Katholisch ist Fremdsprache!

Edit vom 13.01.2019: Dr. Markus Till hat mich in einem Kommentar auf einen argumentativen Fehler aufmerksam gemacht. Zunächst muss ich mich entschuldigen, dass ich Johannes Hartl hier übertrieben zu einem Feindbild stilisiere (was nicht beabsichtigt war, und mir erst durch den Kommentar bewusst wurde), das war übertrieben und wich auch unnötig vom Thema ab. Entsprechend habe ich drei Bezüge direkt zu Hartl im unteren Artikel selbst gelöscht! Dennoch: Mein Artikel beschäftigt sich in der Tat mit einer urtypisch uralten katholischen Legende, die in etwa so lautet: Die Reformation hätte nicht unbedingt sein müssen, man wisse zwar nicht wie, aber irgendwie hätten es die Reformatoren mit mehr Fürbitte, mit mehr Demut, mit mehr Einfalt etc. probieren müssen. Man stellt also die Reformation in Frage, ohne aber gleichzeitig aufzuzeigen, wie den ein alternatives Handeln hätte aussehen müssen, was doch eine ziemlich wage und mystische These bleibt. Dieses Motiv erkenne ich auch im unten gebrachten Zitat von Johannes Hartl! Ich habe deutlich gemacht, dass ich eben kein Hartl-Experte habe, dafür gibt es andere Autoren bei Biblipedia. Mein Problem ist auch nicht Hartl, sondern diese typisch urkatholische Aussage: Reformation musste nicht sein! Hier erlaube ich mir auch als einfacher Christenmensch die Freiheit solche Behauptungen zu prüfen und zu diesen Stellungen zu nehmen. Und nach einer Prüfung komme ich zum Schluss: Ein Luther, der der katholischen Kirche genehm wäre, wäre kein Luther mehr, vor dem man Respekt hätte, in letzter Konsequenz wäre es sogar ein Mensch ohne Gewissen. Und man nehme einem Menschen das Gewissen, und es bleibt nur noch ein Tyrann übrig.

Von J. Hartl habe ich dieses Zitat entdeckt:

Am 31. Oktober 2017 vor 500 Jahren begann die Reformation. 500 Jahre Reformation, ein grosses Jubiläum! Grund zum Feiern!? Ja und Nein! Nein, denn können wir Christen eine Spaltung feiern, die objektiv eine “Sünde” ist? Jesus hat um Einheit und nicht um Spaltung gebetet: “Ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben. Alle sollen eins sein: “Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaub, dass du mich gesandt hast” (Joh 17,20-21).

Ich weiß weder, wie Hartl sein Ja begründet, noch habe ich jemals mehr von ihm gelesen, denn das Zitat habe ich auf Himmelsgetrei.de gefunden, worin der Autor des Blogs hier Hartl aus seinem Buch, Katholisch als Fremdsprache zitiert.

Mit Aussagen wie, die „Reformation hätte nicht unbedingt sein müssen und mit mehr Weisheit hätten die Reformatoren auch ihr Ziel erreicht, bei solchen spalterischen Ambitionen kann man davon ausgeht, dass es nicht ohne Sünde zuging…etc etc…“ habe ich ein Problem!

Wie würde eigentlich ein Luther sehen, der so richtig gesellschaftskonform wäre?Gehen wir dieser These doch einmal nach und betrachten fünf notwendige Korrekturen ausführlich, die deutlich machen, dass Reformation sein musste!

Korrketur 1: Der Seelsorger Luther

Wie wurde Luther eigentlich auf den Ablassmissbrauch aufmerksam? Suchte er nach einer Gelegenheit für Spaltung? Nein, es war so, dass er sein Amt als Seelsorger wichtig nahm, und auf die Beschwerden vieler Beichtkinder reagierte. So schreibt der Luther-Biograph R. Friedenthal: „Dass das Verfahren (der Ablasshandel) eine marktschreierische Unternehmung gewesen ist, wird ebenso zuverlässig anzunehmen sein. Es ging Luther aber damals nicht so sehr um die einzelnen Worte. Der ganze Handel empörte ihn sehr viel mehr als das Drum und Dran, das auch keineswegs unüblich war. (…) Aber diese mehr äußerlichen Dinge waren es nicht, die Luther bewegten. Er hatte sich mit dem Problem der Gnade gequält und nun trat die frage an ihn heran, ob dieses „Gnadenmittel“ der Zugang zum Heil sei oder vielleicht nur ein „gutes Werk“, das dem Menschen das beruhigende Gefühl verlieht, er habe sein Teil getan und mehr sei nicht nötig. Dass die Kirche zu viel Wert auf solche äußeren Mittel legte, hatte ihn schon seit langem beschäftigt (…) Den Ablaß selbst bestritt er noch keineswegs, ebenso wenig die Autorität des Papstes. Er glaubte nur, darin ein gläubig-gehorsamer Mönch, dass gewisse Missstände sich breitgemacht hätten. (S. 159f.)

