule bei manchen der Glaube zerstört wird

  1. Also ich kann viele Aspekte total nachvollziehen; gerade hinsichtlich der Rolle der Väter. Ich hoffe, da ein anderes Vorbild zu sein. Meine FeG in Mannheim ist in vielen Aspekten durchaus besser und Gott sei Dank viel besser aufgestellt als die dargestellten Szenarien. Das liegt dann auch an sehr guten, frommen Christen, die sich in den Kindergottesdienst investieren und dazu beitragen, dass es tatsächlich ein Gottesdienst für Kinder ist – einschließlich Messsage, Lobpreis und Gebet; Spielen, Gemeinschaft und Spaß.

    Aber ich verstehe den 8. Punkt nicht – inhaltlich. Was soll dieser Satz bedeuten. Ich stehe auf den Schlauch.

    1. Lieber Stefan, danke für den Input, habe eine Erläuterung hinzugefügt. Der Punkt: Alle sprechen sich Friede zu. In diesem Moment zieht eine genervte Frau dem Kind mit dem Gesangbuch eine über den Kopf. Ich habe Derartiges oft beobachtet. Die Erwachsenen haben zwei heilige Kühe: Nicht gestört werden und immer mehr konsumieren. Das bedeutet aber für die Kinder: Aussage und Gelebtes widersprechen sich! Das ist tödlich.

  2. Nun ja, (kleine?) Kinder können schon manchmal in der Kirche uns andere arg nerven und unsere Geduld strapazieren.
    Da sind wirklich auch z.T. die Eltern erzieherisch gefordert: Das braucht ja nicht nur Strenge zu sein sondern kann auch im Erklären etc. bestehen. Im extremsten Fall sollte man halt aus RÜCKSICHT(!) gegenüber den übrigen (erwachsenen?) Gottesdienstbesuchern mit seinem Kind auch mal die Kirche verlassen, wenn es anderweitig gar nicht mehr zu beruhigen ist. Dem Kind nehme ich sein Verhalten überhaupt nicht übel, wohl aber den unverständigen Erziehungsberechtigten, wenn sie aus eigener Faulheit und Gleichgültigkeit gegenüber den Mitchristen „laissez faire“ bei den Sprösslingen betreiben.
    Mir sind z.B. die geistlichen Bibellesungstexte und deren Auslegung in der Predigt wichtig und wertvoll – das hat doch wohl nichts mit „konsumieren“ zu tun, wenn ich mich auch im Gottesdienst versuche, mich geistlich weiterzubilden, oder?
    Leider ist mein Aufnahmevermögen beeinträchtigt, wenn ich durch Quatschen o.ä. abgelenkt oder gestört werde.

    1. Gestern in dem Osternachtsgottesdienst war ich durch solch einen kleinen wohl ca. dreijährigen laut plappernden „Quälgeist“ doch öfters etwas genervt. Gottlob war die Mama gerade während des größten Teils der Predigt mit der Kleinen draußen auf dem Klo, so dass ich dankbar und ungestört die Gedanken des Pastors und die Pointe aufnehmen konnte.
      Am Ende des insgesamt sehr schönen und feierlichen Gottesdienstes sagte der Pastor in seinem Dank an alle Mitfeiernden mit feinem Lächeln, dass „wir gottlob von einem Übermaß an Perfektion durch die erlebte Lebendigkeit inmitten der Festgebunden bewahrt wurden“.
      Wir schmunzelten und ich war innerlich ausgesöhnt…

  3. Wie sich doch die Zeiten geändert haben, als junge Mutter hatte ich immer
    angst mein kleiner Sohn könnte im Gottesdienst stören,und wenn es wieder
    mal so war, kamen zwei Arme schnappten mein Kind um draussen mit ihm
    zu spielen, ich durfte in ruhe die Predigt verfolgen,die hatte ich so dringend
    nötig.

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