Eine Predigt von John Piper, gehalten am 18.06.2020 unter dem Titel: Exposition or Imposition – How Gospel-Centered Preaching Can Go Wrong (18.06.2020). Übersetzt von Abijah Hesse. (Download als .pdf)
Den Titel, den ich für diese Predigt erhielt, lautet „Die Evangeliumspredigt als Erläuterung der ganzen Bibel“. Und so interpretiere ich diesen Titel: Es wird davon ausgegangen, dass wir in unserer Predigt als Pastoren „die ganze Bibel darlegen“ sollten. Das ist eine gute Annahme. „Die ganze Schrift ist. . . ertragreich“, sagte Paulus (2. Timotheus 3, 16). Und dann, drei Verse später, sagte er im natürlichen Fluss seines Denkens: „Predige das Wort!“ (2. Timotheus 4, 2). Ich verstehe in diesem Zusammenhang „das Wort“ als nichts weniger als das inspirierte Wort: „die ganze Schrift“. Alle Schrift ist von Gott eingehaucht und ertragreich (2. Timotheus 3, 16). Predige sie. Verkünde sie. Mach sie bekannt. Erkläre sie. Erkläre die ganze Bibel.
Aber wenn mein Titel „die Erklärung der ganzen Bibel“ im Blick hat, bedeutet das nicht: „Erkläre jeden einzelnen Vers der Bibel.“ Niemand kann das in einem Leben tun. Nicht, wenn du das Wort erklären /erläutern ernst nimmst. Stattdessen bedeutet es: Durchquere in deinen vierzig oder fünfzig Jahren der Darlegung die gesamte Bibel und nimm Texte von irgendwo und allerorts auf, so wie der Geist führt, die Zeiten es erfordern und deine Gemeinde es braucht. Weil alles inspiriert und profitabel ist. Die Erklärung der gesamten Bibel wird uns Christen hundertmal mehr nützen als unsere klugen oder kreativen Überlegungen zum Stand der Religion, Kultur oder Politik.
„Denn alles Fleisch ist wie das Gras,
und all seine Pracht wie die Blume des Feldes.
Das Gras verdorrt und die Blüte fällt ab,
das Wort des Herrn aber bleibt in Ewigkeit.“ (1. Petrus 1, 24-25)
Eure Gemeinde braucht euch, um durch anbetungsvolle Erklärungen zu verstehen, was Bibelpassagen bedeuten. Erklärung und Jauchzen ist das, was sie von euch brauchen. Wahrheit und Leidenschaft. Weisheit und Anbetung. Lehre und Freude. Aus jedem nur denkbaren Text der Bibel. Das ist es, was ich in der zweiten Hälfte meines Titels: „Die Erläuterung der ganzen Bibel“ verstehe.
In der ersten Hälfte des Titels steht „Die Evangeliumspredigt“ und die beiden Hälften sind mit „als“ verbunden: Die Evangeliumspredigt als Erläuterung der ganzen Bibel“. Was, nehme ich an, bedeutet: Wenn man einen Text von irgendwo in der Bibel erklärt, sollte man in dieser Auslegung das Evangelium predigen. Ich denke, man wünschte, dass ich über dieses Thema sprechen soll, als man mir diesen Titel zuordnete. Sprechen Sie mit uns darüber, wie wir, wenn wir die ganze Bibel erklären, das Evangelium predigen sollen.
Predige für Reife und Stabilität
Aber ich habe ein Problem mit dieser Aufgabe: In meiner Predigt als Pastor im Rahmen eines wöchentlichen Gottesdienstes unter dem Volke Gottes denke ich nicht in dieser Weise über die predigt. Ich stand 33 Jahre an dieser Kanzel und predigte (eigentlich 22 Jahre, da dieses Gebäude 1991 gebaut wurde). Aber meine Denkweise, als ich mich vorbereitete und auf diese Kanzel trat, war nicht in erster Linie: Wie kann ich das Evangelium aus diesem Text predigen? Das war nicht mein kontrollierender Gedanke bei der Vorbereitung oder Ausführung.
