Christliches Einheitsstreben – exegetische Fehldiagnose?
„Ich bitte für sie, dass sie alle eins seien – wie du Vater in mir bist und ich in dir“ Joh 17, 18-23
Einheit unter den Christen ist ein kostbares, wichtiges Gut. Kostbar ist es, weil das Einssein die Erlösten vor der Welt glaubwürdig macht. Wichtig ist es, weil Streit und Entzweiung die göttliche Autorität ihres Erlösers und der Bibel in Frage stellen. Als trauriges Beispiel dafür ist der aktuelle Konflikt über die biblischen Glaubens-Grundlagen unter den Evangelikalen zu nennen.
Einig sind sich alle Christen sicher darin, dass Jesus großen Wert auf ihr Einssein legt. Schließlich – so nimmt man durchweg an – hat er im Hohepriesterlichen Gebet, Joh.17, ja speziell darum gebetet.
Hierzu aber stellt sich uns die wichtige exegetische Frage nach dem bestmöglichem Urtext-Verständnis. Sie lautet: Hatte Jesus in seinem Gebet wirklich unser Einssein untereinander im Blick? Oder meinte er damit etwas ganz anderes?
Konsequent exegetisch betrachtet richtet Jesus seine Bitte um das Einssein gar nicht an seine Nachfolger, sondern an seinen himmlischen Vater. Demnach handelt es sich hier nicht um eine Forderung Jesu an uns Christen. Solch ein gesetzliches Verständnis des Einsseins untereinander würde uns alle sowieso überfordern.
Glücklicherweise entdecken wir im exakten Wortlaut der Fürbitte Jesu nichts, was unsere Beziehung zueinander betrifft. Es geht ihm vielmehr um seine eigene Beziehung zum himmlischen Vater. Diese hat er in gleicher Qualität und Intensität auch für seine wahren Jünger erbeten. Wir entdecken daher auch keinen erhobenen Zeigefinger mit dem Hinweis auf schlimme Folgen, etwa einer ausbleibenden Erweckung als Folge von Streit. Das anzunehmen, wäre eine gesetzliche und wenig hilfreiche Einheits-Sicht. Dabei geht man nämlich davon aus, dass Christen – wenn sie nur wollten – ihre Einigkeit in eigener Kraft – und daher als eigene Leistung – herbeiführen könnten.
JA! Jesus richtet seine Bitte, „damit sie alle eins seien“, nicht an Menschen, sondern an Gott. Und er hat– man höre und staune – damit noch Größeres im Blick als „nur“ die Einheit unter uns Christen. Es geht Jesus um das Geschenk des völligen Einsseins aller Christen mit Gott. Zusätzlich jedoch – also inklusiv – sollen sie damit auch die nötige Basis für das Einssein untereinander empfangen.
Bei diesem großartigen Geschenk handelt es sich um das Einssein mit dem himmlischen Vater, wie es Jesus selbst hier auf Erden erlebte und pflegte. Diese optimale Beziehungsqualität mit Gott ist es also, die Jesus seinen Nachfolgern bis heute wünscht und erbittet.
Schon in Vers 11 umschreibt er dieses grandiose Anliegen mit den Worten: „dass sie eins seien – wie wir“. Und er konkretisiert seinen Wunsch nach dieser Herzenseinheit mit Gott, indem er betet: „…damit sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir bist und ich in dir…“ (V.21). Jesus wusste, dass Christen dadurch befähigt werden, eins untereinander zu sein und einander – wie er es tat – trotz ihrer „Macken“ zu lieben. Die vorhandene Bruderliebe soll also ein Merkmal der vorhandenen Gottesbeziehung sein – und zwar auch innerhalb verschiedener Konfessionen.
Aber auch deshalb hat Jesus das Einssein mit Gott, unserem Vater, erbeten: „damit die Liebe mit der du, Vater, mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen“, so betete er (V.26). Und sein Gebet erfüllte sich erstmals bei der Geistesausgießung zu Pfingsten. Wichtig ist, dieses Einssein mit Gott durch Versammlungsbesuch, tägliches Bebellesen und Gebet treu zu praktizieren, Dadurch wird seine göttliche Liebe, diedie Bruderliebe enthält, täglich neu in unser Herz „ausgegossen“.
