Das Leben mit Gott, wenn man die Bibel in ihrer Gesamtheit als Gottes vollkommen inspiriertes, unfehlbares und fehlerloses Wort betrachtet, ist ein wunderbares Abenteuer. Gott lädt mich ein, mich jeden Tag ganz entspannt und voller Freude mit Seinem Wort zu befassen, es immer wieder von Neuem zu lesen, daraus zu lernen und es umzusetzen in meinem täglichen Leben. Ich muss mich nicht ständig fragen, ob das, was ich gerade lese, tatsächlich voll und ganz Gottes Wort ist oder ob es nur ein Bericht darüber ist, wie ein Mensch früher Gott gesehen und erlebt hat. Das gibt mir einen Ruhepol, einen festen Anker, einen Felsen in der Brandung des täglichen Lebens. Gott lädt mich dazu ein, Ihn beim Wort zu nehmen. Jedes Versprechen innerhalb der Bibel darf ich analysieren, den Kontext genauer anschauen, um es richtig zu verstehen, und dann auf mein Leben anwenden.
Gott gebraucht auch die Fülle Seines Wortes, um mich in Frage zu stellen. Hier finde ich ein großes Problem unserer Zeit, dass viele Menschen versuchen, Gottes Wort so zu verbiegen, dass sie sich selbst gut dargestellt finden, weil sie kein Interesse daran haben, sich von Gottes Wort in Frage stellen und verändern zu lassen. Lieber bleiben sie so wie sie sind. Das ist angenehmer und mit weniger Aufwand und Schmerzen verbunden. Ja, die Erkenntnis seiner selbst kann manchmal ganz schön hart sein. Aber sie tut gut und will das Leben zum Besseren verändern.
Unter dem Wort Gottes bleiben befreit mich von meinen eigenen Vernüfteleien und hilft mir, demütig zu bleiben. Es ist keine Demut, die Bibel mit dem Verstand oder einem bestimmten bibelfremden Jesusbild in Gotteswort und Menschenwort einteilen zu wollen. Das ist Hochmut und führt zu einer Überschätzung des heutigen Lesers. Es führt auch zu einer Überschätzung unserer Zeit, weil man somit davon ausgehen kann, dass unsere Zeit und Kultur um Längen besser und verständiger sei als die Zeiten, in welchen die Autoren der Bibel lebten. So viel sollten wir uns nicht anmaßen – schließlich hat ein äußerst blutiges und grausames 20. Jahrhundert zur Genüge gezeigt, wohin der menschliche Verstand, der sich über Gott stellt, kommen wird.
Unter dem Wort Gottes bleiben ist immer ein Abenteuer, weil ich in der Bibel immer wieder ganz neu überrascht werde. Wer mit manchen Methoden der Bibelkritik arbeitet, wird am Ende immer genau das bekommen, was er zuerst vorausgesetzt hat. Aus diesem Grund werden heutzutage auch oft Glaubensbekenntnisse wie etwa das Apostolikum zu einem neuen Maßstab, mit welchem man die Bibel messen will. Diese Bekenntnisse sind kein Teil der Bibel – sie müssen durch die Bibel geprüft werden. Das wird nun oft auf den Kopf gestellt und stattdessen das Bekenntnis zum Prüfen der Bibel missbraucht. Aber wenn ich unter dem Wort bleibe und die Bibel lese, dann überrascht mich Gott immer wieder von Neuem, denn so viel Inhalt steckt da drin, dass es für viele Leben des Entdeckens und Ausgrabens reicht, bis man nur mal die größten Schätze geborgen hat. Ich bin dadurch frei, ganz auf Gott zu hören und von Ihm zu lernen ohne die Brillen der Bibelkritik, die nach allen möglichen natürlichen Einflüssen auf die Bibelautoren ausgehen. Ich darf stattdessen von einer übernatürlichen Inspiration durch den Heiligen Geist ausgehen, der in jedem Wort, in jedem Buchstaben zu mir sprechen will – und das macht das Leben abenteuerlich.
Man kommt natürlich mit Hilfe der Bibelkritik auf alle möglichen abenteuerlichen Auslegungen, aber zu guter Letzt ist das langweilig, weil jeder immer nur auf sich selbst zurückgeworfen wird. Jeder findet damit in der Bibel das, was er eh schon vorausgesetzt hat; das, was in ihm schon vorhanden war. Da ist mir das Abenteuer der Bibeltreue viel wertvoller. Übrigens sollten wir uns zwei Sachverhalte gut auf der Zunge zergehen lassen, die Peter Stuhlmacher bereits 1975 im Rahmen eines Vortrags in Augsburg über den Siegeszug der historisch-kritischen Bibelauslegung erwähnte:
„Gleichwohl gilt es, zwei weitere Sachverhalte ebenso aufmerksam zu registrieren. Der erste von beiden wird gegenwärtig einem breiten Publikum auch schon von ausgesprochenen Kritikern der Kirche und des Christentums wie Joachim Kahl oder Rudolf Augstein zum Bewusstsein gebracht, dass nämlich die z. Z. in der Diskussion stehenden Spitzenergebnisse der protestantischen (und ich darf jetzt hinzufügen: auch der neueren katholischen) Bibelkritik in der Öffentlichkeit zu einem enormen Substanzverlust geführt haben. Der zweite Tatbestand ist weniger offenkundig, drängt sich aber in internen Gesprächen mit Pfarrern, Katecheten und christlich engagierten Studenten belastend auf. Die historische Kritik hat gerade die in dieser Kritik ausgebildete Theologenschaft stark in ihrem Schriftgebrauch verunsichert und ist zugleich zu kompliziert geworden, um in der theologischen Ausbildung wirklich angeeignet und dann auch einleuchtend praktiziert werden zu können.“ (Stuhlmacher, Peter, Schriftauslegung auf dem Wege zur biblischen Theologie, Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen, 1975, S. 167f)
Mit anderen Worten: Die Bibelkritik ist untauglich für die gemeindliche Praxis und führt zum Verlust zentraler Inhalte des christlichen Glaubens. Da ist mir eine bibeltreue Hermeneutik viel wertvoller, denn diese führt ebenso zu den positiven Ergebnissen der Bibelwissenschaft und das deutlich einfacher und schneller. Für bibelkritische Predigten, die zu „abenteuerlichen“ Aussagen kommen, gibt es immer wieder Beispiele, siehe etwa hier (Link).
Dieser Blog-Beitrag von Jonas Erne erschien zuerst auf Jonas Erne - Der Blog . Lies hier den Original-Artikel "Abenteuer Bibeltreue".