Genügt die Bibel für seelsorgerliche Beratung?

Ein Artikel von Ed Welch. Erschienen am 23.10.2019 unter dem Titel: „Is Scripture Sufficient for Counseling?” bei CCEF. Übersetzt von Ruth Metzger.

“Sie verwenden einfach nur die Bibel.” So habe ich Leute über biblische Seelsorge reden hören. Eigentlich würde ich über diesen Kommentar gar nicht weiter nachdenken, gäbe es da nicht zwei Dinge. Erstens wollen sie uns damit nicht anerkennend auf die Schulter klopfen; das verrät das Wort „einfach“. Würden sie sagen: „Sie verwenden die Bibel”, würde ich mich ermutigt fühlen und es dabei belassen, aber das will man damit nicht aussagen. Und zweitens führt uns diese Frage zu der größeren Frage nach der Reichweite der Schrift. Genügt die Heilige Schrift? Und wenn ja, was bedeutet das?

Beispiele sind manchmal hilfreich. Da meine Frau und ich gerade unseren neununddreißigsten Hochzeitstag gefeiert haben, werde ich die Ehe bzw. das Wachstum einer wichtigen Beziehung als Beispiel nehmen, um dadurch unser Nachdenken über die Genügsamkeit der Schrift herauszufordern.

War also die Schrift genug, um meine Ehe gedeihen zu lassen?

Am Tag meiner Hochzeit hatte mir die Heilige Schrift eine Menge zu sagen. (“Eine Menge” bringt uns in den Bereich der „Genugsamkeit“.) Wie so mancher Bräutigam wusste ich nicht, was ich tat, aber etwas wusste ich: Liebe war das Gebot der Stunde! Gottes Wort sagte mir, dass Sheri mir gehörte und ich ihr. Kein Gedanke mehr an andere Frauen! Ich sollte so leben, als ob alle Gespräche mit anderen Frauen direkt an meine Frau übertragen würden. Das waren tatsächlich gute Grenzen!

Aber ein paar Tage später schien die Schrift doch nicht genug zu sein. Wir waren voneinander enttäuscht – keine Ahnung, weswegen – und ich fühlte mich festgefahren. Der Geist und das Wort schienen unergiebig. Aber irgendwann leuchtete mir ein kleines Lichtlein auf. Nur ein Funke. Ich hätte es damals kaum beschreiben können, aber es stellte sich heraus, dass es Demut hieß. Ich hatte schon mal davon gehört. Ich ging davon aus, dass ich reichlich davon besaß und dass Sheri etwas mehr gebrauchen könnte. Es stellte sich heraus, dass Demut ein verlässlicher Führer ist, der auch mir nützlich war.  Die Heilige Schrift genügte doch zu mehr, als ich dachte.

„Demut“ sagt fast alles aus, was man über die Ehe wissen muss. Sie ist auf sehr reale Weise ausreichend. Demut ist darauf ausgerichtet, sich zu unterordnen, statt zu erhöhen. Bevor sie andere verurteilt, prüft sie sich lieber selbst. Sie hört zu und ist bereit, sich belehren zu lassen. Was mich betrifft, so hat die Ehe mir offenbart, dass meine selbstsüchtigen Wünsche sehr viel mehr im Vordergrund standen, als ich angenommen hatte. Demut hat mich gelehrt, um Vergebung zu bitten: “Ich habe mich so falsch verhalten. Wirst du mir verzeihen?” Die Grundlage dafür ist “Christus, der Gekreuzigte” (1. Kor. 2,2). Christus überführt uns, vergibt uns und befreit uns dazu, in Demut vor anderen zu wandeln.

Und der Geist und das Wort stellten mir auf diesem Weg Hilfen zur Verfügung. Ich ging in die Gemeinde, hörte gute Predigten, bat andere Männer, für mich zu beten, nahm das Abendmahl, studierte die Bibel mit einer Kleingruppe, beobachtete Hunderte von Ehen und lernte von jeder etwas, las Dutzende von Büchern über die Ehe, beobachtete, wie meine Frau in Christus reifte und nahm einige Dinge aus Fernsehen und Filmen auf. Durch all das bin ich allmählich gewachsen. Heute bitte ich gewöhnlich schneller um Vergebung bemüht, ich selbst empfinde meine Sünde schwerer als Sheri das Gewicht meiner Sünde empfindet, und tatsächlich habe ich Gefallen an diesem Prozess. Ich hoffe, der Diener meiner Frau zu sein, so wie Jesus Christus mir gedient hat. Diese Vorstellung von Liebe steht jetzt im Vordergrund, auch wenn wir nebenbei weiterhin Freunde, Liebhaber und Partner für die schönen Dinge des Lebens sind.