Mein kontrollierender Gedanke war und ist: Was bedeuten die Wörter, Wendungen, Teil-, Sätze und der Gedankenfluss in diesem Text? Genauer gesagt, meine mich beherrschende Überlegung war: Welche Realität wollte dieser inspirierte Schreiber seinen Lesern durch die Wörter, Wendungen, Teil-, Sätze und den Gedankenfluss in diesem Text mitteilen? Welche Realität wollte dieser inspirierte Autor für mich durch seine Verwendung von Ausdrücken sehen? Und wie wollte er, dass ich über diese Realität nachdenke, sie erlebe und auf mein Leben, das Leben meiner Gemeinde und der Welt anwende? Mein erster und kontrollierender Gedanke ist nicht: Wie kann ich das Evangelium aus diesem Text predigen? Ich bin eher von der Frage getrieben: Wie kann ich sehen, was dieser Autor sieht? Welche Einblicke in die göttliche und menschliche Realität könnte er für mich haben, wenn ich verweile und schaue, suche und hinsehe, was er tatsächlich gesagt hat, mit ernsthaftem Bitten um Gottes Hilfe und mit inniger Entsagung all meiner Sünden, die mein Sehvermögen verzerren würden?
Dann möchte ich Woche für Woche zu meiner Gemeinde kommen und ihnen beim Predigen zeigen, welche erstaunlichen Dinge ich gesehen habe, und sie speziell auf die Worte, Wendungen und Sätze hinweisen, in denen ich die Herrlichkeit erblick habe. Ich möchte, dass die Leute sehen, dass das, was ich gesehen habe, wirklich da ist. Das es das ist, was diese spezifischen Worte tatsächlich bedeuten – was sie tatsächlich über Gott, seine Wege und seinen Willen offenbaren. Ich denke, es ist äußerst wichtig für die funktionale (nicht nur theoretische) Autorität der Schrift, dass Pastoren ihrer Gemeinde genau die Worte zeigen, aus denen sie ihre Ideen beziehen. Aber was ich seit Jahrzehnten gesehen habe, ist, dass es eine Art Predigt gibt, die über den Text schwebt und nicht oft genug präzisiert, damit die Menschen sehen können, dass das, was der Prediger sagt, wirklich das ist, was die Worte des Textes tatsächlich bedeuten.
Ich glaube nicht, dass die beherrschende Frage „Wie kann ich das Evangelium aus diesem Text predigen?“ in den letzten vierzig Jahren die Art von Predigt hervorgebracht hat, die zu starken, biblisch gesättigten, lehrreichen, reifen, belastbaren, gegenkulturellen Kirchen mit einer Leidenschaft für radikalen Gehorsam gegenüber Gottes Wort führt.
Baue deine Predigt auf dem Kreuz
Daher möchte ich denen eine Alternative anbieten, die denken, dass „Christus predigen“ oder „das Evangelium aus jedem Text predigen“ bedeutet, sich allgemein mit dem zu befassen, was der Text lehrt, direkt über dem Text zu schweben und selten genau die Wörter und Sätze zu erklären, und dann zur eigentlichen Angelegenheit übergehen, indem das Crescendo/die steigende Dynamik jeder Predigt zu einer Einübung des Sühnopfers und der Vergebung der Sünden gemacht wird, damit jeder erleichtert hinausgehen kann.
- Ich denke, diese Art des Predigens ermattet die Erwartungen der Menschen, weil der homiletische Weg vorhersehbar wird.
- Ich denke, sie tendiert dazu, die tatsächlichen Wörter, Wendungen und die Logik des Textes als von untergeordneter Bedeutung zu behandeln, indem es den Eindruck erweckt, dass sie nicht mit Sorgfalt und Tiefe behandelt werden müssen, sondern nur als Vorbereitung auf das Christus-der-Gekreuzigte Crescendo.
- Ich denke, sie neigt dazu, Menschen in schlechten Gewohnheiten zu schulen, wie sie ihre Bibeln lesen sollen, indem es die Gründlichkeit und den Ernst reduziert, mit denen sie über die Worte der Schrift nachsinnen.
- Ich denke, sie schwächt tendenziell die Ernsthaftigkeit praktischer biblischer Erfordernisse für das christliche Leben ab, indem es in kritischen Momenten, in denen die Dringlichkeit des Gehorsams im Vordergrund stehen sollte (weil dies die Dringlichkeit des Textes ist), das stellvertretende Sühneopfer einfügt.
Deshalb möchte ich eine Alternative empfehlen, um jeden Text zu einem Weg zum Evangelium zu machen oder um die treibende Frage der Predigtvorbereitung zu stellen: Wie kann ich das Evangelium aus diesem Text predigen? Unter das bekannte Motto: „Nimm deinen Text und gehe geradewegs zum Kreuz“ möchte ich ein Warnzeichen setzen. Dieses wird oft Spurgeon zugeschrieben. Kein mir bekannter Spurgeon-Wissenschaftler kann dies bestätigen. Aber das spielt keine Rolle. Das ist nicht der Punkt.
