Glaubensvorbilder III: Georg Müller – Der Waisenvater von Bristol

Dieser Blog-Beitrag von Thomas Richter erschien zuerst auf Für den König . Lies hier den Original-Artikel "Glaubensvorbilder III: Georg Müller – Der Waisenvater von Bristol".

Vor ein paar Monaten erhielt ich die Anfrage von einem christlichen Buchverlag, ob ich Interesse hätte ein Buch über Glaubensvorbilder zu schreiben. Voller Begeisterung über diese tolle Gelegenheit Christen der Welt bekannt zu machen, welche ihr Leben für ihren König Jesus niederlegten, sagte ich ja. Ich schrieb mein Probekapitel und alles schien klarzugehen. Am Ende wurde mir dann leider doch eine Absage vom Vertrieb erteilt. Das ist natürlich sehr schade, aber ich habe hier auf diesem Blog die Möglichkeit, euch ein paar von diesen Glaubensvorbildern vorzustellen. Im Folgenden das „Probekapitel“ zu Georg Müller, dem Waisenvater von Bristol.

Die ersten Lebensjahre und eine Begegnung mit der Liebe Gottes

Es ist mitten in der Nacht. Ein von Glaubenszweifeln geplagter Mann aus Horfield (Bristol/ England) steht aus seinem Bett auf, um aus dem Fenster zu blicken. Er hat den besten Blick auf Ashley Down, den Ort, wo sich die Waisenhäuser Georg Müllers befinden. Immer wenn er die vielen beleuchteten Fenster sieht, legen sich die Zweifel des Mannes und er kann sich in Ruhe schlafen legen. Er denkt sich: „Es muss einen lebendigen Gott geben, anders sind die Wunder rund um Georg Müllers Leben nicht zu erklären.“ 

Wenn man sich Georg Müllers Lebensgeschichte anschaut, kommt man aus dem Staunen kaum heraus. Gott hat in seinem Leben und in seiner Arbeit Vieles bewirkt. Müllers Antrieb in allen seinen Diensten (Verkündigung, Waisenhausarbeit, Evangelisation) war die Verherrlichung Gottes. Dabei begann sein Lebensweg nicht wirklich als Gotteslob. Am 27. September 1805 wurde er in Kroppenstedt (Preußen) geboren. Nachdem er in Halberstadt und Nordhausen das Gymnasium besucht hatte, zog er, auf Wunsch seines Vaters, zum Studium der Theologie nach Halle. Zu diesem Zeitpunkt war Müller nicht wiedergeboren. Stattdessen führte er ein sündiges Leben. Er war ein Trinker, Spieler und Lügner. Doch Gott hatte andere Pläne mit ihm. Ende 1825 begleitete er seinen Studienfreund Beta zu einem Bibelgesprächskreis, welcher von einem gewissen Veit Wagner geleitet wurde. Müller, der berüchtigt für seinen sündigen Lebensstil war, erwartete eher, völlig abgelehnt zu werden. Doch das genaue Gegenteil geschah; Herr Wagner begegnete Müller mit solch einer Liebe und Barmherzigkeit, dass er tief bewegt wurde. Darüber hinaus war er von dessen Hingabe im Gebet und seiner Schriftauslegung fasziniert. Dies alles führte schließlich dazu, dass er von der Liebe Gottes ergriffen wurde und sein Leben Jesus weihte. Von nun an sollte sich alles radikal wenden. Seine Liebe zu den Verlorenen wuchs, sodass es ihn im Jahre 1829 nach England zog, wo er nun den Großteil seines restlichen Lebens verbringen sollte. In Müller wuchs in diesem Jahr eine noch tiefere Hingabe an seinen Herrn Jesus Christus. Er selbst berichtet: 

Anfang November 1825 wurde ich an den Herrn Jesus gläubig. […] in den ersten vier Jahren war es zum großen Teil in großer Schwachheit; aber im Juli 1829 […] kam es bei mir zu einer vollkommenen und ganzen Übergabe meines Herzens. Ich übergab mich völlig dem Herrn. Ehre, Vergnügen, Geld, meine körperlichen Kräfte, meine geistigen Kräfte, alles wurde zu den Füßen des Herrn Jesus niedergelegt, und ich wurde ein großer Freund des Wortes Gottes. Ich fand mein Alles in Gott […].

