Buchtipp: The woman in the window

The Woman in the WindowWas hat sie wirklich gesehen von A J Finn

Finn, A. J., The woman in the window – Was hat sie wirklich gesehen?, BlanvaletVerlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH München, 1. dt. Aufl. 2018, 544S. Verlagslink, Amazon-Link

Anna Fox lebt nach einem Unfall allein in ihrem großen Haus. Sie kann es nicht verlassen, da sie sonst Panikattacken bekommt. Ihre Welt besteht nur noch aus Fenstern: Jenen im Browser, durch welche sie – ausgebildete Psychologin – anderen Betroffenen der Agoraphobie helfen kann, und denen im Haus, durch welche sie ihre Nachbarn sehen und beobachten kann. Eines Tages bemerkt sie im relativ frisch bezogenen Nachbarhaus ein schreckliches Bild: Die Frau des Hauses – blutüberströmt – mit einem Messergriff in der Brust.

Damit beginnt eine rasante Suche nach der Wahrheit, was in diesem Moment genau alles geschehen ist und was nicht. Hatte sie sich alles eingebildet, weil sie ihre Medikamente mit Alkohol zusammen eingenommen hatte und dies zu Nebenwirkungen führte? Jedenfalls glaubt das die Polizei. Aber woher kommt das Foto, das sie in der Nacht beim Schlafen zeigt? Und wer ist tatsächlich die Frau des Nachbars? Fragen über Fragen, die in diesem spannenden Thriller erst ganz gegen den Schluss hin geklärt werden.

A. J. Finn hat da ein raffiniertes Werk geschaffen, das so gedacht sein muss, dass der Leser sich immer wieder hinters Licht geführt sieht – und die ganze Geschichte mit jedem neuen Detail wieder komplett neu bewertet werden muss. Vielleicht muss ich an der Stelle festhalten, dass es dann wohl etwas zu raffiniert war, denn mit der Zeit ergibt sich ein Muster, anhand dessen sich der weitere Verlauf der Geschichte ziemlich gut vorhersagen lässt. Ungefähr nach zwei Dritteln war mir klar, wie das Ende aussehen wird. Es ist so ein Roman, den man am besten nicht zweimal liest, denn wer den Schluss kennt, wird das Buch nicht mehr so genießen können und gleich von Anfang an dem Täter mit dem nötigen Urteil begegnen.

Eine der ganz wichtigen und wertvollen Aussagen des Romans lässt sich mit den Worten Jesu aus Johannes 8,32 wiedergeben: „Die Wahrheit wird euch frei machen.“ Anna beginnt ihren Heilungsprozess damit, dass eine Polizistin ihr die eine schmerzhafte Wahrheit an den Kopf wirft, welche sie seit Langem verdrängt. Es ist leider nicht die ganze Wahrheit, aber doch so viel, dass da alte, faulende Narben aufplatzen können und sie langsam aber sicher wieder Boden unter den Füßen bekommt. Was klar bleiben muss: Finn meint dies nicht im Sinne Jesu, dass der stellvertretende Kreuzestod die eine, ewig gültige Wahrheit ist, die den Menschen frei macht, aber in einem unvollkommenen Sinne lernen wir Menschen aus der Erfahrung immer wieder, dass wir geschehene Ereignisse und Erfahrungen verdrängen, und dieses Verdrängen uns ganz schön Probleme bereiten kann.

Auch die Geschichte an und für sich gefällt mir gut. Insbesondere, wie Finn die Frage angeht, wie eine ausgebildete Psychologin wohl damit umgeht, wenn sie eines Tages selbst therapiebedürftig wird, fand ich richtig gut umgesetzt. Ebenso befasst sich der Autor auf eine gute Art und Weise damit, wie schnell falsche Vorurteile greifen können und welches Unheil sie anrichten, wenn sie erst einmal in ihrer Spurrille festgefahren sind. Das macht das Buch lesenswert und wertvoll. Der Leser muss sich immer wieder mit neuen Details befassen, welche schon wieder einen ganz neuen Blick auf die gesamte Geschichte verlangen. Und bei jeder dieser Wendungen wird man daran erinnert, wie schnell ein vorschnelles Urteil aufgrund von zu wenig Fakten gebildet wird.

Etwas mühsam fand ich die seitenlangen Chatauszüge. Diese hätte man ruhig um drei Viertel kürzen können und nur das Allerwichtigste wiedergeben. Es ist natürlich klar, dass damit auch wieder eine falsche Fährte gelegt werden sollte. Dennoch sehnte ich mich während dieser immer danach, dass endlich wieder etwas Interessanteres passiert. Am Anfang tut sich die Story sehr schwer, es dauert lange, bis sich etwas entwickelt. Doch ab den ersten 150 Seiten geht es dann sehr schnell voran und wird richtig spannend. Wer gut aufpasst, wird den Schluss jedoch schon vor den zwei letzten Wendungen kennen.

Fazit:

Ein spannender Roman, der nach einem zähen Anfang ganz schön an Geschwindigkeit zulegt. Gute Ideen, die noch etwas punktgenauer und teilweise weniger langatmig hätten umgesetzt werden können. Ich gebe dem Buch vier von fünf möglichen Sternen.

Dieser Blog-Beitrag von Jonas Erne erschien zuerst auf Jonas Erne - Der Blog . Lies hier den Original-Artikel "Buchtipp: The woman in the window".

Über Jonas Erne

Ich bin Ehemann, Vater, Theologe, Gemeindereferent, Vielleser. Auf meinem Blog geht es um Gelesenes, aber auch um die Auseinandersetzung mit Fragen des täglichen Lebens, mit der Kultur und der Bibel. Hin und wieder gibt es auch kreative Texte wie Gedichte, kurze Geschichten und mehr.

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