Der Punkt ist folgender: Anstatt den Text zu nehmen und geradewegs zum Kreuz zu ziehen, sollte man das Kreuz nehmen und geradewegs zum Text gehen. Anstatt die Predigt auf das Kreuz zu richten, sollte man die Predigt auf dem Kreuz aufbauen. Statt biblische Imperative als Hinweis auf die Vollkommenheit Christi und zugerechneter Gerechtigkeit zu predigen, sollten wir zugerechnete Gerechtigkeit als die Kraft predigen, biblischen Imperativen zu gehorchen. Oder anders ausgedrückt:
Auf der Kraft und den Verheißungen stehend, die das Blut Jesu für die Auserwählten Gottes erkauft hat, ringt mit den Worten des Textes, bis ihr die Realität seht, die in diesen Worten wirklich vorhanden ist, zeigt dann eurer Gemeinde, was ihr gesehen habt und wie ihr es seht, bietet ihnen diese Realität als bluterkauftes Geschenk an und fordert sie mit aller Kraft auf, es zu sehen, zu verstehen, zu umarmen, sich daran zu freuen, es zu befolgen und zu teilen. Die Realität im Text sei das Crescendo der Predigt.
Umfassende Realitäten hinter jeder schriftstelle
Wie bin ich zu diesem Schluss gekommen? Lasst mich versuchen, euch aus der Schrift heraus zu zeigen, warum ich so denke.
Fangen wir hier an: Als ich mit voller Aufmerksamkeit und energischer Anstrengung versuchte, die Realität zu sehen, die der biblische Autor wollte, dass ich sie – durch die tatsächlichen Wörter seines Textes – sehe, realisierte ich, dass ich die Realität nicht so sehen konnte, wie er es tat und wie er es wollte, ohne mehr darüber zu wissen, was der Autor dachte, als was er in diesen begrenzten Text einfügen konnte.
Wenn Paulus zum Beispiel sagt, man solle „Gastfreundschaft betreiben“ (Römer 12, 13), habe ich möglicherweise eine Vorstellung davon, was „Gastfreundschaft“ ist und was „betreiben“ bedeutet. Aber es gibt ein Dutzend Möglichkeiten, wie ich Gastfreundschaft betreiben kann, die mangelhaft sind und die Paulus missbilligen würde.
- Ich könnte Gastfreundschaft betreiben, aus Angst, was andere denken würden, wenn ich es nicht tue.
- Ich könnte es in der Hoffnung verfolgen, dass die Leute mich zurück einladen würden.
- Ich könnte legalistisch versuchen, mir meinen rechten Stand vor Gott zu verdienen
- etc.
Paulus würde jede dieser Möglichkeiten, Gastfreundschaft zu betreiben, als die Realität nicht erfassend betrachten, die er in Römer 12, 13 fordert. Aber das kann man nur aus den Dingen erkennen, die Paulus anderswo gesagt hat – Dinge über das Kreuz, über die Gnade, über die Kraft des Heiligen Geistes, über den Glauben, über die Sünde, über die Herrlichkeit Gottes. Die Realität, die Paulus im Kopf hat, damit wir sie kennen, erfassen und ihr gehorchen können, wenn er sagt: „Betreibe Gastfreundschaft“, ist mehr, als er in zwei Worte fassen kann.
Also fragte ich: „Welche Aspekte von Paulus geistiger Welt – Paulus umfassende Realität – muss ich sehen, damit ich nicht falsch handhabe, was er in seinen bestimmten Sätzen in einem bestimmten Text sagt?“ Also stellte ich die Frage folgendermaßen: Gibt es Wahrheiten oder Realitäten in der Weltanschauung eines Autors, die so allgegenwärtig und umfassend sind, dass sie für alles relevant sind, was er sagt – das heißt, notwendig sind, um zu wissen wie richtig mit allem umzugehen ist, was er sagt? Mit anderen Worten, gibt es Wahrheiten, Realitäten, die, wenn sie ignoriert werden, immer dazu führen, dass wir das,was bestimmte Sätze bedeuten, falsch verstehen würden? Gibt es so weitreichende Realitäten im Kopf eines Autors, dass wir, wenn wir sie ignorieren, nicht in der Lage sein werden, auf bestimmte Texte so zu reagieren, wie er es beabsichtigt?
