10 Jahre unverdiente Treue

Nach langem inneren Ringen habe ich mich entschieden, dennoch einige zeugnishafte Lebensrückblicke zu schildern. Oft denke ich an diese Verse:

“Mir ist Erbarmung widerfahren,
Erbarmung, deren ich nicht wert;
das zähl ich zu dem Wunderbaren,
mein stolzes Herz hat’s nie begehrt.
Nun weiß ich das und bin erfreut
und rühme die Barmherzigkeit.”

Meine Frau meint sehr häufig über mich, dass ich ein besonderes Lieblingskind von Gott sei. Ich denke sie schildert das treffend. Doch einen Grund dafür zu suchen wäre vergebliche Mühe, denn dieser ist nur in dem Ratschluss Gottes zu finden. Es verschlägt mir den Atem darüber nachzudenken, wie viel uns nur durch Gnade zuteil wird. Wie viel davon nehmen wir so selbstverständlich, oftmals völlig gleichgültig und lieblos an, ohne auch nur ‘Danke’ dafür zu sagen.  Sage ich das nur, weil ich mit frommen Superlativen nicht sparen kann? Nein, es ist intimste Realität. Vor etwas mehr als zehn Jahren haben meine Frau Elvira und ich geheiratet. Diese zehn Jahre sind ein guter Startpunkt, um einen Rückblick zu wagen. Ich blicke heute also ich auf 10 Jahre unverdiente Treue zurück.

Meine ich das wirklich so? Ist Eheglück wirklich ein unverdientes Geschenk Gottes? In meinem Leben ist es definitiv so. Seltsamerweise wird in fundamentalistischen Kreisen oft der Eindruck vermittelt, dass eine Ehe nur auf aller beste Weise funktionieren kann, wenn “beide Partner bekehrt sind”. Ein Versagen sei gar nicht möglich. Mit genau dieser Vorannahme stolperte ich in die Ehe hinein. Damit übersah ich in krasser Blindheit, dass ich selbst eine wandelnde Gefährdung meiner eigenen Ehe bin. Gott gab uns Gnade zur Buße und seinen Schutz in Gefahr. Ein punktueller Rückblick aus unterschiedlichen Bereichen:

Die Ausgestoßenen: Die Entscheidung, Elvira zu heiraten, bedeutete für mich mehr oder wenig den Ausstoß aus meinem elterlichen Haus. Mit dem Motto “Du hast jemand besseren verdient, du Verräter” setzte (und setzt) meine Mutter alles daran, um uns auseinander zu bringen. Viele der Mittel und Maßnahmen dafür habe ich (und ich glaube noch nicht einmal meine Mutter selbst) am Anfang bemerkt. Hier musste ich immer wieder einiges korrigieren und die Schuld vor der Ehefrau eingestehen. Das ganz Verrückte dabei: Die ersten 5 Jahre habe ich überhaupt nicht gemerkt, dass meine Frau selbst unter einem ähnlichen Druck steht. Die Entscheidung Elviras sich für mich zu entscheiden, bedeutete und bedeutet für sie, dass sie von einigen ihrer nächsten Verwandten nur Verachtung empfängt. Langsam lernen wir das in Geduld zu tragen. Was sich aber so bitter anhört, war ein segensreiches Tal der Demut: Wir lernten Selbstständigkeit und Zusammenhalt.

Pornographie ist keine Kleinigkeit: Obwohl ich in diesem Bereich von Christus befreit wurde (und auch nach diesem veröffentlichten Zeugnis noch rückfällig wurde), erwische ich mich bis heute dabei, dass ich immer noch dazu neige, sexuelle Verfehlungen klein zu reden, z.B. damit: “So sind halt die Männer”. Wahrlich: Wir sind schlimmer dran als wir es uns vorstellen können. Erst langsam fing ich an, Geschlechtsverkehr nicht zu eigenem Vergnügen und zur eigenen Befriedigung zu haben, sondern als Dienst am Partner (und wie Timothy Keller deutlich macht, als sakramentale Bundeserneuerung) . Unfassbar, wie das befreit! Jahrelang bemerkte ich die Traumfrau nicht, mit der ich die ganze Zeit schon verheiratet war: “Wie schön ist deine Liebe, meine Schwester, liebe Braut! Köstlicher als Wein ist deine Liebe (…) Von deinen Lippen, meine Braut, träufelt Honigseim. Honig und Milch sind unter deiner Zunge (….) Du hast mir das Herz genommen, meine Schwester, liebe Braut, du hast mir das Herz genommen mit einem einzigen Blick deiner Augen. Du bist wie ein Lustgarten von Granatäpfeln mit edlen Früchten, Zyperblumen mit Narden” (Hoh. 4,9-12)

