Martin, George R. R., Wild Cards: Der Astronom, Penhaligon Verlag München, 2017, Verlagslink, Amazon-Link
Ich habe das Buch als Rezensionsexemplar vom Penhaligon-Verlag erhalten.
Es gibt Bücher, die sind zäh wie Kaugummi. Das vorliegende Buch hatte ich in wenigen Tagen gelesen, und doch hatte ich das Gefühl, es müsse sich um Wochen gehandelt haben. Irgendwie schien es kein Ende zu nehmen. Da George R. R. Martin immer wieder Bestseller schreibt, dachte ich, dass die Neu-Herausgabe eines Buches von ihm einen guten Einstieg ermöglicht. Es war mein erstes Buch, das ich von dem Autor gelesen habe. Es war mit knapp 550 Seiten nicht allzu lang, doch die Story geht über weite Strecken unter dem nervenzehrenden Eindruck zweier Hauptthemen unter: Sex und Gewalt.
Im Grunde genommen ist das Buch einfach aufgebaut. Jedes Kapitel behandelt eine Stunde zwischen 6:00 Uhr früh des einen und 6:00 Uhr früh des nächsten Tages. Es ist der Tag, an welchem ein großes Fest gefeiert wird: 40 Jahre nachdem „Jetboy“ einen größenwahnsinnigen Wissenschaftler gestoppt hatte, der ein Virus entwickelt hatte, um die gesamte Menschheit genetisch zu manipulieren – das „Wild-Card“-Virus. Dieses Virus wurde trotzdem freigesetzt und verseuchte die Menschheit. Jedes Jahr wurde zu Ehren Jetboys ein Fest gefeiert, der Wild-Card-Tag. Zum 40. Jubiläum dieses Tages musste natürlich ein besonders rauschendes Fest gefeiert werden. Doch eines der mächtigsten Asse der Welt, der „Astronom“, plant, dieses Fest zum Anlass für seine Rache zu nehmen und die Erde zu entführen und alles Leben darauf zu vernichten. Die gesamte Story handelt nun davon, ob es den übrigen Assen und Jokern gelingt, den Astronom zu stoppen, bevor er um 4:00 Uhr des Morgens nach dem Fest handeln will.
Man hätte aus dieser Story eine ganze Menge machen können. An Phantasie mangelt es George R. R. Martin bekanntlich nicht. Doch dann wirkt der ganze Band wie die „Filmverbuchung“ (das Gegenstück zu einer Buchverfilmung) eines drittklassigen Actionfilms – Bettszenen, die sich mit blutrünstigem, fetzenfliegendem Kampfgetümmel abwechseln. Dazwischen einzelne Gespräche, die zumeist noch zusammenhangslos sind und für sich gesehen wenig Sinn machen. Es ist nicht so, dass ich keine Action mag, aber bei dem Buch habe ich mich seitenweise fast nur gelangweilt. Gegen Ende des Buches gibt es noch einmal einen leichten Spannungsbogen, der sich um die Frage dreht, ob es den Assen reichen wird, Astronom rechtzeitig unschädlich zu machen, doch nach dieser Szene ist alle Spannung raus, man möchte fast den Rest überspringen. Effektüberladen – wie gesagt, es könnte eine „Filmverbuchung“ sein, die versucht, jeden Special Effect mit Worten einzufangen – und sexbesessen, als gäbe es einen Preis für die Übertreibungen in Fantasy-Romanen versucht dieser Band den Leser geradezu zu paralysieren, um die Spannung stets hochzuhalten. Das Experiment misslingt, und man wünscht dem Autor zu sagen, dass weniger manchmal auch mehr sein kann.
In einem vermag Martin jedoch zu überzeugen: Die Grundhandlung, der eigentliche – wenn auch durch die Übertreibungen überdeckte – Rahmen der Geschichte ist die Rettung oder Erlösung der Menschheit, die durch „Astronom“ gefährdet ist. Es gibt einige Szenen, in welchen der Autor die unheilvolle Macht des Neides, des Ehrgeizes, des Hasses und der Rachegelüste beschreibt. Martin beschreibt eine Welt voll Hass, die dann plötzlich damit beschäftigt ist, ohne diesen zu leben. Mit Astronom verschwindet ein Grund für den Hass. Eine weitere unrühmliche Rolle spielt ein Buch, und zwar ein Notizbuch, dessen Inhalt Beweise für illegales Verhalten einer der Personen enthalten soll. Doch mit der Zeit stellt sich heraus, dass der Inhalt unterwegs unwiederbringlich verloren gegangen ist. Diese Jagd nach dem Buch soll wohl als die Suche nach der Wahrheit darstellen, und diese Wahrheit habe sich plötzlich als relativ herausgestellt und müsse nicht mehr gesucht werden. Auch das klingt interessant, vermag jedoch nicht wirklich zu überzeugen.
Fazit: Ein mit Effekten, Action, Kampf und Sex dermaßen überladenes Buch, dass es nicht gerade einfach ist, dem roten Faden in den Details zu folgen. Eine eigentlich gut gemeinte Grundgeschichte, die dann schlecht ausgeführt ist. Ich war froh, als das Buch zu Ende gelesen war. Ich gebe dem Buch zwei von fünf möglichen Sternen.
Dieser Blog-Beitrag von Jonas Erne erschien zuerst auf Jonas Erne - Der Blog . Lies hier den Original-Artikel "George R. R. Martin – Der Astronom".