Ist die Worthaus-Theologie liberal?

Wie alle „Schubladenbegriffe“ wird auch der Begriff der „liberalen Theologie“ sehr unterschiedlich verwendet. Evangelikale Laien verstehen darunter tendenziell etwas Anderes als universitäre Theologen. Sie neigen dazu, die Vielfalt universitärer Theologie weniger wahrzunehmen und alles unter dem Begriff „liberal“ zusammen zu fassen – genau wie manche liberal geprägte Christen Evangelikale pauschal als „fundamentalistisch“ einstufen.

Im Hossa-Talk #105 wird auch dem AiGG-Worthausartikel vorgeworfen, die Theologie der Worthaus-Vorträge pauschal als „liberal“ zu bezeichnen (Min. 19.20). Deshalb möchte ich gerne dazu beitragen, dass wir einander differenzierter wahrnehmen.

Fakt ist: Die Worthausreferenten repräsentieren eine große Bandbreite universitärer Theologie. Darunter sind Referenten, die auch gemäß der universitären Definition als liberal gelten dürfen (wie Prof. Zimmer im Hossa Talk bestätigt; Min. 10.05). In der großen Mehrzahl trifft das universitäre Label „liberal“ aber nicht für die Worthaus-Referenten zu. Entsprechend charakterisiert der AiGG-Artikel die Worthaus-Theologie auch nirgends als „liberal“ sondern als „universitär“. Dazu wird kommentiert: „Worthaus ist kein einheitlicher Block mit einheitlicher Theologie. … Es stellt deshalb eine der Übersichtlichkeit geschuldete Vereinfachung dar, wenn in diesem Artikel der Begriff „Worthaus“ so verwendet wird, als ob alle Vorträge eine geschlossene Sichtweise vertreten würden.“ DIE Worthaus-Theologie gibt es also nicht. Deshalb ist natürlich auch nicht jede Kritik an einzelnen Aussagen in Worthaus-Vorträgen auf alle Worthaus-Referenten gemünzt.

Fakt ist aber auch: An den Universitäten gibt es kaum evangelikale Theologen. Laut Prof. Zimmer ist der Anteil evangelikaler Theologen an den theologischen Fakultäten im Promillebereich (Min. 23.00). Entsprechend sind auch die allermeisten Worthaus-Referenten nicht evangelikal. Bei zentralen Themen wie dem Bibelverständnis werden in vielen Worthaus-Vorträgen Positionen vertreten, die sich von traditionellen evangelikalen Positionen deutlich unterscheiden. Und ich finde: Darüber dürfen und müssen wir Evangelikalen reden – engagiert, differenziert und an der Sache orientiert.

Siehe auch: Jubilate! Endlich… diskutieren wir wieder mit offener Bibel!

Dieser Blog-Beitrag von Markus Till erschien zuerst auf aufatmen in Gottes Gegenwart . Lies hier den Original-Artikel "Ist die Worthaus-Theologie liberal?".

Über Dr. Markus Till

Evangelisch landeskirchlicher Autor, Blogger und Lobpreismusiker mit pietistischen Wurzeln und charismatischer Prägung

12 thoughts on “Ist die Worthaus-Theologie liberal?

  1. Wow, Wortklauberei und / oder Neusprech. Man ist nicht mehr liberal, sondern universitär. Ob das jetzt aber eine Verbesserung aus Sicht der Fundamentalisten ist, das sei mal dahingestellt: ich verstehe unter liberal, dass man sich nach eigenem Bekunden zwar grundsätzlich an die Bibel hält, aber durchaus freiere Interpretationen oder z.B. auch den zeitgeistgetrübten Blick auf manche Aussagen zuläßt – dann läßt man alles schön gleichwertig nebeneinander stehen, denn das Erkennen ist ja Stückwerk und Diskussionen könnten die Friede-Freude-Eierkuchenstimmung stören.
    Unter universitär verstehe ich dagegen, dass ich mich mit Theologie beschäftigen kann, ohne Christ sein zu müssen. Noch schöner: man kann alles in Frage stellen und nennt es dann z.B. „historisch-kritisch“, erklärt also kraft universitärer höheren Weihen weite Teile der Bibel für falsch.
    Egal, wie man das Kind benennt, der Fundamentalist jedoch entsinnt sich des Satzes im 2. Kor 6,14, will nicht mit Ungläubigen am fremden Joch ziehen oder keine Gemeinschaft mit der Finsternis haben, und wird von Veröffentlichungen oder Bücherkauf bei Worthaus absehen müssen.