Müller begann, unter der jüdischen Bevölkerung in London zu missionieren. Er predigte das Evangelium an unterschiedlichen Treffpunkten der Juden. In den folgenden Monaten zog es ihn nach Teignmouth, wo er in der kleinen Ebenezer-Gemeinde zum Prediger berufen wurde. Dabei hatte Müller die Absicht, dort nur so lange Prediger zu sein, bis ihn der Geist Gottes an einen anderen Ort rief. Doch zunächst einmal hatte Gott eine andere Überraschung für ihn parat: Er lernte Mary Groves kennen, eine Frau, welche mit ihrem ganzen Leben Jesus Christus nachfolgen wollte. Sie war die Schwester von Anthony Norris Groves, welcher für Müller ein großes Glaubensvorbild war. Anthony Norris Groves lebte als Zahnarzt in Exeter und führte ein gut situiertes Leben. Jedoch verspürte er den Ruf, auf diesen Wohlstand zu verzichten, um Muslimen das Evangelium zu verkündigen. Am 07. Oktober 1930 heiratete Georg seine Mary. 

Auf nach Bristol

Nach zwei Jahren und fünf Monaten war die Zeit gekommen, um die Gemeinde in Teignmouth zu verlassen. Gott rief das Ehepaar Müller im Mai 1832 nach Bristol, wo Georg eine Stelle als Prediger in der Gideon-Gemeinde angenommen hatte, gemeinsam mit seinem Freund Henry Craik. Noch im selben Jahr brachte Mary ihre erste Tochter Lydia zu Welt. Lydia sollte das einzige Kind der Müllers sein, welches die Kindheit überlebte. Am 19. März 1834 erblickte ihr Sohn Elijah das Licht der Welt, doch bereits 15 Monate später starb er an einer Lungenentzündung. Neben all den Wundern, welche Georg Müller in seinem Leben erfahren durfte und auf welche ich gleich noch zu sprechen komme, blieb er nicht vom Leid verschont. Neben dem Verlust seines Sohnes Elijah, gebar Mary noch zwei weitere Totgeburten. Und auch Müller selbst wurde vor allem in seinen jungen Jahren von lebensgefährlichen Krankheiten bedroht. So hatte er im Jahre 1828 Magenbluten und ein Jahr später erkrankte er so schwer, dass er sich sicher war, dass er bald sterben würde. Doch anstatt Angst vor dem Tod zu haben, verlangte er vielmehr bei seinem himmlischen Vater zu sein. Jedoch sah dessen Lebensplan für seinen Sohn Müller anders aus. Der Arzt versprach ihm, dass er wieder vollkommen gesundwerden würde. Müllers Reaktion auf diesen Befund wird den ein oder anderen überraschen, zeigt er uns aber gut, wie eng und vertraut seine Beziehung zu Christus war. Er schreibt: 

Statt mich über diese Diagnose zu freuen, war ich niedergeschlagen, so groß war mein Verlangen, beim Herrn zu sein. Aber fast sofort danach wurde mir die Gnade gegeben, mich ganz dem Willen Gottes unterzuordnen.

Im November 1837 litt Müller unter starken Kopfschmerzen, die so heftig wurden, dass er glaubte, wahnsinnig zu werden. Auf Anraten seines Arztes verließ er Bristol für einige Monate, um an anderen Orten neue Kraft zu schöpfen und zu genesen. In dieser Zeit las er die Biografie des Erweckungspredigers George Whitefield, welche ihn nachhaltig prägen sollte. Vor allem vom Gebetsleben Whitefields war er beeindruckt. Dadurch inspiriert, erhielt er im Gebet über Psalm 63 einen neuen Blick auf seinen Gesundheitszustand. Er schreibt in sein Tagebuch: 

Gott hat meine Seele heute sehr gesegnet […]. Meine Seele ist jetzt dazu gebracht worden, dass ich mich über den Willen des Herrn freue, was meine Gesundheit betrifft. Ja, ich kann jetzt von Herzen sagen, dass ich diese Krankheit nicht geheilt haben möchte, bis Gott den Segen geschickt hat, den Er damit geben wollte.

Müller ruhte in seinem Gott und wurde schließlich vollkommen wiederhergestellt. Der Wille seines himmlischen Vaters war ihm wichtiger als seine eigenen Lebensvorstellungen. In Folge dieser Erkrankung waren seine Predigten von einer tieferen Freude, Ernsthaftigkeit und Gebetshingabe geprägt. Müller sollte in seinen kommenden 60 Lebensjahren nie wieder so ernstlich krank werden, sodass er tatsächlich im Alter von 70 Jahren behaupten konnte, dass er sich nun gesunder fühlte als in seinen Dreißigern. 