Fazit: Als Luther 1517 gegen den Ablass vorging, ging es ihm vor allem darum, dem Missbrauch von Gnadenmitteln gegenzusteurn. (Vgl. auch z.B. These 35.)

Frage an den Leser: Gab es denn gar nichts anstößiges am Katholizismus des Mittelalters? Also alles koscher mit dem Ablasshandel? Soll man über Sünde einfach um des Friedens Willen hinwegsehen?

Korrektur 2: Der besorgte Seelsorger wendet sich an den Erzbischof!

Argument gegen Hartls These: Das Luther vor allem aus seelsorgerlichen Gründen an den Erzbischof. Dieses Schreiben ist erhalten, und kann hier eingesehen werden. Dort kann jeder Laie einfach lesen, was Luther motivierte. Es waren vor allem die vielen Beschwerden, in der Seelsorge/Beichte, die ihn dazu bewegten, etwas zu unternehmen. So schreibt Luther:

„Dazu hat mich vor allem die Treuepflicht bewegt….“

“ Sie sagen(…) weiter, die Gnadenwirkungen dieses Ablassen seien so kräftig, dass keine Sünde zu groß sein kann, (…) dass sie nicht vergeben werden könnte“

„Wie also machen sie durch diese falschen Märchen und Versprechungen vom Ablaß das Volk sicher und ohne Furcht, da doch der Ablaß den Seelen nicht zum Heil und Heiligkeit verhilft, sondern nur die äußerliche Strafe wegnimmt, die man früher nach den Kanones aufzuerlegen pflegte? (…) “

Man beachte, mit welcher Ehrfurcht Luther schreibt:

„Verzeihe mir, hochwürdigster Vater in Christus“ (…) „, oder: „Deine Hoheit möge daher so gnädig sein, ihr Augenmerk auf einen Staub zu richten, und meiner Bitte nach Deiner eigenen und der bischöflichen Milde Verständnis entgegenbringen.“, oder am Schluß: „Denn auch ich bin ein Teil deiner Herde. Der Herr Jesus behüte Dich, hochwürdigster Vater, in Ewigkeit, Amen“

Übrigens, und das wird auch Hartl bestätigen können, wird der „hochwürdigste Vater, Erzbischof von Mainz, kaum Zeit gefunden haben, diesen zu lesen, geschweige zu beantworten, da er mit der Anhäufung geistlicher Ämter beschäfitgt (Simonie!)war, was gegen die katholische Praxis verstaß. Es ist sicher nur seltsamen Umständen zu verdanken, dass die Missbrauch nie geahndet wurde.

Fazit: Luther wollte keinen wilden Sturm auf die Kirche, sondern die Aufhebung einer seltsamen Praxis. Dass sie seltsam war, können und werden heute auch viele Katholiken bestätigen (Ich höre mich gerne in meinem katholischen Dorf um, und poste hier das Ergebnis einer Umfrage!)

Frage an die Leser: Hätte Luther die Anliegen seiner Beichtkinder nicht ernst nehmen sollen? Ist Gemeinde unkritiserbar?

Korrektur 3: War es vielleicht doch der raue Ton und die barsche Art Luthers?