    1. Ich finde der Gedanke bzgl. universitär als Loslösung vom „Christsein“ ist treffend. Denn diesen Anspruch – eine mögliche Loslösung von der subjektiven Meinung hin zu einem streiten um möglichst objektive, mindestens inter-subjektive Erkenntnis – ist ja gerade gegenstand des universitären Diskurses. Gewiss scheint es hier und da durch, was der einzelne glaubt und meint. Aber die Frage ist, ob wir so unparteiisch unter das Wort kommen sollen, wie es „universitär“ wäre.

  2. genau: liberal — universitär, wird (Neusprech) zum Schlagwort für neue Eliten.
    Wenn das Kreuz Christi zur Nebensache wird findet der Mensch seine eigene Wahrheit. So sind doch alle Irrlehren entstanden, ,,Selbstgerecht, Machtgierig und Weltgefälligkeit.“
    Jeder darf sagen was er will, und jeder hat Recht, Wahrheit wird zu einem Bürgerrecht, weil alles wahr ist.
    Und was der Mehrheit gefällt, muß gut und richtig sein.
    —Wo bleiben da die Weisen, die Schriftgelehrten, die glänzenden Redner? Gott hat sie zu Narren gemacht und ihre Weisheit als nutzlosen Unsinn entlarvt. 1.Ko 1. 20 —

  3. Ich habe mir mal einiges von dem angehört, was Herr Zimmer gegen Herrn Till aussagt in dem Video von diesem Hossaclub, konnte mir da aber kein Urteil machen anhand seiner Ausführungen, zumal ich die Originalaussagen von Till auch nicht kenne.
    Mir haben aber so einige Aussagen von Zimmer und ein Video von ihm gereicht, wo er die Bibel so auslegt, daß hier auch die homosexuelle Pravis in Ordnung geht und wo er meint ein Christ müsse auch griechisch und möglichst auch hebräisch können, wenigstens einige Grundlagen.
    Das allein zeigt seine Überheblichkeit auf. Die Bibel weist genug Stellen auf, die homosexuelle Handlungen verwerfen und zwar deutlich. Man kennt die Stellen, wenn man sich nur etwas mit dem Thema beschäftigt. Übrigens hat die Kirche von Anfang an diese Dinge drastisch abgelehnt, siehe die Paulustexte zu dem Thema. Zimmer meint ja seine Stuttgarter Nachteulengottesdienste seien so sehr gefragt. Da ich den Inhalt dieser nicht kenne, kann ich nichts dazu sagen, aber eines ist auch klar. Man kann mit manchem Leute anlocken, was nicht unbedingt sehr geistlich sein muss. Was mir bei Zimmer auch aufgefallen ist: Er begründet nicht warum z.B. nach seiner Meinung bzw. der, der Mehrheit der Theologen etliche Gleichnisse gar nicht von Jesus selber stammen sollen. Wie will man das heute nur anhand von vorliegenden Texten belegen können? Wie will man wissen, daß die Evangelien nicht von Matthäus, Markus usw, geschrieben worden sind. Ein Kirchengeschichtsschreiber, dessen Namen mir gerade nicht einfällt, hat doch bekundet, daß z.B. Johannes nach den anderen dreien sein Johannes-Evangelium geschrieben hat.

  4. Lieber Markus,
    Deine Bemühungen erkenne ich an, aber leider ist es wirklich die Frage was nur Worthülsen sind und was nicht. Das ist übrigens nicht nur bei „liberal“ usw. der Fall, sondern kann auch bei „evangelikal“, „bibeltreu“ usw. der Fall sein
    Eine Bewertung kann ich vornehmen, wenn ich den Protagonisten gehört, eine Predigt gelesen habe oder in einer Gemeinde war, aber nicht auf Grund von irgendwelchen Begrifflichkeiten wie z.B. eine Aussage auf einer Internetseite „begeisternder Lobpreis und mitreissende Predigten“ in einer Gemeinde vorfinden zu können.
    Deshalb „Prüfet alles und das Gute behaltet“ und wo nötig eben Schlüsse ziehen und Entscheidungen treffen wie unter Deinem letzten Beitrag beschrieben

  5. Hmm… ich hatte sinngemäß geschrieben, dass dieser Blog eine gute Basis sei für weitere vertiefende Diskussionen zum Thema….

    Liebe Grüße

  6. „Liberal“ Auch hier gilt, was das Wort ursprünglich bedeutet hat im Sinne von „freiheitlich“
    und wie man es jeweils verwendet wird.

    Jeder weiß, dass jedes Wort jeweils akut das bedeutet, wozu es benutzt wird.

    liberal = freiheitlich
    freiheitlich = abhängig von subjektiven eigenen ethischen, politischen, sozialen Werten usw.