Der Waisenvater von Bristol

Es ist bereits angeklungen, dass Müller ein Glaubensleben führte, welches von vielen Wundern Gottes gekennzeichnet war. Die meisten und größten Wunder erlebte er während seiner Zeit als „Waisenvater von Bristol“. Bewegt durch die vielen Waisen, wovon die meisten ihre Eltern während der Cholera-Epidemie 1832 verloren hatten, und enttäuscht über den Unglauben vieler Christen, beschloss Müller Ende 1835, ein Waisenhaus zu bauen. Seine Motivation war, dass Gott dadurch verherrlicht werden sollte. Er wollte den Menschen zeigen, dass Gott derselbe gestern, heute und morgen ist und dass er treu zu seinem Wort steht. So schreibt er in seiner Autobiografie: 

Es schien mir am besten durch den Bau eines Waisenhauses verwirklicht zu werden. Es musste etwas sein, was man sehen konnte, sogar mit dem natürlichen Auge. Wenn nun also ich, ein armer Mann, einfach durch Gebet und Glauben, ohne irgendeinen Menschen darum zu bitten, die Mittel zum Bau und Unterhalt eines Waisenhauses bekommen konnte, dann würde es dort etwas geben, was mit dem Segen des Herrn ein Werkzeug zur Stärkung des Glaubens der Kinder Gottes sein könnte und was außerdem den Gewissen der Unbekehrten Zeugnis gäbe von der Wirklichkeit der Dinge Gottes. Das also war der Hauptgrund für die Errichtung des Waisenhauses. […] Das erste und hauptsächliche Ziel der Arbeit war (und ist immer noch) folgendes: Gott möge durch die Tatsache verherrlicht werden, dass die Waisen unter meiner Obhut mit allem versorgt werden, was sie brauchen, nur durch Gebet und Glauben, ohne dass irgendjemand von mir oder meinen Mitarbeitern um etwas gebeten worden ist, sodass man sehen kann: Gott IST IMMER NOCH TREU, und er ERHÖRT NOCH IMMER GEBET.

Niemals wurde Müller von seinem himmlischen Vater enttäuscht. In Psalm 68,6 fand er die Grundlage für sein vertrauensvolles Handeln. Er schreibt in sein Tagebuch: 

Durch Gottes Hilfe wird dies mein Argument in Notzeiten im Blick auf die Waisen vor Ihm sein. Er ist ihr Vater, und deshalb hat Er sich sozusagen verpflichtet, alles für sie zur Verfügung zu stellen und für sie zu sorgen. Ich brauche Ihn nur an die Bedürfnisse dieser armen Kinder zu erinnern, damit sie gestillt werden […]. Das Wort ‚ein Vater der Waisen‘ enthält genug Ermutigung, um 1000 Waisenkinder mit all ihren Bedürfnissen auf das liebende Herz Gottes zu werfen.

Schaut man sich die zahlenmäßige Entwicklung der Waisenhausarbeit an, wird ganz deutlich, dass Gott auch heute noch ein „Vater der Waisen“ ist. Nachdem die Waisenhausarbeit in den ersten Jahren auf der Wilson-Straße getan wurde, zog man am 18. Juni 1849 nach Ashley-Down, einem Bezirk in Bristol, um. Hier konnten nun noch weitaus mehr Kinder betreut werden. In den folgenden Jahren wurden noch vier weitere Häuser eröffnet, wodurch insgesamt 2.050 Kinder und 112 Mitarbeiter ein Zuhause fanden. Diese Zahlen sind schon beeindruckend genug; doch noch faszinierender ist, wie Müller die ganze Arbeit finanziert hat. In seinen 63 Jahren als „Waisenvater“ erhielt Müller fast 1,5 Millionen Pfund an Spendengeldern, ohne je eine Person um eine Spende gebeten zu haben! Das wären auf unsere heutige Zeit übertragen ca. 150 Millionen Euro. Alle Gelder hat er im Gebet von Gott erbeten, welcher schließlich die Herzen der einzelnen Spender bewegte. So ist es nicht verwunderlich, dass viele Menschen, wie auch der eingangs erwähnte Mann, anerkennen mussten, dass es einen Gott gibt, der lebt und auch heute noch Wunder tut. Es sind eine Vielzahl der Wunder, welche Georg Müller und seine Mitarbeiter erlebt haben, dokumentiert worden. Eines soll hier erwähnt werden, da es sehr eindrücklich das Vertrauen Müllers in die Souveränität Gottes und seinen perfekten Zeitplan zeigt: 