So gehe man schließlich nicht mit den Verantwortlichen und Leitern und Stellvertretern Christi im Reiche Gottes um! Schließlich wird Luther ja in seinem Brief so dreist, dem werten Herrn Albrecht, verzeihung dem Hochwürdigsten Vater (Ob Matth. 23,9 in der Vulgata falsch übersetzt wurde?) etwas zu schreiben, dass fast wie eine Drohung klingt: „damit nicht vielleicht schließlich einer aufstehe, der durch die Veröffentlichung seiner Bücher sie und auch jenes Buch widerlegte, zur höchsten Schmach deiner durchlauchtigsten Hoheit“ Was fällt diesem Spälter Luther ein! Halt! Greifen wir wieder zu Friedenthal, der uns erinnert:

„Kritik, schärfste Kritik an den Zuständen der Kirche, auch in den als Hoch- und Blütezeit des Papsttums verherrlichten Epochen ist immer geübt wordne, oft mit stärkeren Worten, als Luther sie gebraucht hat. (…) kaum jemand hatte es mehr gewagt, einen Papst, noch dazu einen so gewaltigen wie Gregor VII, den eigentlichen Begründer Weltmachtstellung der Kurie, einen „heiligen Satan“ zu nennen, einen „wolf“ und „Tiger“, wie das der heilige Petrus Damiani getan hatte, der auch- was später nicht mehr vorkam- seinem Oberherrn sein Bistum Ostia, die höchste Kardinalswürde, vor die Füße warf und sich in sein Eremitenkloster zurückzog, um seine vier Bände über das Sodom und Gomorrha des Klerus“ zu schreiben (S.24)“

Friedenthal arbeitet später an mehreren Stellen heraus, dass es auch innerhalb der katholischen Kirche mitten in der Reformation sehr deutliche Stimmen nach Reformen gab, z.B. gerade durch Johannes Eck, einem Kontrahenten Luthers.

Fazit: Vor allem in seinem anfänglichen Auftreten war Luther sehr zurückhaltend und seelsorgerlich in seiner Kritik!

Frage an den Leser: ist Jede Kritik an den Zuständen innerhalb deiner Ortsgemeinde bereits spälterisch? Ist es nicht oftmals die Sorge um die Reinheit und Einheit die uns zu drastischen Tönen und Handlungen bewegt!

Korrektur 4: War die katholische Kirche stets um Einheit bemüht?

Wer an der Reformation anfängt, vergisst, dass sich die katholische Kirche bis dahin bereits von der Ostkirche getrennt hat. Zunächst wohl in einem Zustand, denn man einvernehmlich nennen kann, doch schon bald kam es zu gegenseitigen Exkomunikationen. Man kann einen wunderbar ausführlichen Artikel über das morgenländische Schisma auf Wikipedia lesen! Da das Zitat von Hartl nahelegt, dass der Katholizismus sich immer um Einheit bemüht hat, wird man doch bestimmt viel mittelalterliches Material finden, dass sich um den Dialog mit der Ostkirche bemüht, dass versucht die letzen Gemeinsamkeiten zu retten, dass sich an das gemeinsame Bekenntnis erinnert? Doch leider irrt man sich da! Man wird da keine Materialien finden.

Fazit: Der Einwand, die katholische Kirche wäre stets vor allem um Einheit bemüht, wird durch die Behandlung der Ostkirche sauber widerlegt!

Frage an den Leser: Wie oft findest du in deinem Leben, Argumente, die nur auf der obersten Schicht schlüssig klingen?

Korrektur 5: Wurde Luther sauber widerlegt?

Nun ja, nach einigen Jahren in schwierigen politischen und finanziellen Wirren, die auch der Kirche zu schaffen machten (wohl der schmale Weg), war es bald so weit, dass man Luther endlich als Ketzer enttarnen konnte. Das geschah vor Kardinal und schließlich auch vor dem Kaiser. Man wird sicherlich in beiden Fällen eine ausführliche theologische Auseinandersetzung geführt haben. Den Ketzer Luther sauber enttarnen! Ich darf wieder mit Friedenthal korrigieren:

„Der Kardinal, darin ganz sicher vorgehend, konfrontierte ihn immer wieder mit päpstlichen Dekretalen, die Luther nicht bestreiten konnte. Cajetan betonte, väterlich, energisch und schließlich streng: „Glaubst Du, oder glaubst Du nicht? Widerrufe, erkenne Deine Irrtümer, das und nichts anderes ist der Wille des Papstes!“ Luther erwiderte, er glaube allerdings, vorbehaltlich dessen, was die Bibel sage. „Cajetan gab ihm das „Vorbehaltlich zurück: Der Papst legt die Bibel aus“

Während Cajetan sich noch einige Tage Zeit nahm, sah das in Augsburg vor dem Kaiser anders aus! Auf der Rückreise von Augsburg schreibt Luther an Lukas Cranach: „Ich meinte, kaiserliche Majestät sollt ein Doctor oder fünzig haben versammelt und den Münch redlich überwunden. So ist nichts mehr hie gehandelt denn so viel: Sind die Bücher Dein? Ja. – Willst du sie widerrufen oder nicht? Nien. – So hab Dich. – “

Fazit: Jeder, der sich auch nur näherungsweise mit der Biographie Luthers beschäftigt, stellt fest, dass nie eine ernsthafte Auseinandersetzung mit seinen Thesen stattfand

Frage an den Leser: Wie würdest du reagieren, wenn man deine Thesen kein bisschen ernst nimmt, dich aber gleichzeitig als Ketzer „zum Wiederrufen“ zwingt?