Meine Antwort lautet: Ja, es gibt mindestens drei davon. Ich werde zwei davon andeutungsweise zeigen und mich dann auf den Teil konzentrieren, der sich direkt auf diese Predigt bezieht, ob wir versuchen sollten, das Evangelium aus jedem Text zu predigen und ob wir einen Text nehmen und uns direkt zum Kreuz aufmachen sollten.
- Alles zur Ehre Gottes!
Erstens, wenn Paulus sagt: „Ob ihr nun esst oder trinkt oder sonst etwas tut: Tut alles zur Ehre Gottes!“ (1. Korinther 10,31), unterstützt durch Dutzende von Bibelstellen, die zeigen, dass Gott beabsichtigt, dass alles zu seiner Ehre getan wird, schließe ich, dass jeder Text, den Paulus – in der Tat jeder biblische Autor- schrieb, letztendlich so geschrieben wurde, dass Gott am Ende als herrlich angesehen, erfahren und gezeigt werden würde. Dies ist eine der allgegenwärtigen Wahrheiten oder Realitäten in Paulus Denken, ohne die kein Text gemäß Paulus Absicht richtig behandelt wird.
Das Ziel von Paulus in jedem Text beinhaltet immer die Absicht, dass jede Antwort, die wir auf diesen Text haben – alles Verstehen, Denken, Fühlen, Glauben oder Handeln – mit dem Ziel sein sollte, Gott zu verherrlichen. Aber das zu unterstützen und zu erklären, ist eine anderes Thema. Dies ist die erste, allumfassende Wahrheit in Paulus Denken, die benötigt wird, um mit seinen besonderen Texten richtig umzugehen.
- Regel des Glaubens
Die zweite Realität ist folgende: Paulus sagt in Römer 14, 23: „Was nicht aus dem Glauben hervorgeht, ist Sünde“, und Hebräer 11, 6 sagt: „Ohne Glauben ist es unmöglich, [Gott] zu gefallen.“ Ich schließe daraus, dass dies eine dieser allgegenwärtigen Wahrheiten – allumfassenden Realitäten – für Paulus und den Autor des Hebräerbriefs ist, in der Tat würde ich für alle biblischen Autoren so argumentieren. Das heißt also, wenn wir einen biblischen Text so behandeln wollen, dass er der allgemeinen Absicht des Autors entspricht, Gott gefällt und keine Sünde ist, müssen wir diesen Text richtig in Beziehung zum Glauben bringen. Auch das ist ein anderes Thema.
- Christus, der Gekreuzigte
Die dritte umfassende Wahrheit in Paulus Denken, die sich darauf auswirkt, wie alle seine Texte (und vielleicht alle Texte) behandelt werden sollten, bezieht sich direkt auf das vorliegende Thema: Sollten wir versuchen, das Evangelium aus jedem Text zu predigen? Fragen wir also: Sagt Paulus etwas über den Tod Christi – über das Sühnopfer Christi für die Sünde – in Bezug auf alles, was er predigt und schreibt? Ja tut er. Zum Beispiel sagt er in 1. Korinther 2, 1–2:
„Liebe Brüder und Schwestern, auch ich bin, als ich zu euch kam, nicht mit großartigen Worten und abgründiger Weisheit dahergekommen, euch das Geheimnis Gottes zu verkündigen. Denn ich hatte beschlossen, bei euch nichts anderes zu wissen außer das eine: Jesus Christus, und zwar den Gekreuzigten.“
Und in Galater 6, 14 sagt er:
„Es liegt mir fern, mich zu rühmen, außer im Kreuz unseres Herrn Jesus Christus“
Direkt betrachtet sagen diese beiden Texte also:
- Paulus predigt nichts (er sagt: „Ich weiß nichts“) außer „Jesus Christus, und zwar den Gekreuzigten“ und
- Paulus rühmt sich nur des „Kreuz unseres Herrn Jesus Christus.“
Grundlegender Ruhm
Was bedeutet das? Und was würde es für unsere Predigt bedeuten? Man könnte versucht sein zu sagen: “Nun, diese Aussagen sind keine allgemeinen Aussagen über alle Predigten oder Schriften von Paulus. Sie beziehen sich nur auf die besondere Situation in Korinth und Galatien.“ Bei dem Gedanken gibt es zwei Hauptprobleme.
