Wenn eine weinende Frau mit Ihren Haaren die Füße Jesu trocknet? — Und Jesus lässt es geschehen!? Anderswo gießt sie dann noch teuerstes Parfum über den Kopf Jesu, der sicher erst einmal erstaunt ist, dann geht auch schon der Ärger auf alle beide nieder, was hätte man mit dem Geld alles machen können, wäre das Parfum auf dem Viktualienmarkt zu Geld gemacht worden und das Geld wiederum in den Säckel gewandert, den Judas Iskariot inne hatte. Soll man das jetzt gut finden oder nicht? (Hätte Jesus nicht gesagt, dass es gut sei.)
Jesus erzählt vom Schuldner, dem 10.000 Talente erlassen wurden — kurz darauf trifft er einen Altbekannten, der ihm noch 100 Denare Kleingeld schuldet, packt ihn am Hals und würgt ihn – er fordert sein ihm (rechtmäßig) zustehendes Geld ein. Davon hört wiederum der großzügige Gläubiger, der ihm seine ganze Schuld erlassen hatte, wird zornig und fordert nun doch die ursprüngliche Summe komplett von ihm ein.
Welch ein Auf und Ab in der Gefühlswelt des Zuhörers. Wer wollte nicht den hartherzigen Kleingeldwürger mitbestrafen und freut sich, dass die höhere Instanz den Schuldenerlass widerruft und plötzlich auch von ihm alles einfordert.
Wie fühlt sich das an, sind das nicht ziemlich gemischte Gefühle, wenn man so die eigenen Forderungen bedenkt, die man wie zu bezahlende Rechnungen an die Verwandtschaft um sich herum verteilt? „Mir steht das doch zu?!“
Anstatt beim Ortsvorsteher oder den Angesehenen trifft sich Jesus und seine Gefolgschaft mit ausgewiesenen Sündern, Steuereintreibern – warum macht er das? Kein geistlicher Lehrer, kein Rabbi würde sich diese Blöße geben, tiefer kann man nicht sinken?!
Wo ist deine Schmerzgrenze erreicht, mit wem sprichst du gerade noch und wer saß jemals an deinem Esstisch zu Hause.
Die Starken brauchen keinen Arzt, sondern die Kranken. Ich will nicht dein ausgeblutetes, geschlachtetes Opfer sondern Mitleid und Barmherzigkeit.
Da wären wir beim Mitgefühl.
Gott ist voller Mitgefühl
Jesus sieht Einen, der immer zu langsam ist, wenn die Stunde X da ist, sich ins Wasser zu werfen. Wer immer dann im Wasser ist, wenn ein Engel das Wasser bewegt, wird geheilt – aber eben nur ein Einziger. Er ist nimmer – nie – der Erste – so wie du.
Immer ist vor ihm Einer im Wasser, deshalb liegt er krank am Becken und sieht, wie andere geheilt werden, aufstehen und weiterleben, aber er bleibt liegen, Jahr für Jahr- immer weiter krank.
„Wie geht es dir heute“, diese Frage hat wiederkehrend dieselbe Antwort zur Folge und er war es müde immer dieselbe Antwort geben zu müssen – wie soll es einem Ausgeklinkten gehen? Er hatte sich nicht selbst krank gewünscht, gemacht, aber er war es. Es gibt die Medaillengewinner, die die ersten Podiumsplätze erreichen und es gibt die anderen dahinter und es gibt diejenigen, die man vergisst.
Gott nicht.
Er geht an allen anderen vorbei, die Gesichter drehen sich zu ihm hin, nicht so schnell wie er läuft, sein Schritt ist zielgerichtet zu Einem, der hier schon lange wohnt. Er wohnt bei den Kranken, den Verlassenen, Hoffnungslosen.
“Willst du gesund werden??“
“Sorry, klappt nicht, hab niemanden, der mich ins Wasser büxt, dann, wenn der Engel kommt, alle andere sind schneller als ich… und so weiter….”
“Steh auf und nimm dein Bett und geh!!” Geh hier raus!!!
Just in time – „sogleich“ wurde der Mensch gesund und nahm sein Schlafzeug und ging weg! Mitsamt seinem Zeug raus aus der Halle des Gruselkabinetts, die für ihn allerdings sein Zuhause war. Er hatte sich gewöhnt. – Nun mit Gottes Kraft im Bein ging er ins Freie.
Achtunddreißig Jahre krank und kränker, schlussendlich in den Säulenhallen der Hoffenden, die den Zeitpunkt abpassen, dass sich das Wasser bewegt.
Und Jesus Christus holt ihn aus diesem Gefängnis mit einem Freiticket, „willst du gesund werden“? Er war innerlich bewegt.
Sind wir es? Du? Ich? Bewegt?
Wenn sich das Wasser bewegt, steigt ein Engel ins Wasser und jeder, der dann rechtzeitig – als Erster – im Wasser ist, ist gesund, von was auch immer. Du schaffst es nicht, aber du siehst von Weitem, da kommt Einer auf dich zu, seine Lernenden hinter ihm her, er schreitet mitten durch die anderen Kranken hindurch und kommt direkt zu dir:
Willst du gesund werden?
Berührt es dich? Berührt es dein Gefühl?
Dann war da noch eine kleine Korrektur in der Lehre, die Jesus erklärte: Ihr kennt doch das Gebot “ehre deinen Vater und deine Mutter.” Nun unterlauft ihr dieses Gebot Gottes, ihr nullt es, macht es nichtig, indem ihr den euren Eltern zustehenden Geldbetrag einfach an eine gemeinnützige Organisation oder für einen guten Zweck gebt und es als “ein Opfer für Gott“ deklariert.
Schmerzen in der Brust.
Gottes Gefühle. Er ist voll innigem Mitgefühl mit Menschen wie dir und mir.
Jesu Mitgefühl ist die Antwort auf das verletzte Gefühlsleben. Alleingelassene, Vergessene, Hintenruntergefallene werden zu Hoffen und Glauben erweckt, Gerechtigkeit wird herstellt, das Leben wird geheilt, Sünden vergeben, zurück im Leben. Nun mit und für Jesus.
“Jetzt wollen wir die Sache einmal nüchtern betrachten, nicht in Gefühle abgleiten, der Glaube überdauert doch völlig ohne jedes Gefühl unabhängig von Emotionen und dem Auf und Ab des seelischen Befindens“, sagt Einer – ich habe nichts dagegen.
Wie spricht Gott zu dir? Wodurch hörst du ihn? Hörst du ihn? Gibt es menschliche und / oder göttliche Gefühle und – sind sie erlaubt? Könnte sie jemand unterdrücken, wozu? Fördern, warum? Wozu?
Warum verwendete Jesus Gleichnisse, diese anrührenden Geschichten? Wie reden wir heute über Gott? Wie erzählen wir irgend etwas von Gott? Sind wir sachlich? Immer sachlich? Warum? Und warum nicht?
Dieser Blog-Beitrag von Rolf Oetinger erschien zuerst auf jesus-blog.de . Lies hier den Original-Artikel "Mit Gefühl, Mitgefühl oder weniger Gefühl – was fühlt man?".