Beachte bitte, dass ich hier noch nichts von Bann, der einem Todesurteil gleich kam spreche, den vielen Kriegen und weiterem mehr!

Diese Fünf Argumente sollten vor erst ausreichen, abschließend noch ein Gedanke: Frage dich: Wie würde eine „katholische“ Alternative aussehen? Einfach nur die Beichtkinder vertrösten? Gütig über Missstände hinwegsehen? Sich einfach über das eigene Gewissen hinwegsetzen, da der Papst nun mal wisse, wie er die Schrift auslegt?

Abschließendes Fazit:

Das oben erwähnte Zitat Hartls enttäuscht, da man von einem wissenschaftlich ausgebildeten Theologen mehr Professionalität im Umgang mit geschichtlichen Tatsachen erwarten möchte. Es scheint einfach, dass die Antwort bereits feststand, als dieser Satz geschrieben wurde. Das ist schade, stiftet sowas doch unnötig viel Unruhe unter Christen. Hartl weiß, dass er auch gerne von Protestanten gelesen wird, dass er seine Autorität nutzt, um Feuer und Spaltungen zu produzieren, beweist endgültig, dass er selber gegen seine These verstößt. Aber hier kommen wir zum entscheidenden: Nicht der gegen die Sünde vorgeht, spaltet die Gemeinde, sondern der sie zulässt. Der sich der Simonie hingebt, der Hurerei und Unzucht bis in die obersten Ämter hindurch duldet, zudeckt und kleinredet. Der in Sünde nicht die Rechtfertigung in Christus sucht, sonder in einer eitlen Selbstrechtfertigung. Somit sind nicht die Reformatoren die Spalter der Gemeinde, sondern ihre Widersacher!

(Ebenfalls Edit vom 13.01: man bedenke, dass es weit vor der Reformation Waldenser, Wiedertäufer und viele weitere Arten von Gemeinde in Knechtsgestalt gab und doch war Jesu Wort immer wahr, dass die wahren Kinder Gottes immer eins sind in Christus)

P.S.:

Ich habe an Polemik nicht gespart! Man möge es mir verzeihen! Es hat mich ungemein geärgert, so viel Zeit investieren zu müssen, um diesem Zitat nachzugehen! Ich hielt sie zunächst für verlorene Zeit, da mich das nicht so sehr interessiert habe und ich mich für diese Veröffentlichung nur entschieden habe, weil offensichtlich Hartl viele „protestantische Gewissen“ bekümmert! Ich empfehle die Artikel von Peter Geerds zu einer kritischen Auseinandersetzung mit Hartl!

Edit vom 13.01.2019: Persönlich frage ich mich, ob ich den Mut habe, gegen den Strom der Zeit zu schwimmen, ob ich die Kraft habe dem Gewissen und dem Wort Gottes immer Vorrang zu geben, oder doch immer eher geneigt bin zu Kompromissen, bis sie irgendwann so weit gehen, dass mein Gewissen kompromittiert wird.

Dieser Blog-Beitrag von Sergej Pauli erschien zuerst auf Glauben und Denken (alt) . Lies hier den Original-Artikel "Katholisch ist Fremdsprache!".

Über Sergej Pauli

Hallo, ich bin Sergej Pauli, Jahrgang 1989 und wohne in Königsfeld im Schwarzwald. Ich bin Ingenieur, verheiratet, habe vier Kinder. Diesen Blog möchte ich nutzen, um über das Wort Gottes und seine durchdringende Wirkung bis in unsere Zeit zu schreiben. Hast du bestimmte Fragen oder Anliegen, dann scheue dich nicht, mich zu kontaktieren. Hast du bestimmte Fragen oder Anliegen, dann scheue dich nicht, mich zu kontaktieren.

