Von den zwei Aufenthalten die ich im Osten Eurasiens (Kasachstan und Ukraine) verbrachte, ist mir ein Satz sitzen geblieben, der an jeder Ecke von orthodoxen Omas gemurmelt wurde: „Спаси и сохрани“. Bettler schrieben das auf ihre Schilder und dieser Spruch klebte oft auf Autos und anderen Objekten. Meist versehen mit einer typisch russisch-orthodoxen Ikone bedeuten diese drei Wörter: „Rette und Bewahre“ (Die Google-Suche liefert mehr als 2 Mio. Ergebnisse für diesen Satz). Nun bin ich gegenüber dem russisch-orthodoxen Glauben eher skeptisch. Also fragte ich mich, ob diese Aussage überhaupt die biblische Botschaft wiedergibt. Das man nach Rettung ruft, klingt plausibel. Aber darf man auch um Bewahrung bitten? Ist die Bewahrung nicht unser eigenes verdienstvolles (meritorious) Werk, was wir nun mal gefälligst selbst zu bewirken haben?
Eine Suche im Logos-Bibelprogramm (ich untersuchte die LUT 2017) zeigte schnell, dass die Psalm-Dichter recht häufig bei Gott nach Bewahrung riefen (Ps. 12,8; 16,1; 17,4;19,14; 25,20;41,3;85,2;140,5;141,9). Betrachtet man ähnliche Begriffe, kommen weitere Gebete hinzu. So finden wir den Ruf nach „Behütung“ (Ps. 17,8;25,21;32,7; 40,12; 61,8; 64,2; 91,11; 121,7; 121,8; 140,2; 140,5; 141,3) , „Schutz“ (Ps. 9,10; 18,3; 20,2; 27,5; 31,21; 46,8; 46,12; 48,4; 59,2; 59,10; 59,17;59,18; 62,3; 62,7; 69,30; 80,16; 80,18; 91,14; 94,22; 119,114; 144,2), „Erhaltung“ (Ps. 17,5; 22,30; 33,19; 37,17; 41,3; 48,9; 54,6; 66,9; 79,11; 86,11; 87,5; 89,22; 119,116; 145,9), „Beschirmung“ (Ps. 5,12; 17,8; 140,8).
Dabei wird dies nicht nur als Gebet und Flehen ausgesprochen, sondern als Tatsache festgehalten, die für das Volk Gottes gilt. An anderen Stellen wird die Fähigkeit Schutz zu gewähren, geradezu als Eigenschaft Gottes beschrieben. An anderen Stellen wiederum wird dieser Schutz Gottes anderen Gläubigen zugesprochen. Eine kleine Auswahl aus den oben genannten Stellen:
Ps. 5,12: Lass sich freuen alle, die auf dich trauen; ewiglich lass sie rühmen, denn du beschirmest sie. | Das Volk Gottes weiß, dass Gott sie beschirmt |
Ps. 25,20: Bewahre meine Seele und errette mich; lass mich nicht zuschanden werden, denn ich traue auf dich! | Hier betet David wie eine orthodoxe Oma. |
Ps. 121,8: Der HERR behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit! | Der Segensspruch der Behütung ausgesprochen |
Ps. 119,114: Du bist mein Schutz und mein Schild; ich hoffe auf dein Wort. | Hier wird etwas Geglaubtes bekannt, und nicht einfach ein Wunsch ausgesprochen (Vgl. auch Ps. 144,1-2) |
Ps. 59,10: Meine Stärke, zu dir will ich mich halten; denn Gott ist mein Schutz. | Das Wissen um Gottes Schutz verändert die Lebensperspektive. |
Da die Psalmen inspirierte und definitiv Gott wohlgefällige Gebete sind, dürfen wir wissen, dass wir um Bewahrung beten dürfen. Würde Gott wollen, dass wir für etwas beten, was er uns gar nicht schenken will/kann/darf, weil er sich freiwillig verpflichtet hat, sich unter ein höheres universelleres Prinzip eines Freien Willens zu fügen? Beten wir um Bewahrung einfach um des psychologischen Effekts willen? Wohl kaum! Die Anzahl der Verse, die wir hierfür allein in den Psalmen gefunden haben, ist erschlagend und spricht eine klare Sprache. Gott will bewahren und sagt diese Bewahrung seinem Volk zu! Nicht umsonst werden wir im Vater Unser gelehrt, darum zu flehen, vor Versuchung bewahrt und vom Bösen erlöst zu werden (Matth. 6,13). Der geradezu permanente Ausruf nach Bewahrung in den Psalmen will uns aber denke ich noch etwas anderes sagen: Alleine schaffen wir es nicht. Wir stecken so tief im Mist, dass wir nicht nur, nicht mehr in der Lage sind, alleine herauszukommen. Nein, wir stinken so nach Sünde, dass wir allzu schnell wieder hereinrutschen wollen. Das Gebet um Bewahrung erweist sich also als Mittel der Heiligung.