Herzensgemeinschaft mit Gott – eine neue Erlebnis-Dimension
Jesu Gebet um unsere optimale Gemeinschaft mit dem heiligen Gott mag uns erstaunlich erscheinen. In der Tat erbittet Jesus seinen Jüngern damit eine neue Erlebnis-Dimension. Diese direkte Vater- Beziehung erschließt ihnen einen Erlebnis-Horizont, den sie bisher noch nicht kannten:
In der bewussten Gemeinschaft mit Gott empfangen sie schon hier auf Erden die Früchte der himmlischen Welt und damit des ewigen Lebens. Diese erstaunliche Tatsache definiert Jesus zu Beginn seines Hohepriesterlichen Gebetes mit den Worten: „Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, e r k e n n e n“ (V.3).
Ralf Luther umschreibt in seinem Neutestamentlichen Wörterbuch das „Gott Erkennen“ wie folgt: „Gemeint ist ein ‚Erkennen’, wie es aufleuchtet zwischen zwei Menschen, die plötzlich dessen innewerden, dass sie füreinander bestimmt sind. Solch ein Erkennen ruft eine Erschütterung aller Lebenstiefen, ein Ergriffensein des ganzen Menschen hervor… Es kommt zu einer ungeahnten Bereicherung des Lebens.
Gibt es so etwas schon zwischen zwei Menschen, wie erst dann, wenn ein Mensch von der Gottheit berührt wird und seine Gegenwart urgewaltig über ihn kommt… Hier strömt etwas auf ihn über, hier ist ihm ein Reichtum geschenkt, der alle Schranken seines bisherigen Daseins aufhebt“.
Die Qualitäten der Herzensgemeinschaft mit Gott
Die von Jesus für alle Glaubenden erbetene und erkämpfte Gottesbeziehung optimiert unsere Lebensqualität elementar. Wer sich damit beschenken lässt, weiß und fühlt sich zu Recht als „von neuem geboren“ (Jo 3,3). Die himmlische Erlebnis-Dimension ermöglicht es ihm, sich im irdischen Umfeld „himmlisch“, d. h. von Gott her zu orientieren und zu verhalten. Er lebt und agiert – wie zunächst nur Jesus als Urbild des ‚neuen Menschen’ – zugleich in zwei Welten:
In seinem aktivem Bewusstsein konnte Jesus je nach Situation und Bedarf zwischen den Welt-Arten wechseln. Er bewegte sich gleichzeitig in der himmlischen und der irdischen, der geistlichen und der materiellen, der sichtbaren und der unsichtbaren Dimension.
Diese Daseins-Qualität ist mit der von Jesus für Christen erbetenen und teuer erkauften Gottes-Gemeinschaft kompatibel und seit Golgatha empfangsbereit. Allerdings ist sie zunächst wie bei Jesus begrenzt auf unseren irdisch-leiblichen Daseins-Rahmen. Das ist allerdings schon gewaltig. Es bedeutet: Gott ist jedem Wiedergeborenen niemals fern, sondern stets und überall nahe, und zwar „in ihm“ (Gal.2,20. Er wohnt nicht mehr nur im Himmel oder „in Tempeln, von Menschen gemacht“ (Apg 17,24). Nein, Gott thront und spricht, leitet und ermutigt durch den Heiligen Geist im Herzen bzw. im Geist aller Christen.
Geschenkte Gottesbeziehung verpflichtet
Jesus fordert unser Eins-Sein also nicht als Vorleistung, sondern ermöglicht es durch sein Kreuzestod, seine Auferstehung und sein Gebet. Folglich ist beides Gottes freies Gnadengeschenk. Er erwartet jedoch, dass wir sein Angebot annehmen und danach handeln.
Wenn es demnach am Einssein untereinander fehlt, dann sollten wir – statt uns zu beschuldigen – unsere Liebesbeziehung im Einssein mit Gott überprüfen, um neue Prioritäten setzen.
Hinweis: Weitere Aspekte über die erstaunlichen Auswirkungen der geschenkten Beziehungsqualität mit Gott ist ergänzend im nächsten Biblipedia-Beitrag zu lesen oder als E-Mail-Beilage erhältlich, und zwar unter:
www. herbert.masuch@ewetel.net Gott segne Sie!
Dieser Blog-Beitrag von Herbert Masuch erschien zuerst auf Christus-Portal-Blog . Lies hier den Original-Artikel "Eins-Sein mit Gott schafft Eins-Sein mit Christen".