11 thoughts on “Katholisch ist Fremdsprache!

  1. Das Thema Luther und die Reformation kann man NIEMALS in nur kurzen Statements abhandeln, auch ein Herr Hartl kann das nicht. Es ist viel zu komplex. Luther hatte zwar recht z.B. beim Thema Ablassmißbrauch, aber das war ja nur der Anfang. Letztlich ging es ihm um andere theologische Fragen. Die Entwicklung ging am Ende dahin, daß die Katholiken und die Protestanten sich sogar wieder einigen wollten und die Katholiken den Protestanten einiges konzedierten, Luther aber dann die Einigung hintertrieb. Wer das Thema umfassender kennenlernen will, der muß schon ein gutes Kirchengeschichtsbuch in die Hand nehmen oder sogar eines, das nur die Geschichte der Reformation abhandelt. Letztlich haben beide Seiten Fehler gemacht. Der ältere Luther hat sich zu unsäglichen Angriffen gegen den Papst und die katholische Kirche hinreissen lassen und auch zu solchen gegen seine Mitreformatoren. Seinem Werk, der geknechtete Wille wurde massiv widersprochen, weil er da einen Willkürgott postulierte und meinte in Gott sei auch Böses zu finden.
    Ergo, wie ich hier schreibe: Dem Thema wird man nie in wenigen kurzen und damit auch einseitigen Abhandlungen gerecht. Katholiken von heute sehen durchaus, daß Luther mit seiner Kritik in manchem recht hatte, aber dann das Kind mit dem Bade ausgeschüttet hat.
    Im Konzil von Trient ist ja manches von der Kirche auch klarer gestellt worden, was vorher weniger klar war.

  2. Lieber Sergej, grundsätzlich finde ich es schon äußerst fragwürdig, ein isoliertes Zitat zu kritisieren, ohne den Kontext zu kennen. Ist es Dir beim Bibellesen nicht auch wichtig, immer auf den Kontext zu achten? Ist dieses Prinzip dann nicht ebenso wichtig, wenn Du jemanden öffentlich kritisierst? Zumal Du in das Zitat etwas hineinliest, was da schlicht und einfach nicht steht. Johannes Hartl hat nicht Luther als den Sünder bezeichnet. Spaltung ist eine Konsequenz davon, dass Menchen sündigen. Wer damals gesündigt hat, so dass es zur Spaltung kommen musste, steht da nicht. Vielleicht meinte Hartl ja (zumindest unter anderem) die Sünde der katholischen Kirche, die die Spaltung verursacht hat? Nur wenige Zeilen weiter zitiert Hartl Papst Johannes Paul II. mit den Worten: „Könnte es nicht so sein, dass diese Auseinanderentwicklungen ein Weg waren und sind, damit die Kirche die vielfältigen Reichtümer entdeckt, die im Evangelium Christi und in der von Christus bewirkten Erlösung enthalten sind?“ Das zeigt zumindest eindeutig, dass Hartl die Schuld nicht einseitig bei den Reformatoren sieht. Ich stimme nicht allen Aussagen in „Katholisch als Fremdsprache“ zu. Aber die Legende, dass Hartl die Reformatoren für die Kirchenspaltung verantwortlich macht und deshalb als Sünder bezeichnet, ist eine dieser typischen Verkürzungen, die einen fruchtbringenden Dialog leider unmöglich machen. Schade.

