Die große Chance des professionellen Journalismus

Die Zeiten ändern sich – und wir ändern uns in ihnen. (Kaspar Huber) Diese Weisheit aus dem 16. Jahrhundert gilt vielleicht für keine andere Zeit so sehr wie für die unsrige. Jede Veränderung wird geradezu von der nächsten verschlungen, und diese Unsicherheit macht vielen Menschen Angst. Im Laufe des vergangenen Jahrhunderts wurden immer mehr Informationen zugänglich, immer mehr Ereignisse wurden bekannt, die sich auf dem gesamten Erdball abgespielt haben. Die Globalisierung und die Digitalisierung führten zu einer Informationsflut, die dem Mediennutzer für einen Wimpernschlag der Weltgeschichte den Eindruck erwecken konnte, dass sich jeder selbst informieren kann. Die vereinfachte Internetnutzung ließ uns sogar glauben, dass jeder sein eigener Journalist werden könne, wenn er nur über Ereignisse des Alltags berichte, doch schon die nächste Welle spülte die Freude darüber hinweg und das – schon lange vorhersehbare – Problem der „Fake-News“ stürzt viele Leser und Informanten in Verzweiflung.

Auch Zeitungen und Online-Nachrichtenportale haben sich verändert. In Anbetracht der zunehmenden verbalen Lautstärke von Diskussionen hat auch in der Welt des professionellen Journalismus Rauheit um sich gegriffen, sind die Grenzen journalistischer Gattungen mehr und mehr verschwommen. Häufig ist kaum noch zwischen Berichten und Kommentaren zu unterscheiden. Die Meinung des Schreibenden wurde zunehmend deutlicher in inhaltlich neutralen Texten zu bemerken. Das Selbstverständnis vieler Medienschaffender veränderte sich. Sahen sie sich früher als vierte Macht im Lande, die Machenschaften der Politiker aufdecken sollte und die Bürger über alles Wichtige, was ihn betrifft, informieren, lesen sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zahlreiche Zeitungen zunehmend mehr wie verlängerte Arme verschiedener politischer Parteien.

Das Aufkommen von „Fake-News“ könnte zur großen Chance für den professionellen Journalismus werden. In einer Zeit, in welcher jeder diesen falschen Nachrichten auf den Leim gehen kann, braucht es Menschen, die das journalistische Handwerk von der Pike auf gelernt haben, die jedoch auch genügend Zeit und Freiheiten haben, um gewissenhaft zu recherchieren, Interviews zu führen, nachzufragen und ihre Ergebnisse auszuwerten. Es ist nämlich nicht der Fall, dass es bei Nachrichten auf die Perspektive ankommt, sondern es gibt da richtig und falsch, Fake-News und True-News. Vor ein paar Tagen hat der amerikanische Professor für Journalismus Jay Rosen einen interessanten Brief an die deutschen Medien geschrieben. Man muss ihm nicht in allem zustimmen, aber viel Spannendes ist da durchaus enthalten.

Zugleich möchte ich meinen Aufruf an uns deutsche Medienkonsumenten wiederholen. Im Mai schrieb ich: „Lasst uns bitte eins nicht vergessen: Journalismus, richtig guter Journalismus kostet und er ist eine Menge wert. Wir sind uns gewohnt, alles kostenlos auf unsere Geräte zu bekommen, und denken dabei oft nicht daran, wie viel Arbeit, Zeit, Kraft, Gedanken und Geld in einem einzigen Artikel stecken.“ In der Zwischenzeit wurde mir noch einmal viel bewusster, wie schnell Menschen tatsächlich in einer Filterblase landen und nur noch wahrnehmen, was sie lesen, hören und sehen wollen. Die Fake-News-Krise ist eine Chance für den guten, vielfältigen Journalismus, der sich auf seine Aufgabe als vierte Macht im Lande zurückbesinnt und bereit ist, die Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven und durchaus auch kontrovers zu beleuchten. Wir Leser und Medienkonsumenten brauchen aber auch Geduld mit den Medien, damit dies geschehen kann. Wir dürfen gute Ergebnisse loben und belohnen statt auf dem weniger guten herumzureiten. Es braucht alles seine Zeit, und je mehr einzelne Journalisten auf diesem Weg gestärkt werden, desto eher wird sich etwas bewegen.

Dieser Blog-Beitrag von Jonas Erne erschien zuerst auf Jonas Erne - Der Blog . Lies hier den Original-Artikel "Die große Chance des professionellen Journalismus".