Am frühen Morgen standen die Kinder in dem großen Speisesaal, um miteinander zu frühstücken. Georg Müller hat immer wieder betont, dass niemals eine Mahlzeit ausfallen wird. Es kann nur manchmal sein, dass man sich etwas gedulden muss. An diesem Morgen waren die Teller und Tassen leer. Sollte der Waisenvater diesmal nicht recht behalten? Müller erhob seine Hände und betete: „Lieber Vater, wir danken Dir für das, was Du uns zu essen geben wirst.“ – Plötzlich klopfte es an der Tür. Es war der Bäcker, welcher Müller mitteilte, dass er die Nacht nicht schlafen konnte, weil er den Eindruck hatte, dass das Waisenhaus Brot zum Frühstück benötigte. Aus diesem Grund hat er sich zwei Uhr in der Nacht ans Brotbacken gemacht. Müller lobte Gott und dankte dem Bäcker für seine Gabe. Nur wenige Minuten klopfte es wieder an die Tür. Diesmal war es der Milchmann. Dieser teilte ihm mit, dass sein Karren vor dem Waisenhaus zusammengebrochen ist und er nun die Milchkannen mit frischer Milch dem Waisenhaus geben wollte, damit er den leeren Karren zur Reparatur bringen konnte. Wieder einmal hatte Gott die Teller und Tassen der Kinder gefüllt. 

Viele Menschen kamen durch das Zeugnis der Waisenhausarbeit Müllers zum lebendigen Glauben an Jesus Christus. Nach den ersten 30 Jahren seiner Wirksamkeit konnte er festhalten: 

Mein Hauptziel war die Ehre Gottes. Ich wollte praktisch beweisen und zeigen, was durch das einfache Hilfsmittel des Gebetes und des Glaubens erreicht werden kann, damit dadurch die Gemeinde Jesu in ihrer Gesamtheit gesegnet und eine gleichgültige Welt dazu geführt würde, die Realität der Dinge Gottes zu erkennen. Ihnen sollte durch diese Arbeit gezeigt werden, dass der Lebendige Gott noch wie vor 4000 Jahren eben dieser Lebendige Gott ist. Dieses Ziel ist in überströmendem Maße erreicht worden. Scharen von Sündern sind dadurch bekehrt, Scharen von Kindern Gottes in aller Welt sind durch diese Arbeit gesegnet worden, so wie ich es vorausgeahnt habe.

Der ein oder andere mag nun einwenden, dass Müller diese Wunder erlebt hat, weil er die Gabe des Glaubens (vgl. 1Kor 12,9) hatte. Dieser Einwand ist nicht neu, denn die Christen zu Müllers Zeiten argumentierten ähnlich. Müller ließ diese Ausrede aber nicht gelten. Er unterschied zwischen der Gabe und der Gnade des Glaubens: 

Der Unterschied zwischen der Gabe und der Gnade des Glaubens scheint mir Folgendes: Gemäß der Gabe des Glaubens kann ich eine Sache tun, oder ich kann glauben, dass eine Sache eintrifft, wobei aber das Nicht-Tun beziehungsweise das Nicht-Glauben der Sache keine Sünde wäre. Gemäß der Gnade des Glaubens kann ich eine Sache tun, oder ich kann glauben, dass eine Sache eintrifft, hinsichtlich derer ich das Wort Gottes als Grundlage habe, worauf ich mich stützen kann, und deshalb wäre das Nicht-Tun oder Nicht-Glauben der Sache Sünde. Zum Beispiel wäre die Gabe des Glaubens nötig, um zu glauben, dass eine kranke Person wiederhergestellt wird, obwohl es dafür keine menschlichen Anhaltspunkte gibt; denn es gibt keine Verheißung, die so etwas verspricht; die Gnade des Glaubens ist nötig, um zu glauben, dass der Herr mir alles Lebensnotwendige geben wird, wenn ich zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit trachte, denn wir haben eine Verheißung, die das zusagt. Matthäus 6,33.

Georg und Mary Müller führten eine sehr gesegnete und harmonische Ehe. Georg redete davon, dass ihr Eheglück Jahr für Jahr größer wurde. Allerdings endete es früher als erwartet. Am 06. Februar 1870, nach fast 40 Jahren Ehe, erlag Mary einem rheumatischen Fieber. Müller, der um den Verlust seiner geliebten Partnerin tief trauerte, fand auch in dieser schlimmen Zeit seinen Frieden bei Gott. Seine Reaktion auf die schlimme Diagnose zeigt uns dies eindrücklich: 

Obwohl mein Herz wegen der Tiefe meiner Liebe fast brach, sagte ich mir selbst: Der Herr ist gut, und Er tut Gutes. Alles wird entsprechend Seinem eigenen, gesegneten Wesen geschehen. Nichts außer dem, was so gut ist wie Er selbst, kann von Ihm kommen. Wenn es Ihm gefällt, meine Frau zu nehmen, wird es so gut sein, wie Er selbst ist. Was ich zu tun habe als Sein Kind, ist, zufrieden zu sein mit dem, was mein Vater tut, und dass ich Ihn ehre.