    Und: Jedes Wort kann man realistisch, aber auch satirisch, zynisch, ironisch ,todernst oder klamaukhaft BENUTZEN. Der Unterton, der Klang macht es aus.

    In der theologischen Diskussion empfinde ich es inzwischen als ein vorurteilbehaftetes SCHLAG-Wort, ein SCHIMPF-Wort, ein bewertendes Wort mit negativer Attitüde… Es ist bequem, weil man sich nicht weiter mit der so bezeichneten Sache tiefer beschäftigen muß. Man kann seine Vorurteile hämisch pflegen.

    Mir ist bekannt, dass die „liberale“ Theologie von Worthaus tatsächlich Zehntausende von Gläubigen befreit hat aus einer als eng empfundenen Theologie.

    Man kann alles aus seiner Sicht heraus bewerten. Dialogoffen ist das eher nicht.

    Reden wir drüber?

    1. Liebe/r Jazzico,

      wenn wir bestimmte Worte wie „liberal“, „konservativ“, „fundamentalistisch“ etc. nur mit der damit ursprünglichen Bedeutung verwenden würden, dann würden auf mich alle drei oben genannten Adjektive im theologischen Sinne zutreffen.
      Fakt ist jedoch: Um Missverständnissen auszuweichen, muss häufig auch einmal eine Begriffsanalyse stattfinden um nachzuvollziehen, was mein Gegenüber mit den Worten die er/sie benutzt, verbindet. Für den einen ist theologische Liberalität „Befreiung“, für den anderen ist es die „Loslösung/Rebellion“ von Autorität.
      Du schreibst dabei: „Mir ist bekannt, dass die „liberale“ Theologie von Worthaus tatsächlich Zehntausende von Gläubigen befreit hat aus einer als eng empfundenen Theologie.“
      Diese Theologie (welche?) mag wohl „eng empfunden“ worden sein, ob sie das nun wirklich ist, sei mal dahin gestellt. Aus meiner Sichtweise ist es eher so, dass man bei Worthaus bewusst problematischen Thematiken in der ev. Theologie ausweicht, indem man die Spannung (z.B. Autorität und Inspiration der Bibel) aus gewissen Themen nimmt, indem man diese einfach weit öffnet und viel Spielraum offen lässt (z.B. Zimmers Offenbarungsverständnis).

      Deshalb bin ich für dich oder für Worthaus-Liebhaber wahrscheinlich ein „evangelikaler, konservativer Fundamentalist“. Nur mal so als Info:
      „(werte-)konservativ“ (lat. conservativus) = ethische Werte bewahrend, auf Werte besinnt, moralisch bedacht sein.
      „fundamental(-istisch)“ (lat. fundamentalis) = grundlegend, auf (einer) Grundlage beruhend, auf einem Fundament stehend/bauend.
      Deshalb bin ich das auch gerne. 😉

      Liebe Grüße,
      Sokrates

  7. Markus, du schreibst auch:

    „Fakt ist aber auch: An den Universitäten gibt es kaum evangelikale Theologen.
    Entsprechend sind auch die allermeisten Worthaus-Referenten nicht evangelikal. Bei zentralen Themen wie dem Bibelverständnis werden in vielen Worthaus-Vorträgen Positionen vertreten, die sich von traditionellen evangelikalen Positionen deutlich unterscheiden. Und ich finde: Darüber dürfen und müssen wir Evangelikalen reden – engagiert, differenziert und an der Sache orientiert.“

    Tja, Worthaus beschäftigt sich notgedrungen damit, weil Evangelikale dabei den Begriff „liberal“ wie oben beschrieben benutzen. Die Stärke von Worthaus ist, dass sie 99 % ihrer Zeit dami verbringen, akribisch in Vorträgen von gesamt über 100 Stunden ihre erarbeiteten Ergebnisse für jeden ganz offenlegen.

    Du hast vollkommen Recht! Hier sollten weniger Re-Aktionen und Kritik an Worthaus zu finden sein, sondern eigene Positionen zu den angesprochenen Themenkreisen.

    Hier geht es meinem Empfinden nach viel zu wenig um biblisch kreative Darstellung und fundierte Untermauerung klassischer evangelikaler Positionen. Man genügt sich mit der viel einfacheren Kritik am Werk der Anderen.

    Kurzum: Offensichtlich gibt es in der evangelikalen Theologie seit vielleicht 200 Jahren nichts Neues mehr zu erforschen? Hmm… Die Leute von Beröa haben nichts mehr zu tun?
    Und Paulus beschreibt einen un-ausforschlichen Reichtum des Wortes Gottes…….

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