Erstens, wenn ihr den 1. Korintherbrief lest, erkennt ihr, dass Paulus selbst in der korinthischen Situation andere Dinge „wusste“, darüber sprach, predigte und darüber schrieb als „Jesus Christus, und zwar den Gekreuzigten. In 1. Korinther 2, 2 sagt er: „Denn ich hatte beschlossen, bei euch nichts anderes zu wissen außer das eine: Jesus Christus, und zwar den Gekreuzigten.“ Anschließend gibt er Anweisungen zu kirchlichen Spaltungen (1. Korinther 1, 10–17; 3, 1–4), kirchlicher Disziplin (1. Korinther 5, 1–5), Klagen (1. Korinther 6, 1–11) und sexueller Unmoral (1. Korinther 6, 12–20), Ehe und Einsamkeit (1. Korinther 7), Götzenopferfleisch (1. Korinther 8, 1–6), Kopfbedeckungen (1. Korinther 11, 1–16), geistige Gaben (1. Korinther 12–14) und mehr.
Und das zweite Problem bei der Beschränkung dieser Aussagen auf besondere Situationen ist, dass Galater 6,14 einfach nicht so formuliert ist. Als Paulus sagte: „Es liegt mir fern, mich zu rühmen, außer im Kreuz unseres Herrn Jesus Christus“, sprach er von grundlegender Überzeugung, nicht von einer situativen Anwendung. Wir können dies daran sehen, wie er die Aussage im nächsten Vers begründete: „Denn weder die Beschneidung zählt für irgendetwas noch die Unbeschnittenheit, sondern die neue Schöpfung“ (Galater 6, 15). Dies ist nicht situativ begrenzt. Und doch verwendet Paulus dasselbe Wort für „rühmen“ (Kauchasthai) an anderer Stelle, um zu sagen:
- „Wir rühmen uns der Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes“ (Römer 5, 2).
- „Wir rühmen uns unserer Schwierigkeiten“ (Römer 5, 3).
- „Am liebsten rühme ich mich meiner Schwächen“ (2. Korinther 12, 9).
- „Wer ist unsere Hoffnung, Freude, Kranz des Rühmens? Nicht etwa auch ihr?” (1. Thessalonicher 2, 19).
Hier ist etwas! In 1. Korinther 2, 2 sagt Paulus, er beabsichtige, „bei euch nichts anderes zu wissen außer das eine: Jesus Christus, und zwar den Gekreuzigten“. Dann spricht er ausführlich über acht weitere Themen. Und in Galater 6, 14 sagt er, dass er sich in nichts rühmt, „außer im Kreuz unseres Herrn Jesus Christus“. Anderswo jedoch rühmt er sich der Herrlichkeit Gottes, der Trübsal, der Schwächen und der Glaubensgenossen.
Was meint er dann, wenn er sagt: „Ich weiß nur Christus, den Gekreuzigten; Ich rühme mich nur des Kreuzes“? Ich denke, er meint das so: „In allem, was ich sonst weiß und predige, weiß ich und predige ich es aufgrund des Gekreuzigten – auf Grundlage des Gekreuzigten. Und alles andere, mit dem ich mich rühme, rühme ich mich aufgrund des Kreuzes – auf Grundlage des Kreuzes.“ Der Auftrag an uns für unsere Predigt wäre folgender: Jedes biblische Thema, jeder Text, den wir aufgreifen, den wir anbetend erklären und unserer Gemeinde zu ihrem Vorzug anbieten, basiert auf dem Kreuz – auf dem Gekreuzigten.
Jeder Vorteil bluterkauft
Was ist die Basis dafür? Die Basis ist Römer 8, 32: „Er, der seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern für uns alle dahingegeben hat, wie sollte er uns mit ihm nicht alle Dinge schenken?“ Dies ist einer der wichtigsten Verse in der Bibel, sowohl zum Leben als auch zum Predigen. Dies ist die herrliche Verbindung zwischen dem Opfer Jesu durch den Vater und „allen Dingen“, die Gottes Volk erhält.
Die Logik ist diese: Wenn Gott das Schwierigste getan hat – seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns gegeben hat -, wird er es nicht versäumen, das Leichtere zu tun – nämlich uns alle Dinge zu geben.