In Folge des Sterbens seiner Frau beschloss Müller, die Leitung der Waisenhäuser an seinen langjährigen Helfer James Wright zu übergeben. Schon viele Jahre hatte er mit seiner Frau für seine Zurüstung zu diesem Dienst gebetet und nun war der richtige Zeitpunkt gekommen. Wright stimmte zu. Kurz darauf starb auch dessen Frau. Etwa anderthalb Jahre später hielt er um die Hand von Müllers Tochter Lydia an und die beiden heirateten schließlich am 16. November 1871. Genau zwei Wochen später, am 30.11.1871, trat auch Georg Müller, fast zwei Jahre nach dem Tod seiner Mary, erneut vor den Traualtar. Er heiratete die etwa 12 Jahre jüngere Susannah Grace Sangar, welche er bereits seit über 25 Jahren als treue Christin kannte und von welcher er überzeugt war, dass sie ihm in seinen verschiedenen Diensten treu zur Seite stehen würde. 

Das Evangelium in die weite Welt bringen

Diese Dienste sollten von nun an etwas anders aussehen. Müller wollte die letzten Jahre seines Lebens in die Evangelisation investieren und viele Länder bereisen. Im Alter von 70 Jahren, also 1875, begann er mit diesem Vorhaben. Insgesamt besuchte er in 17 Jahren 42 Länder (u.a. USA, Deutschland, Indien, Australien), legte ca. 320.000 km zurück und hielt tausende von Predigten vor etwa 3 Millionen Menschen. Hier vertiefte er auch seine Beziehungen zu den berühmten Missionaren und Evangelisten Hudson Taylor und Charles Spurgeon, welche ihn als Glaubensbruder sehr schätzten. Während seiner Indienreise 1890 erreichte Müller die traurige Nachricht, dass seine Tochter Lydia, im Alter von 58 Jahren, verstorben war. Und vier Jahre später, am 13. Januar 1894, schreibt Müller völlig überraschend in sein Tagebuch, dass seine Frau Susannah vom Herrn heimgeholt wurde. Nun war er also wieder Witwer. In den letzten Jahren seines Lebens predigte Müller immer wieder in seiner Heimatgemeinde in Bristol. Darüber hinaus arbeitete er in seinem Werk Anstalt zur Ausbreitung der Schriftkenntnis, welches er 1834 gegründet hatte. Durch dieses Werk wollte Müller das Evangelium in der Welt verbreiten. Allein bis zum Mai 1868 wurden 16.500 Kinder bzw. Erwachsene in verschiedenen Schulen gelehrt. Des Weiteren wurden mehr als 44.500 Bibeln, 40.600 Neue Testamente und 31 Millionen Traktate und Bücher in unterschiedlichen Sprachen verteilt. Am Mittwochabend, dem 09. März 1898, leitete Müller seine letzte Gebetsversammlung. Am darauffolgenden Morgen wurde er gegen 7 Uhr, neben seinem Bett liegend, tot aufgefunden. Mit 93 Jahren hatte Georg Müller seinen Lauf vollendet und durfte in Gottes Herrlichkeit eintreten. 

Ein Mann des Gebetes

Was bleibt abschließend noch zu sagen? Georg Müller hat in seinem Leben viele Menschen zu Christus geführt. Er brannte für die Frohe Botschaft vom Tod und der Auferstehung Jesu Christi. Er verkündigte das Evangelium durch seine zahlreichen Predigten und durch seine Waisenhausarbeit, indem er den Menschen vor Augen hielt, dass Gott treu ist und die Seinen versorgt. Außerdem war er ein Mann des Gebetes. Dies zeichnete sich durch seine große Beharrlichkeit aus. Er sagte einmal: 

Ich lebe ständig unter dem Einfluss des Geistes, der mich in das Gebet führt; wenn ich gehe, sitze, liege oder aufstehe. Und Gott antwortete auf alle Gebete. Ich durfte dies tausende und Abertausende Male erleben. Wenn ich einmal davon überzeugt bin, dass eine Sache der Ehre des Herrn dient, dann bete ich so lange für diese Sache, bis Gottes Antwort kommt. Und ich werde niemals damit aufhören!

Müller sprach in seinen Predigten immer wieder von grundlegenden Gebetsprinzipien, die auch wir beherzigen sollten, wenn wir Müllers Vorbild nacheifern wollen. Er warnte vor egoistischen Bitten, welche nur das Ich befriedigen sollten. Darum ging es ihm nicht. Unsere Gebete müssen die Ehre Gottes im Fokus haben, dürfen sich einzig und allein auf die Verdienste Jesu gründen und müssen wahrhaft geglaubt werden. Müller selbst sagte einmal, dass er 30.000 sofortige Gebetserhörungen in seinem Leben erfahren hat. Er betonte aber auch, dass er bei vielen Gebeten auf deren Erhörung mehrere Jahre warten musste. So betete er bspw. über 50 Jahre für die Errettung einer bestimmten Person, welche sich schließlich auch kurz nach seinem Tod bekehrte. Dieses wunderbare Zeugnis sollte uns alle ermutigen, nicht nachlässig im Gebet für die Verlorenen zu werden. 