Man könnte freilich einwenden, dass die Psalmisten hier gar nicht um ihr Seelenheil flehten. Dies hätte jedoch zur Folge, dass wir nahezu alle Psalmen aus dem Leben der Christen verbannen würden, da die Gemeinde schon seit 2000 Jahren weiß, dass mehr als ein historisches Interesse diese mit den Liedern und Gebeten Davids verbindet.
Wir können also der russisch-orthodoxen Tradition an dieser Stelle Absolution erteilen! (Auch wenn die Sticker auf den Autos in der Tat eher den Wunsch einer Bewahrung vor einem Autounfall als vor den giftigen Pfeilen Satans ausdrücken) Wir dürfen um Bewahrung beten. Wir dürfen darum beten, weil Christus diese zusagt!
Ich verstehe, dass heute die Lehre des Ausharrens der Heiligen stark unter Beschuss ist. Aber das Nachdenken über die oben genannten Bibelverse ermutigte mich auf besondere Weise. Von Vers zu Vers fühlt man sich zunehmend erhöht und staunt über die Güte eines liebevollen Gottes! Einem derart starken Zeugnis der Schrift dürfen wir bedingungslos vertrauen, weil wir unserem Gott vertrauen dürfen. Gott würde nie ein Gebet ermutigen, dass gegen seinen Willen geht.
Dieser Blog-Beitrag von Sergej Pauli erschien zuerst auf Glauben und Denken (alt) . Lies hier den Original-Artikel "Darf man beten: „Rette und Bewahre“?".
https://www.evangelisch.de/bibelstellen/4-mose-624-26
Die Bitte um Rettung und Bewahrung ist uralt und ist in allen christlichen Richtungen bekannt. In den evangelischen Kirchen kann man das oft auch hören gemäss 4. Mose 6, 24–26, wo es auch um Bewahrung geht.
stimmt, guter Hinweis! in der Sammlung meiner Bibelstellen habe ich mich natürlich nur auf die Psalmen beschränkt!
Wir dürfen um alles beten/bitten.
Ob sich die Gebete erfüllen, liegt am Willen Gottes.
Wir sollen nach dem Willen Gottes beten/bitten. Deshalb ist der letzte Satz im Gebet richtiger Weise oft: „Herr, dein Wille geschehe“.
Das „Vater Unser“ lehrt es auch.
Für Dinge, die man sich selbst oder Anderen tun kann und soll, muß man nicht nur beten.
Bete und arbeite!
Oft wird fröhlich von Gebetserhörungen berichtet.
Von unerhörten Gebeten redet man nicht gern oder garnicht.
Danke Jazzico, ich freue mich immer, wenn meine echten Absichten enttarnt werden. Tatsächlich wollte ich darauf heraus, dass unser Gebet auch immer das reflektiert, was Gott gebietet. Somit würde ich sagen, dass „Herr dein Wille geschehe“, nicht einfach nur hilflos einAkzeptieren eines, was man eh nicht will ist, sondern ein bekennen dessen, was Gott geben will. ich glaube das „VATER UNSER“ reflektiert dies schön. Hier wird nur um das gebetetet, was Gott geben will!