    1. Vielen Dank Markus, dass du dir die Mühe machst meine Beiträge zu lesen. Zunächst einmal habe ich es deswegen deutlich gemacht, dass ich mich nur auf das Zitat beziehe, weil ich wirklich als Privatperson, als Arbeitnehmer und FAmilienvater nicht aufbringen kann dem Werke Hartls nachzugehen. Ich habe mal die Artikel von Dr. G. Hohage gelesen (z.b. hier http://biblipedia.de/2018/07/03/zur-debatte-um-johannes-hartl-2/), und weiß dass ich Jahre bräuchte um nur durch seine Doktorarbeit zu kommen, geschweige den kritisch zu untersuchen. Was ich aber kann und darf (du hast es selbst betont in deinem letzten Artikel), als Laie zu allen Aussagen Stellung bezieh. Dass ich es so mache habe ich bewusst in meinem Artikel deutlich gemacht. Obwohl ich dir eingestehen würde, dass ich das Zitat zu sehr auf eine Seite biege, wird dennoch deutlich das Hartl in das klassische fünfhunder Jahre alte katholische Horn stößt, nämlich, Reformation hätte nicht unbedingt sein müssen, man wisse zwar nicht wie, aber irgendwie hätten es die Reformatoren mit mehr Fürbitte, mit mehr Demut, mit mehr Einfalt etc. probieren müssen. Und genau damit habe ich ein Problem. Mein Artikel läuft vornehmlich darauf hinaus, was für eine Witzfigur Luther allen Reformatoren voraus gewesen wäre, wenn er ein Reformator nach katholischem Wohlempfinden wäre: ER wäre ein gleichgültiger Beichtvater, ein oberflächlichger Klosterverwalter, ein jämmerlicher Dozent der Theologie, der sein Intellekt immer irgendwelchen nicht zu fassenden Trends unterordnen sollte, er wäre alles möglichen gewesen, vor allem aber auch ein Mensch ohne Gewissen. Und man nehme einem Menschen das Gewissen weg, und es bleibt nur ein Tyrann. Wo ich deiner Kritik am meisten recht gebe, ist, dass es mir ja gar nicht um Hartl geht, sondern um katholische Klischees im Allgemeinen, an diesen Stellen werde ich meinen Artikel korrigieren. Ich muss aber auch deinen Kommentar an zwei Stellen berichtigen: Erstens: Der werte Herr Johannes Paul II meinte mit den Reichtümern des Evangeliums Christi kaum protestantische Wahrheiten, man muss kein Experte sein, dass viele heute typisch katholische Ansichten erst nach der Reformation entstanden sind (z.b. Maria Himmelfahrt), dass man sich dann in der Gegenreformation für den Semipelagianismus entschied, und später im zweiten Vatikanischen Konzil die Macht des Papstes noch einmal deutlich stärkte, stößt auch heute vielen Katholiken übel auf. Anders gesehen kann man natürlich Joh. Paul II recht geben, denn alles geschieht unter der Vorsehung und Führung Gottes zum Besten für denen, die ihn lieben! Mein zweites Problem mit deinem Kommentar ist: Mit wem will ich denn überhaupt Einheit haben? Jesu Gebet um die Einheit in ihm ist die ganzen 2000 Jahre erhöht, alle Christen sind eines in ihm, denn er ist das Haupt. Ich fürchte, dass du zu sehr eine nominelle „christliche“ Vereinigung mit der Gemeinschaft der Erretteten verwechselt. Die Einheit der Christen wird dadurch nicht besser, wenn es nur noch einen einzigen zugelassen christlichen weltweiten Verband geben sollte…

  3. Ich stimme Markus Till zu.
    Aber wie gesagt, hat die Reformation sehr unterschiedliche Gründe, die in einem Forum gar nie komplett erörtert werden können.

    Zudem sind die damaligen Differenzen nicht mehr die gleichen wie sie heutigen. Ablaßmißbräuche und manches andere gibt es heute nicht mehr.
    Was damals geschehen ist, können wir nicht mehr rückgängig machen.

    Heute aber haben die Kirchen, um das Wort Kirche mal in der Mehrzahl zu nehmen, ganz andere Probleme. Beide großen Kirchen sind vielfach verweltlicht und das nicht nur in unseren Breitengraden. Dazu tragen viele (nicht alle) Kirchenfürsten beider Konfessionen kräftig bei bis hin zum jetzigen Papst, der meint sich vorwiegend auch politisch äussern zu müssen, vor allem in Richtung links.
    Es fehlt in den Kirchen eine Neuevangelisierung. Das wäre mal ein wichtiges Thema. Etliche Päpste vor Franziskus haben das ja schon angesprochen, aber passiert ist in dieser Richtung wenig. Die Richtung in der EKD geht gerade ins Gegenteil und bei der kath. Kirche in Deutschland ist das kaum anders.

    Der „oberste“ Bischof in Deutschland (genauer gesagt, gibt es ja keinen obersten) hat gerade andere „Probleme“ im Auge. http://kath.net/news/66535rade Er kriegt da aber auch mächtig kontra, zumindest von Katholiken, die noch wissen, was christliche Glaube ist. Die kath. Kirche hat derzeit die Mißbrauchsproblematik vor allem im den USA, wo sogar Bischöfe und Kardinäle betroffen sind und der Papst viel zu wenig konsequent ist in seinen Reaktionen. Das alles ist schlimm genug, wobei das auch unter Protestanten und freilich auch anderswo vorkommt, wenn auch weniger publiziert. In den Kirchen ist das freilich noch übler einzuordnen.