Gute Ratschläge für uns alle

Georg Müller war und ist ein Glaubensvorbild für uns alle, die wir Gott mit unserem ganzen Leben ehren wollen. Den Abschluss dieser Lebensgeschichte sollen gute Ratschläge von Müller an uns bilden: 

Freude in Gott 

Achtet vor allen Dingen darauf, dass eure Seelen froh und beglückt in dem Herrn sind. […] Trachtet danach, dies Tag für Tag zur wichtigsten Beschäftigung eures Lebens zu machen. […] Das Geheimnis allen wahren, wirksamen Dienstes ist Freude in Gott, indem die Vertrautheit und Gemeinschaft mit Gott selbst eine tagtägliche Erfahrung ist.

Gott kennen 

Je mehr wir von Gott kennen, desto glücklicher sind wird. […] Als wir mit Gott ein wenig vertraut wurden […] begann […] unsere wahre Freude; und je mehr wir mit ihm vertraut werden, desto wahrhaft glücklicher werden wir. Was wird uns im Himmel so über die Maßen glücklich machen? Es ist die Gewissheit, dass unsere Gotteserkenntnis dann umfassender als je zuvor sein wird.

Die Bibel lesen 

Damit die Freude am Herrn andauert, ist es absolut notwendig, die Schrift regelmäßig zu lesen. […] In den ersten vier Jahren nach meiner Bekehrung machte ich keinerlei Fortschritte, weil ich die Bibel vernachlässigte. Aber als ich dann regelmäßig begann, die ganze Schrift durchzulesen, und zwar in Bezug auf mein eigenes Herz und meine Seele, da machte ich sogleich Fortschritte. […] Ich habe die ganze Bibel etwa 100-mal durchgelesen, und ich empfinge sie immer wieder erfrischend neu, wenn ich von vorne beginne. Auf diese Weise sind mein Friede und meine Freude fortwährend gewachsen.

Sünde meiden 

Versuchen Sie, Ihr Gewissen rein zu halten. Machen Sie keine Gewohnheit daraus, Dinge zu tun, die Gott nicht gefallen. Sonst werden Sie Gott nicht vertrauen können, wenn Ihr Glaube geprüft wird, weil Sie ein schlechtes Gewissen haben.

Glaubensprüfungen suchen 

Versuchen Sie nicht, Situationen zu vermeiden, in denen Ihr Glaube geprüft wird. Natürlicherweise lieben wir es nicht, auf Gott allein zu vertrauen, aber wenn wir es tun, wird unser Glaube gestärkt. Zum Schluss, denken Sie daran, dass Gott Sie nicht mehr prüft, als Sie ertragen können. Seien Sie geduldig. Er wird Ihnen beweisen, wie gern Er hilft und errettet, sobald es gut für Sie ist.

 

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Der Inhalt dieses Beitrages und die Zitate wurden folgenden drei Büchern entnommen, welche ich allesamt sehr empfehlen kann:

 

Bildquellen:

Dieser Blog-Beitrag von Thomas Richter erschien zuerst auf Für den König . Lies hier den Original-Artikel "Glaubensvorbilder III: Georg Müller – Der Waisenvater von Bristol".

Über Thomas Richter

Ich bin 30 Jahre alt und glücklich mit Jana verheiratet. Ich bin Theologe, bin fasziniert und überführt von dem Wort Gottes und ich liebe es Lobpreis zu machen. Ich leite, gemeinsam mit einem Bruder im Herrn, die Netzwerkgemeinde in Dresden.

4 thoughts on “Glaubensvorbilder III: Georg Müller – Der Waisenvater von Bristol

  1. Lieber Thomas,

    ich danke dir von Herzen für diesen soeben erst von mir bemerkten
    wunder-baren Beitrag.

    Jesus hat vor seiner Himmelfahrt zu seinen Jüngern gesagt: „Ihr werdet größere Taten tun als ich“.

    Dieser Georg Müller hat geglaubt, geliebt, gehofft……..und gehandelt zur Ehre Gottes in großen Taten der Liebe zu Verlorenen.

