Eigentlich wollte ich im zweiten Teil schon auf verschiedene Lesarten der Offenbarung eingehen, aber es ist etwas passiert, was ich mir noch fast gedacht habe. Anstatt sich auf den Inhalt zu stürzen und mich in den Himmel zu loben (nein, Spaß) oder mich verbal zu steinigen, weil ich ein paar goldene Kälber vom Thron schubsen könnte, gab es die meiste Diskussion über das „B“. Rebelation statt Revelation. Und warum auf englisch und so weiter. Deshalb machen wir doch heute gleich mal auf kubanisch weiter. Hasta la Rebelacion siempre, baby!
Anders gefragt: Was hat die Offenbarung mit Rebellion oder Revolution zu tun?
Seit rund 60 Jahren leben wir hier im reichen Westen in einem Zeitalter konstanter Revolution. Jede Generation rebelliert gegen die vorherige, jede Subkultur erhebt den Anspruch, anders, revolutionär zu sein gegenüber allen anderen. Irgendwo unterwegs im Laufe der Geschichte ist die Grundlage abhanden gekommen, wogegen man genau sein müsse, um zu den Rebellen zu gehören. Die Punkrockband „Die Ärzte“ haben diese Grundstimmung ziemlich gut festgehalten in ihrem Lied „Rebell“ (Link zu YouTube):
„Ich bin dagegen, denn ihr seid dafür
Ich bin dagegen, ich bin nicht so wie ihr
Ich bin dagegen, egal, worum es geht
Ich bin dagegen, weil ihr nichts davon versteht
Ich bin dagegen, ich sag es noch einmal
Ich bin dagegen, warum, ist doch egal
Ich bin dagegen, auch wenn es euch nicht schmeckt
Ich nenn es Freiheit, ihr nennt es Mangel an Respekt.“
Weil sich in unserer spätmodern-dekadenten, luxusgeilen westlichen Welt so viele verschiedene Lebensentwürfe entwickelt haben, ist eigentlich jede und jeder in gewisser Weise ein Rebell geworden. Jeder rebelliert mit seinem Leben gegen irgendwelche anderen solche Lebensentwürfe. Und wenn jeder ein Rebell ist, dann ist unterm Strich eben zugleich auch keiner mehr ein Rebell.
Das Wesen wahrer Rebellion
Oder vielleicht doch? Wenn man das Lied der Ärzte noch einmal genauer unter die Lupe nimmt, fällt doch auf, dass der Rebell sich immer um eines dreht, nämlich „Ich, Ich, Ich!!!“. Wenn es also in unserer Zeit noch eine echte Rebellion geben kann, dann einzig jene, die gegen die Vergötzung des Ich rebelliert. Eine Rebellion gegen die Ich-Besessenheit, gegen den Selbsterlösungswahn unserer Zeit, der in sich selbst das Zentrum des eigenen Universums findet. Eine Rebellion gegen die Autonomie, in welcher jeder sich selbst das letztgültige Gesetz ist.
Tatsächlich ist es aber nicht nur das Lied der Ärzte, das sich so um die Autonomie dreht. Es ist überhaupt überall so, dass Menschen, die sich bewusst als Rebellen sehen, immer zuerst von sich selbst ausgehen. Auch Rebellen, die anderen helfen wollen, Rebellen, die für ein menschlicheres „System“ oder für einen besseren Umgang mit der Natur rebellieren und sich dafür gegebenenfalls sogar auf die Straßen oder in die Ausstellräume von Autoherstellern kleben, zunächst immer von sich selbst ausgehen. Sie sehen die Welt auf eine bestimmte Art und Weise, haben eine Weltanschauung, mit der sie zuerst ihre eigenen Vorstellungen auf die Welt projizieren.
Wenn es nun also eine wahre Rebellion gibt, dann ist es immer eine, die nicht sich zunächst selbst in den Mittelpunkt stellt, sondern nach Dem fragt, der alles geschaffen hat. Frage immer den Erfinder nach den Funktionen der Erfindung. Und genau hier kommt die Offenbarung ins Spiel. Sie zeigt uns nicht nur die Zukunft. Man kann die Offenbarung nicht verstehen, ohne sie im Lichte der ganzen Bibel zu lesen. Sie ist insofern nicht dazu geeignet, um mit dem Bibellesen zu beginnen.
Das Ende weist auf den Anfang
In der Offenbarung gibt es viele Bilder und ebenso auch viele Anspielungen auf alle übrigen Bücher der Bibel. Man kann nicht Alttestamentler sein und das Neue Testament ausklammern. Ebenso wenig kann man Neutestamentler sein und das Alte Testament weglassen. Beide Testamente bedingen sich gegenseitig, es gibt überall Texte, die sich auf Dinge beziehen, die woanders auch stehen. Und das gilt ganz besonders für das Buch der Offenbarung.