  4. Ich empfehle, was Hartl in seinem Blog zum Reformationsjubiläum schrieb. Hier wird deutlich, wie er zur Reformation steht.
    https://johanneshartl.org/500-jahre-reformation-ein-paar-gedanken/

    Es ist immer schwierig, einzelne Aussagen aus einem Zusammenhang zu reißen. Dazu gehören auch Sätze z.B. aus YouTube Videos, die live gehalten werden.
    Zusätzlich empfehle ich das Buch „in meinem Herzen Feuer“ von Hartl. Hier merkt man in jeder Zeile seine Liebe zu Jesus und das Evangelium der Rettung aus Glauben durch die Gnade Gottes.
    Und nein, es ist kein anderer Jesus, den Hartl verkündet.

    1. Aus dem genannten Blog:
      „Kirchenspaltung ist schrecklich.
      An diesem Jahrestag gibt es auch wirklich viel zu trauern. Dass die Kirche des Westens nach fast 1500 Jahren ihre Einheit verlor und seither nie wieder mit einer Stimme gesprochen hat, das ist ein Desaster, das sich fast nicht in Worte fassen lässt. Theologische Streitpunkte hat es in der Kirche immer gegeben. Doch Kirchenspaltung ist vielleicht noch schlimmer als Irrlehre.“

      Spricht da vielleicht die Arroganz der römisch-katholischen Kirche? Diese hat doch viele Spaltungen vollzogen und erlebt. Warum schweigt Hartl darüber? Wo wird die Spaltung von der ost-römischen Kirche erwähnt? Wo die Spaltung der Altkatholiken?

      „An der Kirchenspaltung haben definitiv beide beteiligten Seiten Mitschuld.“
      Aha – so kann man seinen eigenen Anteil kleinreden.

      1. Genau das Zitat was du erwähnst, macht mich super skeptisch gegenüber Hartl. Einem so intelligenten Menschen wie ihm traue ich nicht zu, dass er über die Geschichte nicht bescheid weiß. Entweder wird hier bewusst oder unbewusst eine katholische Brille angezogen, bei diesem komme ich nicht mit und werde auch nicht gleichgültig dazuklatschen…

  5. Es ist ganz einfach: Die Reformation war nicht notwendig, wohl aber eine dringende Reform war nötig. Reform ist innerkirchlich, Reformation bedeutete ja die Trennung. Diese konnte auch nur erfolgen, weil die weltlichen Fürsten Machtinteressen hatten und so die Protestanten unterstützten.
    Übrigens hat es ja auch vor der Reformation viele Christen gegeben. Das wird vielfach vergessen. Alles war wie heute auch: Im Laufe der Zeit ist die Christenheit immer wieder gleichgültig geworden und hat Einseitigkeiten und Mißbräuche zugelassen und war daher von Zeit zu Zeit reformbedürftig. Man denke nur an Franz von Assisi, an Katharina von Siena, die sogar dem Papst die Meinung gesagt hat. Alle diese Reformbestrebungen waren aber innerkirchlicher Natur.
    Später als es dann den kirchlichen Protestantismus gab, gab es auch Personen, die die Verweltlichung der evangelischen Kirche nicht gerne sahen und die Kirche erneuern wollten ohne aber sie direkt zu bekämpfen. Ein Gerhard Tersteegen sei hier beispielhaft genannt, den möchte die offizielle Kirche aber auch nicht.

    1. Danke, hätte nicht gedacht, dass mir einer deiner Kommentar so gut gefallen wird :-), Exakty es gab schon vor der Reformation z.B. die Waldenser und die Wiedertäufer, und nun ja, eben die Kirche in Knechtsgestalt, auf die zu treten, so dass das Blut in Strömen floß, dass machte damals weder katholiken noch Lutheranern viel aus…was eben zeigt, dass die Einheit in Christus keine äußere Einheit unter einer Organisation ist!!!

    2. Reformation heißt doch nicht Trennung! Das Wort beschreibt allenfalls den Vorgang des Reformierens. Vom Reformator Luther war auch keine Trennung vorgesehen. Die hat die katholische Kirche vollzogen und bis heute nicht widerrufen.

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