Was beinhaltet „alle Dinge“? Es ist keine Wohlstandspredigt. Wir wissen das, denn vier Verse später, wenn Paulus „alle Dinge“ auflistet, beinhalten sie „sind wir dem Tod ausgesetzt den ganzen Tag“, aber darin sind wir nicht von seiner Liebe getrennt, sondern sind mehr als Überwinder (wrtl.: Eroberer) (Römer 8, 36–37; ergibt sich aus der englischen Übersetzung, vgl. bspw. KJV (Anm. des Übers.)). Die Bedeutung von Römer 8, 32 lautet also: Für Gottes Auserwählte – die Vorherbestimmten, Berufenen und Gerechten (Römer 8, 30) – wurde alles Gute – und alles Schlechte, das Gott zum Guten wendet – für uns gesichert durch das Kreuz Christi. Jeder himmlische Atemzug, den ein Gläubiger nimmt, wurde vom Blut Christi erkauft. John Flavel, der alte britische Puritaner, auch „the sweet dropper“ [1] genannt, sagt über Römer 8, 32:
Wenn [Gott] seinem eigenen Sohn nicht einen Schlag, eine Träne, ein Ächzen, ein Stöhnen, einen Seufzer, einen Umstand des Elends erspart hat, kann man sich sicher nicht vorstellen, dass er danach jemals seinem Volk, um dessentwillen all dies erlitten wurde, jegliche Barmherzigkeit, jeglichen Trost, jegliches geistliche oder zeitliche Privileg, das gut für sie ist, verweigern oder vorenthalten sollte.
Das stimmt! Und hier ist die Bedeutung für das Predigen: Es kann einfach keine Vorteile geben, die uns als Gottes liebe Kinder angeboten werden, außer dem Kreuz Christi. Aber jede Predigt bietet Gottes Kindern einen gewissen Nutzen. Jeder Text, sagt Paulus, ist „gewinnbringend“ (2. Timotheus 3, 16) – nützlich für Gottes Volk. Und der einzige Weg, wie etwas, das völlig „gewinnbringend“ oder nützlich ist, zu gefallenen, sündigen, die Hölle verdienenden Christen gelangen kann, ist das Kreuz. Daher wird jeder Gewinn, jeder Nutzen, jeder Segen, jedes Geschenk, jede Verheißung, jede gnädige Warnung, jede kostbare Erziehung, jede solide Lehre und jeder verwandelnde Blick auf Gottes Herrlichkeit in jeder Predigt mit Blut erkauft. Daher ist das Kreuz die Grundlage – das Fundament- jeder biblischen Predigt.
Jesus starb, um das Wunder des Gehorsams gegenüber den Schriften zu erkaufen. Er zahlte sein Blut, um eine getreue Darstellung der Schriften zu erwerben. Er ging zum Kreuz, um die Texte in die Christus-erhabene Schönheit der Heiligkeit zu verwandeln. Alles, was diesen Gehorsam, diese Darstellung oder diese Heiligkeit im Namen der Verkündigung des Evangeliums aus jedem Text minimiert, widerspricht dem Willen Gottes.
Auslegung oder Auflegung?
Betrachtet ein abschließendes Beispiel. Nehmt 1. Petrus 4, 7–9:
„Das Ende aller Dinge ist nahe. Seid besonnen und nüchtern, widmet euch dem Gebet! Haltet vor allem an der Liebe zueinander fest, ohne nachzulassen! Denn die Liebe deckt die Fülle der Sünden zu. Seid gastfreundlich, ohne zu murren.“
Was sollte eure treibende Frage sein, wenn ihr zu diesem Text kommt? Werdet ihr ein paar allgemeine Kommentare zu Besonnenheit, Nüchternheit abgeben, andere zu lieben und Gastfreundschaft zu zeigen, ohne zu meckern, direkt über dem Text schweben, damit ihr nie in das Wesentliche von Besonnenheit geratet? Ich dachte, wir sollten vom Heiligen Geist kontrolliert werden, nicht von uns selbst! Und warum ist Nüchternheit für das Gebet so wichtig, und was könnte das heutige endlose Entertainment damit anstellen? Und wie genau deckt meine Liebe die Sünden anderer Menschen zu? Und wenn es sie bedeckt, sollten sie zurechtgewiesen werden, oder würde das Aufdecken sein? Und wie – bitte helfen Sie mir, Pastor – kann ich meinen murrenden Sinn loswerden?