    „Niemals wurde Müller von seinem himmlischen Vater enttäuscht. “

    Ich würde eher dazu sagen:
    Georg Müller hat auch sehr viel Leid erlebt. Und ich erahne, daß er bei allem erfahrenen Leid ermächtigt war, zu beten: „Herr, DEIN Wille geschehe.“
    Vor diesem Gebet fürchten wir uns im Angesicht persönlichen Leides. Wir möchten nichts Gutes verlieren. Es ist uns schwer, gutes Besitzendes loszulassen.

    Jedoch, die Gemeinschaft mit gläubigen und anderen Freunden tröstet uns in unserem Leid.

    Autor:
    „Der ein oder andere mag nun einwenden, dass Müller diese Wunder erlebt hat, weil er die Gabe des Glaubens (vgl. 1Kor 12,9) hatte. Dieser Einwand ist nicht neu, denn die Christen zu Müllers Zeiten argumentierten ähnlich. Müller ließ diese Ausrede aber nicht gelten. Er unterschied zwischen der Gabe und der Gnade des Glaubens:
    Der Unterschied zwischen der Gabe und der Gnade des Glaubens scheint mir Folgendes: Gemäß der Gabe des Glaubens kann ich eine Sache tun, oder ich kann glauben, dass eine Sache eintrifft, wobei aber das Nicht-Tun beziehungsweise das Nicht-Glauben der Sache keine Sünde wäre.“

    Diese Differenzierung zwischen Gabe und Gnade des Glaubens erscheint mir unvollkommen. Wenn ich glaube (Gabe), etwas sei zu tun und ich tue es nicht, dann nützt meine Gabe niemandem. Nichts zu tun wäre eine Unterlassungssünde.

    Autor:
    „Gemäß der Gnade des Glaubens kann ich eine Sache [Werke] tun, oder ich kann glauben, dass eine Sache eintrifft, hinsichtlich derer ich das Wort Gottes als Grundlage habe, worauf ich mich stützen kann, und deshalb wäre das Nicht-Tun oder Nicht-Glauben der Sache Sünde. “

    Nicht tun und nicht glauben ist zweierlei.

    Dazu ein vielleicht schwieriger Text Jesu:

    Joh 14, 10 Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und der Vater in mir? Die Worte, die ich zu euch rede, die rede ich nicht aus mir selbst. Der Vater aber, der in mir bleibt, der tut seine WERKE (durch mich). 11 Glaubt mir, dass ich im Vater bin und der Vater in mir; wenn nicht, so glaubt doch um meiner WERKE/Taten willen. 12 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der wird die WERKE/Taten auch tun, die ich tue, und wird größere als diese tun; denn ich gehe zum Vater. 13 Und was ihr bitten werdet IN MEINEM NAMEN, das will ich tun, auf dass der Vater verherrlicht werde im Sohn. 14 Was ihr mich bitten werdet IN MEINEM NAMEN, das will ich tun.

    Im Grundtext steht wörtlich
    für „das will ich tun“
    ‚Dieses I-C-H WERDE beim tun sein‘

    Es geht Jesus in dem Text eindeutig um die Werke/Taten, die Jesus tat.
    Diese Taten waren z.B. Taten an/für Arme, Witwen und Waisen, Zerbrochene, Kranke usw. Dies sollen seine Jünger und damit auch wir stellvertretend auch tun. Wir sollen sie tun „IN SEINEM Namen“. „In seinem Namen“ bedeutet die Vertretung Jesu sein.
    Jesus vertritt durch seine Werke den Vater. Gott will diese Werke und Taten.
    „In seinem Namen“ bedeutet „stellvertretend“. (Wenn ein Herold im Namen seines Königs etwas ankündigt oder z.B. eine Abgabe fordert, dann VERTRITT er den König.)

    Wir sollen Jesus und damit letztlich Gottes Wille bezüglich seiner Werke auf Erden praktisch vertreten. Dabei können und dürfen wir (nur) um das bitten, was dem Willen Gottes entspricht. (Vaterunser: DEIN Wille geschehe).

    Theologisch Konservative neigen (noch) dazu die hier andernorts erwähnten 3000 Bibelstellen Gottes bezüglich dem Streben nach zweifelsohne Gott wichtigem irdischem Recht, irdischer Gerechtigkeit, irdischer Barmherzigkeit, irdischem Frieden allzu schnell und allzu leicht ins Jenseits zu verlegen. Sie haben zum Teil dafür vielleicht noch wenig Gespür und projizieren alles direkt in die Erwartung des zukünfigen Himmels.

    Ich meine, Georg Müller war damals noch ganz konservativ, aber auch schon ganz progressiv „postevangelikal“, was das Handeln betriff.

    Müller:
    „Zum Beispiel wäre die Gabe des Glaubens nötig, um zu glauben, dass eine kranke Person wiederhergestellt wird, obwohl es dafür keine menschlichen Anhaltspunkte gibt; denn es gibt keine Verheißung, die so etwas verspricht; „………..