Am Ende der Offenbarung zum Beispiel, da beginnt das letzte Kapitel, Kapitel 22, mit den Versen:
1 Und er zeigte mir einen reinen Strom vom Wasser des Lebens, glänzend wie Kristall, der ausging vom Thron Gottes und des Lammes. 2 In der Mitte zwischen ihrer Straße und dem Strom, von dieser und von jener Seite aus, [war] der Baum des Lebens, der zwölfmal Früchte trägt und jeden Monat seine Frucht gibt, jeweils eine; und die Blätter des Baumes dienen zur Heilung der Völker. (Offenbarung 22:1-3)
In diesen drei Versen gibt es eine Vielzahl von Bildern, aber ganz zentral steht eines, das auf den Anfang der Bibel hinweist, der Baum des Lebens:
9 Und Gott der HERR ließ allerlei Bäume aus der Erde hervorsprießen, lieblich anzusehen und gut zur Nahrung, und auch den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. (1. Mose 2:9)
Im dritten Kapitel geht die Story weiter. Die ersten Menschen aßen vom verbotenen Baum der Erkenntnis:
22 Und Gott der HERR sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner, indem er erkennt, was Gut und Böse ist; nun aber — dass er nur nicht seine Hand ausstrecke und auch vom Baum des Lebens nehme und esse und ewig lebe! 23 So schickte ihn Gott der HERR aus dem Garten Eden, damit er den Erdboden bearbeite, von dem er genommen war. 24 Und er vertrieb den Menschen und ließ östlich vom Garten Eden die Cherubim lagern und die Flamme des blitzenden Schwertes, um den Weg zum Baum des Lebens zu bewachen. (1. Mose 3:22-24)
Eine Rebellion des Lebens
Die Offenbarung ruft uns also dazu auf, unser Leben im Lichte der gesamten Geschichte Gottes mit dieser Welt zu betrachten und zu einer Suche, die zur Wiederherstellung der zerbrochenen Beziehung zu Gott führt. Man könnte sagen: Zu einer Rebellion des Lebens. Dieser Baum des Lebens, der nicht nur am Anfang und am Schluss der Bibel einen Platz findet, möchte uns ein Leben schenken, das bereits hier anfängt, aber über den Tod hinausgeht. Autonomie führt zum Tod und Verderben, aber eine Rebellion gegen unseren inneren Wunsch zur Autonomie ist ein Schritt auf dem Weg in dieses Leben mit Gott. Die Sprüche Salomos haben uns dazu auch einiges zu sagen:
13 Wohl dem Menschen, der Weisheit findet, dem Menschen, der Einsicht erlangt! 14 Denn ihr Erwerb ist besser als Gelderwerb, und ihr Gewinn ist mehr wert als feines Gold. 15 Sie ist kostbarer als Perlen, und alle deine Schätze sind ihr nicht zu vergleichen. 16 In ihrer Rechten ist langes Leben, in ihrer Linken Reichtum und Ehre. 17 Ihre Wege sind liebliche Wege und alle ihre Pfade Frieden. 18 Sie ist ein Baum des Lebens denen, die sie ergreifen, und wer sie festhält, ist glücklich zu preisen. (Sprüche 3:13-18)
1 Eine sanfte Antwort wendet den Grimm ab, ein verletzendes Wort aber reizt zum Zorn. 2 Die Zunge der Weisen gibt gute Lehre, aber der Mund der Toren schwatzt viel dummes Zeug. 3 Die Augen des HERRN sind überall, sie erspähen die Bösen und die Guten. 4 Eine heilsame Zunge ist ein Baum des Lebens, ist aber Verkehrtheit an ihr, verwundet sie den Geist. (Sprüche 15:1-4)
Das ist wahre Rebellion. Rebellion gegen die Unflätigkeit der Welt, in der manche Politiker nur mit Schimpfwörtern kommunizieren können. Rebellion gegen die Pandemie des Lästerns. Rebellion gegen die Vergötzung der Autonomie. Rebellion gegen Zwietracht und unnötiges Gezänke. Die Liste könnte ziemlich lang ergänzt werden. Paulus macht am Ende von Epheser 4 eine ganze Liste solcher Rebellionen. Oder in Galater 5, gegen die Werke des Fleisches. Das lohnt sich, mal genauer nachzulesen. Insofern: Hasta la rebelacion siempre! Immer vorwärts zur Offenbarung und zur wahren Rebellion!
Der Beitrag Hasta la Rebelacion siempre! erschien zuerst auf Jonas Erne – Blog.
Dieser Blog-Beitrag von Jonas Erne erschien zuerst auf Jonas Erne - Der Blog . Lies hier den Original-Artikel "Hasta la Rebelacion siempre!".
Wäre ich heute etwas korinthenkackerisch drauf, dann würde ich jetzt über Deine „Kubanisch-“ Kenntnisse diskutieren wollen, aber nun gibt es „Kubanisch“ genauso wenig wie das Wort „rebelacion“, die sprechen eher Spanisch und dort heißt es dann auch „relevacion“.
Aber im Gegenteil freue ich mich, dass Du die anregte Forendiskussion aufgenommen hast bei den weiteren Betrachtungen und als Aufhänger nimmst, und für mich nehme ich mit, dass ich mich mal mit allen Bibelstellen zum „Baum des Lebens“ näher befassen sollte. Es gibt doch immer wieder was zu entdecken.