Beim Vorbeigehen an all diesen zeitaufwändigen, kniffligen, schwierigen, exegetischen und praktischen Fragen, bewegt ihr euch mit einer kreativen Fackel, um Christus aus diesem Text zu predigen: „Siehe, Christus war die perfekte Inkarnation der Besonnenheit auf dem Weg nach Golgatha. Christus war nüchtern beim Gebet in Gethsemane, sogar während dem Schwitzen wie Blutstropfen. Christus deckte durch seine Liebe die Sünden auf beispiellose Weise zu. Christus – mit ausgestreckten Armen auf Golgatha – bot eine universale Gastfreundschaft, und kein Wort des Murrens kam von seinen Lippen. Siehe, hier ist Jesus Christus und das Evangelium in diesem Text.“
Das ist keine Auslegung. das ist Auflegung. Das ist keine Erklärung von Gottes Wort. Es ist ein Dimmen – vielleicht sogar ein Ausschalten – von Gottes Wort. Das ist kein treuer Umgang mit der Schönheit der Heiligkeit in diesem Text. Es ist eine Ablenkung von der Schönheit, für die Jesus gestorben ist, um diese zu ermöglichen. Ja, es ist sogar möglich, versehentlich Jesus zu benutzen, um zu verschleiern, wofür Jesus gestorben ist.
Er starb, damit wir direkt vom Kreuz zur Schrift gehen konnten – dass wir Stunde um Stunde mit all den Fragen, Verwirrungen, Opfern, Schönheiten der Besonnenheit und Nüchternheit, des Gebets, der Liebe, der Bedeckung von Sünde, der Süße und dem Mut der Gastfreundschaft und des Wunders eines Lebens, befreit vom Murren, ringen. Er starb, damit er wie eine mächtige Welle unterging und die Schönheiten all dieses Gehorsams zur Ehre seines Namens in die Welt trug.
Was hat Petrus selbst in demselben Brief gesagt? „Er [Christus] selbst hat unsere Sünden getragen am eigenen Leib ans Holz hinauf, damit wir den Sünden absterben und der Gerechtigkeit leben“ (1. Petrus 2, 24). Christus trug unsere Sünden um der Besonnenheit, der Nüchternheit, des Gebets, unserer Liebe, Deckung der Sünden, unserer Gastfreundschaft, unserer Befreiung vom Murren willen. Petrus sagt, dass Gott direkt vom Kreuz zum Text geht – vom kostbaren Blut zum gekauften Gehorsam, vom Evangelium zur Schönheit der Braut. Sagt eurer Gemeinde nicht, dass die Schönheit der Blume der Gerechtigkeit in Wirklichkeit die blutige Wurzel ist. Dafür sind Blumen nicht da.
Erblickt die ganze Schönheit
Wo stehen wir nun in Bezug auf den Titel dieser Botschaft: „Die Evangeliumspredigt als Erläuterung der ganzen Bibel“? Oder die implizite Frage: Wie predige ich das Evangelium aus jedem Text? Oder die eingängige Form der Frage: Wie kann ich von jedem Text geradewegs zum Kreuz gehen?
Meine Antwort lautet: Denkt nicht so. Macht das nicht zu eurer Kontrollfrage, wenn ihr zum Text kommt und eure Predigt vorbereitet. Lenkt stattdessen die Aufmerksamkeit eurer ganzen Seele auf die Wörter, Wendungen, Teil-, Sätze und Verbindungen auf euren Text, drückt euch darauf, zieht euch daran und presst es zusammen, bis ihr den Texten die ganze Schönheit entzogen habt, die sie enthalten. Und dann zeigt eurer Gemeinde, was ihr gesehen habt, wie ihr es gesehen habt und wie wertvoll es sein muss, dass Christus sterben würde, um sein Volk so schön zu machen.
[1] Zu dt. in etwa: „der Spender des Süßen“
Ein grausameres und blutleereres Geschwurbsel ist für mich nicht mehr vorstellbar.
Ohne Ziel, ohne Sinn. Zwecklos.
Ehrliche Frage an dich, der du den Beitrag gelesen hast:
Weißt du, was du jetzt glauben, reden oder tun sollst?
Vielleicht geht es gar nicht immer direkt darum, was man tun soll, denken soll, fühlen soll, glauben soll, reden soll, etc.
Vielleicht geht es um Gedankenanstöße, und eigentlich „sollen“ wir uns getrost dem Heiligen Geist überlassen, der in uns wirkt, und zwar „das Wollen und das Vollbringen“ (Phil 2:13)?!
Vielleicht sollte man die Frage (etwas polemisch, zugegeben!) umdrehen und fragen, warum dieser Artikel bei dir nichts als ein übles und undifferenziertes Kommentar auslöst?