    Richtig

    Müller:
    „die Gnade des Glaubens ist nötig, um zu glauben, dass der Herr mir alles Lebensnotwendige geben wird,“

    Richtig.
    Jedoch bezweifele ich, daß alle Christen auf der Welt täglich satt werden. Viele Christen und noch mehr Andere sterben an Hunger und sterben täglich seelisch aufgrund von Not und Leid.

    noch Müller:
    „……….wenn ich zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit trachte, denn wir haben eine Verheißung, die das zusagt. Matthäus 6,33.“

    Ich möchte Mt. 6, 19-34 betrachten.

    Kennt jemand jemanden aus unseren Reihen, der nach Mt 6,19-34 lebt?

    „wenn ich zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit trachte“

    Hier wird oft traditionell konservativ daran gedacht, sich nach dem OBIGEN Reich im Himmel zu sehnen (danach zu trachten) und nach der Gerechtigkeit Gottes, die den GLÄUBIGEN dann im Himmel widerfahren wird, die auf Erden an Jesus „nur“ glaubten.

    Jedoch gibt es mehrere Hinweise darauf, daß das Reich Gottes bereits seit Jesus, also jetzt schon angebrochen sei:

    …man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist es! oder: Da ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.* *Luther übersetzte Vers 20-21: „Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Gebärden. . . sehet, das Reich Gottes ist inwendig in euch“. Lukas 17,21

    Das Anbrechen des Reiches Gottes war die zentrale Botschaft Jesu. Jesus verkündigte, dass die Heilszeit, die im Alten Testament vorhergesagt wird (Jesaja 35,5–6), durch sein Wirken angebrochen ist: „Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt“ (Matthäus 11,5).

    Das Reich Gottes ist Thema vieler Gleichnisse, zum Beispiel des Gleichnisses vom verlorenen Schaf (Lukas 15,1–7) und des Gleichnisses vom Gastmahl (Lukas 14,15–24 ). Mit dem Bild eines Senfkorns, aus dem ein großer Strauch wächst, beschrieb Jesus das starke Wachstum des Reiches Gottes (Markus 4,30–32 ).

    Das Neue Testament bezeugt, dass Gott Jesus von den Toten auferweckt hat. Damit ist das Reich Gottes schon jetzt angebrochen. Das Anwachsen des Reiches Gottes kommt Paulus zufolge dann zum Ende, wenn Gott „alles in allem“ sein wird (1. Korinther 15,28).

    Wenn diese Texte es richtig wiedergeben, dann kann, ja muß der Versteil:

    „wenn ich zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit trachte“

    ….in der Weise verstanden werden, daß wir die von Jesus angekündigten größeren Taten schon lange hätten tun müssen.
    Dann wartet eine vielfältig verlorene Welt auf unsere größeren Taten. Und die sind ganz praktischer Natur.

    Ich bin gespannt auf zustimmende oder kritische Kommentare, oder auf inhaltliche Verständnisfragen.

    Grüßle

  2. Die christliche Diskussion um das „Reich Gottes“ ist mehrdeutig.

    Die einen meinen, das Reich Gottes ist da, wenn Jesus wieder kommt
    die anderen meinen, es ist schon da.

    Oft heißt es in der Bibel, das Reich Gottes sei nahe herbei gekommen.

    Was bedeutete vor 2000 Jahren die Feststellung, das Reich Gottes sei nahe herbei gekommen?

    Diejenigen, die davon ausgehen, die Menschheit bestehe erst seit 6000 Jahren, sollten als erste ins Grübeln kommen, daß das Reich Gottes nach ihrer Lesart nun seit mehr als 2000 Jahren schon noch überfällig ist. Das passt nicht so recht zu „nahe herbei gekommen“.

    Spekulation hin oder her. Der Auftrag Jesu bleibt, die größeren Taten, die Jesus den Gläubigen aufgetragen hat und die größer sein werden/sollen als seine Taten waren, auch zu TUN.

    Und die sind nun mal eindeutig benannt.

    Mit dem Glauben an Jesus ist die Befolgung und Umsetzung seiner Forderungen nach den größeren Taten besonders auch durch Umsetzung des Rechts, der irdischen Gerechtigkeit, der Barmherzigkeit und des Friedens in zugewandter Liebe unmißverständlich verknüpft.

    Ich persönlich glaube, daß Jesus seit nunmehr 2000 Jahren vergeblich wartet auf die bessere Umsetzung durch seine berufenen Gläubigen aus einer reichen christlichen Kultur angesichts einer immer größer werdenden Restwelt in Not und Elend…….

    Georg Müller hat es ganz praktisch vorgelebt.

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