Die Armen und die Reichen: Mein Jammer, waren wir arme Kirchenmäuse, als wir geheiratet haben. Viele hatten dafür nur Kopfschütteln übrig, als ob man sich dafür etwas kaufen könnte. Ich erinnere mich, dass wir in dem ersten Jahr der Ehe, kaum, kaum über die Runden kamen und vor dem am Monatsende leeren Kühlschrank bangten. Der Herr versorgte immer ungewöhnlich: z.B. bekam ich von einer vorhergehenden Tätigkeit, ohne dass ich darum bat und auch ohne, dass es irgendwie einen Sinn machte, eine zusätzliche Zahlung von beinahe zweitausend Euro. Am Anfang waren wir hier etwas gelähmt, aber schon bald habe ich gelernt neben meinem Studium die kreativsten Nebenjobs zu entwickeln. Schon bald schwammen wir im Geld. Über eine lange Zeit meines Studiums hatten wir mehr Einkommen, als wir es jetzt in meiner vollen Berufstätigkeit bekommen. Falls jemand hier ein besonderes frommes Zeugnis erwartet: Es gibt keines. Das meiste davon haben wir fürs Essen gehen, für Vergnügungen usw… vergeudet. Worauf ich mit diesem Punkt vor allem hinaus will: Armut schweißt zusammen. Alles was wir besitzen und haben, haben wir irgendwie zusammen erarbeitet. Weder ich noch meine Frau brachten irgendein Kapital mit in die Ehe. Die Armut erwies sich als eine segensreiche Zeit der unverdienten Gnade.

Die Kinderlosen und Kinderreichen: Am Anfang konnten wir auf natürliche Weise keine Kinder bekommen. Die geistliche Unterstützung in einer solchen Situation, die man in fundamentalistischen Kreisen dafür bekommt, sieht so aus: Irgendwann kommt ein Pastor immer regelmäßiger auf dich zu und fragt dich, wo denn die Kinder bleiben? Später wird gedroht, wie furchtbar doch “Verhütung” ist… Hilft natürlich ungemein. Es ist ein Kampf, hier nicht verbittert zu werden. Es war aber auch ein Kampf, sich für “positive” Familienplanung zu entscheiden. Auch hier war und ist Gott treu.

Die Reformierten: Die schönste Entdeckung war für uns, dass das Evangelium auch für den Christen gilt. Dieses große Heil feiern wir geradezu täglich. Wir triumphieren darüber, dass Christus für unser Heil bürgt. Wir sind gerechtfertigt aus Gnaden. Das bewegt uns täglich aufs Neue und täglich eigentlich immer stärker. Ich bin froh, dass Elvira diese Entdeckungen mit mir gemeinsam gemacht hat. Es war und ist ein lebenslanger Kampf der Freude. Aber manchmal schmeckt man auf der Zunge bereits den Himmlischen Äther Zions und riecht den Wohlgeruch der neuen Erde bereits hier. Am allermeisten, wenn man im Worte Gottes die Tiefe, Breite und Höhe der Liebe Christi entdeckt.

Rückblickend, kann ich nicht einen Moment in dem ganzen gemeinsamen Leben erkennen, der nicht ein unverdientes Geschenk der Gnade war. Ich war ganz drauf und dran, meine Ehe an die Wand zu fahren, während Christus mich hielt und selbst kleinste Details so führte, dass sie uns als Familie zum Besten dienten. Was hier oben beschrieben wird sind punktuelle Stichproben. In Wirklichkeit war jede Begegnung mit anderen, jedes Erlebnis, jede noch so kleine Prüfung ein Geschenk seiner souveränen Führung. Ehrlich gesagt, will es mir manchmal den Atem verschlagen, weil es kaum zu erfassen, aber noch schwerer zu beschreiben ist, wie sehr Gott uns geliebt hat.

Elvira: Danke für deine Treue!”Siehe, meine Freundin, du bist schön; schön bist du, deine Augen sind wie Tauben” (Hoh. 1,15)

 

Über Sergej Pauli

Hallo, ich bin Sergej Pauli, Jahrgang 1989 und wohne in Königsfeld im Schwarzwald. Ich bin Ingenieur, verheiratet, habe vier Kinder. Diesen Blog möchte ich nutzen, um über das Wort Gottes und seine durchdringende Wirkung bis in unsere Zeit zu schreiben. Hast du bestimmte Fragen oder Anliegen, dann scheue dich nicht, mich zu kontaktieren. Hast du bestimmte Fragen oder Anliegen, dann scheue dich nicht, mich zu kontaktieren.

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