Wie beantwortet das jetzt die Frage, ob die Heilige Schrift für die seelsorgerliche Beratung ausreicht? Genugsamkeit bedeutet nicht, dass die Heilige Schrift für jede denkbare Gelegenheit eine Anleitung bietet. Das würde meiner Abhängigkeit von Christus entgegenstehen und mich im Kern einer endlosen Reihe von detaillierten Gesetzen unterwerfen. Es bedeutet auch nicht, dass ich meine Nase nur noch in die Heilige Schrift stecke und keine Hilfe von irgendwo anders bekomme. Stattdessen möchte ich jemand sein, der sich immer zu lernen bemüht, der überall nach Ideen und Hilfe Ausschau hält. Mit den Ideen, die wahre Demut und Liebe veranschaulichen und den Ideen, die zu meiner Ehe passen, beschäftige ich mich dann intensiver. Die Schrift zeigt mir, wie die Dinge auf Gottes Art funktionieren und wie man in seinem Reich lebt. Ich habe versucht, diese Lebensart des Reiches Gottes in mich aufzunehmen. Dann improvisiere ich, lasse mir helfen und versuche, den Lebensstil des Haushalts Gottes kreativ auf meinen eigenen zu übertragen.

Ist also die Schrift ausreichend, um mich darin zu leiten, wie man im Einzelnen richtig lebt, in der Ehe wächst und weisen seelsorgerlichen Rat gibt? Mein Zugang zu dieser Frage war das besondere Beispiel der Ehe. Wenn der Ausgangspunkt die Erfahrung eines Freundes mit Schizophrenie wäre, würde ich erwarten, dass die Schrift mich auf andere Weise leitet. Aber hier kommt die Kurzantwort auf diese Frage: Die Heilige Schrift gibt mir in Jesus Christus alles, was zum Leben und zum Wandel in Gottesfurcht dient (2. Petrus 1,3). Sie konfrontiert und tröstet mich, beides gleichzeitig. Um weiter im Glauben zu wachsen, der durch die Liebe wirksam ist (Gal 5,6), leitet mich die Schrift selbst an, mich mit den Menschen zu beschäftigen, sorgfältig zu beobachten und sogar die Schöpfung zu studieren. Manchmal, wenn ich all das getan hatte und doch nicht weiterkam, habe ich gehofft, dass die Schrift mir ihre Genugsamkeit durch großartige Einsichten beweisen würde, um die vorliegenden Rätsel zu entschlüsseln. Tatsächlich hat die Schrift mir klar eine Richtung gewiesen, aber nicht so, wie ich das erwartet hatte. Meist hat sie mich zu jener Lebensader der Demut zurückgeführt und damit verbunden zu der tieferen Einsicht: Festgefahren zu sein ist eine gute Position. Wann sonst sollte ich um Hilfe und Weisheit flehen?


English: This translation is copyrighted © 2020 by the Christian Counseling & Educational Foundation (CCEF). The original article entitled Is Scripture Sufficient for Counseling?,  Copyright © 2019, was written by Ed Welch and is available at the ccef.org website. All content is protected by copyright and may not be reproduced in any manner without written permission from CCEF. For more information on classes, materials, speaking events, distance education, and other services, please visit www.ccef.org.

Translated in full with permission from the Christian Counseling & Educational Foundation (CCEF) by Ruth Metzger for glaubend.de in Koenigsfeld, Germany. Sole responsibility of the translation rests with the translator.

Deutsch: Dieser Artikel ist urheberrechtlich geschützt durch die Christian Counseling & Educational Foundation (CCEF) © 2020. Der Original Artikel lautet entitled Is Scripture Sufficient for Counseling?, Copyright © 2019 und wurde von Ed Welch am 23.10.2019 auf der ccef.org Homepage veröffentlicht. Jeglicher Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf in keiner Weise ohne schriftliche Erlaubnis von CCEF verwendet werden. Für weitere Informationen über Materialien, Veranstaltungen, Lehrinhalte und Vorlesungen besuchen Sie bitte www.ccef.org

Vollständig übersetzt mit Erlaubnis der Christian Counseling & Educational Fundation (CCEF) von Ruth Metzger für glaubend.de in Königsfeld, Deutschland. Die völlige Verantwortung für die Übersetzung liegt beim Übersetzer.

Über Sergej Pauli

Hallo, ich bin Sergej Pauli, Jahrgang 1989 und wohne in Königsfeld im Schwarzwald. Ich bin Ingenieur, verheiratet, habe vier Kinder. Diesen Blog möchte ich nutzen, um über das Wort Gottes und seine durchdringende Wirkung bis in unsere Zeit zu schreiben. Hast du bestimmte Fragen oder Anliegen, dann scheue dich nicht, mich zu kontaktieren. Hast du bestimmte Fragen oder Anliegen, dann scheue dich nicht, mich zu kontaktieren.

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