Über Jonas Erne

Ich bin Ehemann, Vater, Theologe, Gemeindereferent, Vielleser. Auf meinem Blog geht es um Gelesenes, aber auch um die Auseinandersetzung mit Fragen des täglichen Lebens, mit der Kultur und der Bibel. Hin und wieder gibt es auch kreative Texte wie Gedichte, kurze Geschichten und mehr.

6 thoughts on “Die große Chance des professionellen Journalismus

  1. Worin liegt hier der spezifisch christliche/biblische Bezug? Er ließe sich leicht herstellen, beispielsweise indem man „fake-News“ das biblische Wahrheitsverständnis entgegensetzt.

    Andernfalls bleibt der Erkenntnismehrwert doch eher begrenzt, dafür surfe ich nicht auf Biblipedia.

  2. Wo das Vertrauen der Mehrheit in der Gesellschaft zurückgegangen ist, lässt sich so schnell kein neues Vertrauen wieder aufbauen, und seien die Berichterstattungen noch so ehrlich, beschädigtes Vertrauen brauch ( was wohl psychologisch bekannt sein müsste) Jahre der Wiederherstellung, dazu aber fehlt die Zeit, es schreitet alles viel zu schnell voran. Immer mehr an neuen Informationen, behindert ein Neuvertrauen, der Kopf schaft einiges, aber die Seele kommt nicht mehr mit, so muss zwangsläufig jeder sich seinen Rahmen schaffen, was er für glaubwürdig hält.
    Man brauch ja nur mal einen Blick auf die politische Situation werfen, das Vertrauen schwindet, obwohl sich alle bemühen, den Bürger zu überzeugen, allen voran CSU und SPD od. Die Linke. Was mir auffällt ist, das ,,Wahrheiten“zurechtgebogen werden, der Mensch kann nicht anders, als seinen eigenen Vorteil zu suchen, und das vermischt sich immer mit der Weltanschaung, die er bevorzugt. Deshalb sehe ich für die Zukunft keine positive Veränderung in eine glaubwürdigere Berichterstattung, eher das Gegenteil.
    Glaubwürdig ist allein einer, Jesus Christus, der sagt; ich bin die Wahrheit, es gerät alles ins wanken, umso wichtiger; sich mit der Glaubens–Wahrheit auseinanderzusetzen.

  3. Zitat: „Es ist nämlich nicht der Fall, dass es bei Nachrichten auf die Perspektive ankommt, sondern es gibt da richtig und falsch, Fake-News und True-News.“

    Eine alte Werbeanzeige einer Zeitung, über die ich letztens gestolpert bin:
    https://youtu.be/_SsccRkLLzU

    Dabei belasse ich es – einfach zum Nachdenken, ob man in den Medien ideologisch getrimmte Perspektiven = Ausschnitte aus der Realität zu sehen bekommt.
    Dazu noch mal eine Suchmaschine anwerfen mit den Stichworten Sebnitz Schwimmbad 1997: so heftig, wie da ungeprüft Fakenews (die politisch in den Kram passten) verbreitet worden sind, so wenig hörte man später ein „revocare“ der Medien und Politiker, die die Falschinformationen über Tage hinweg gestreut hatten.

  4. Warum sollen die professionellen Medien jetzt nach und nach ehrlich werden? Diese sind doch in erster Linie auch abhängig von ihren Inserenten, die ja auch Interessen haben und u.U. sogar ihre Inserate zurückziehen, wenn nicht so berichtet wird, wie sie es gerne hätten. Da gilt aber noch mehr für Fachzeitschriften, da wird manches nicht berichtet, wenn es zu sehr die Inserenteninteressen beinträchtigen würde. Geld regiert die Welt, der Spruch gilt auch hier. Ich sehe derzeit keine Medien, die sich entschlossen hätten, die Wahrheit zu schreiben und eines muss man auch wissen: Einseitige Berichte sind auch unwahr, weil sie eben nur eine Seite betrachten und nicht alle Seiten.
    Viele holen sich heute ihre Informationen aus dem Internet, aber auch da ist man nicht sicher, ob alles zutrifft, was berichtet wird. Manipuliert wird heute überall. Das geht bis in die Kirchen hinein und bis zum jetzigen Papst, der die Familiensynode in seinem Sinne manipuliert hat. Dafür gibt es genug Belege. Das neue Buch: „Der Diktatorpapst“ gibt haufenweise Informationen aus höchsten kirchlichen Kreisen dazu her.

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