Ich versuche mal eine Zusammenfassung meines Empfindens zur Idee (Ziel/Sinn) des Textes. Vielleicht kannst du den Text dann erneut – hermeneutisch verändert – anders wahrnehmen, sodass du einen Gewinn entnehmen kannst, auch ohne bei allem zuzustimmen.
Wenn du einen Text liest (Vorbereitung Predigt, im „Hauskreis“, Eigenstudium etc.), versuche nicht überall das Evangelium reinzulesen in der Form, dass es immer nur eine Wiederholung des Gleichen ist („Kehre um, Jesus ist dein Retter, Hier ist ein Kreuz -> Vergebung der Sünden…“), sondern: sieh auf den Zusammenhang, nimm deutlich wahr was direkt dort geschrieben steht und sinne darüber nach, was auch noch dahinter steht. Ich mache jetzt mal das, was auch Piper gemacht hat, also ein Beispiel, ich nehme Jakobus:
Selig der Mann, der die Prüfung besteht, denn wenn er sich bewährt, wird er die Krone des Lebens empfangen, die Gott denen verheißen hat, die ihn lieben. (1, 12)
Nicht: „Jesus hat Anfechtungen erduldet, gibt die Krone des Lebens für alle“
Sondern: „Auch in deinem Leben musst du erdulden, versuche dich zu bewähren gegen Anfeindungen!“ An dieser Stelle bitte weitersinnen…
Ihr wisst es doch, meine geliebten Brüder und Schwestern: Jeder Mensch soll schnell sein im Hinhören, langsam aber im Reden und erst recht langsam, wenn er zornig ist. (1, 19)
Nicht: „Auch Jesus hat dem Menschen zugehört, Gott ist langsam zum Zorn, deshalb bis du gerettet.“
Sondern: „Wie kann ich schneller beim Hören sein, langsamer zum Reden? In welchem Zusammenhang steht der Text? Was sind Jakobus Grundgedanken?“ An dieser Stelle bitte weitersinnen…
Seid aber Täter des Wortes, nicht bloß Hörer, die sich selbst betrügen. Denn wer das Wort bloß hört, nicht aber danach handelt, gleicht einem Mann, der sein Gesicht, das er von Geburt hat, im Spiegel betrachtet: Er betrachtet sich selbst, geht weg und vergisst sogleich, wie er aussieht. (1, 22-24)
Nicht: …
Sondern: …
Ich hoffe, ich konnte etwas deutlicher werden lassen, worum es im Grunde hier bei Piper, so wie ich ihn lese, geht und was man jetzt glauben, reden oder tun soll.
VIELLEICHT … sind deine drei Sätze genialer. Sie ersetzen vollkommen den überlangen Text.
Es führt zum gleichen Ergebnis, nur schneller:
Es bleibt bei einem religiös aufgeblasenen Nihilismus.
Traurig, sehr traurig.
Ok. Was ist deine Sicht der Dinge in 3 Sätzen? 😉
Ich mag das. Mir platzt der Kragen bis zum Anschlag…….wobei mir Luther ein „willkommenes“ Vorbild ist. 😉
Und zwei nette Jungs reden ganz sachlich und cool mit mir.
Das gefällt mir.
Ich höre gerade parallel den Podcast http://www.wort-und-fleisch.de, Folge 3.
Hier wird ein Aufschrei statt finden, weil kaum jemand hier die Urheber mag.
In mehreren Folgen wird dort die christliche Kirchengeschichte besonders der letzten 2- bis 3 Jahrhunderte, und da besonders ab den 1850iger Jahren bis brandaktuell heute analysiert. Weitestgehend deskriptiv-sachlich.
Warum schiebe ich es hier dazwischen?
Es beschreibt die EntwicklungsgeschichteN praktisch aller christlichen Kirchen, Gemeinden usw., hauptsächlich im Rahmen unseres Kulturkreises.
Es ermöglicht die Verortung des eigenen Glaubensverständnisses, in das man in aller Regel hinein geboren wird und beschreibt andere christliche Richtungen. Dadurch wird eine Reflexionsfähigkeit entwickelt, sich und sein christliches Verständnis einzuordnen. Ich schrieb ja an anderer Stelle davon, dass auch hier 5 Christen durchaus zu 5 unterschiedlichen Meinungen, manchmal sogar zu 5 durchaus theologisch qualifizierten Meinungen (gemein, gell!) , kommen……und dann streiten ohne zu wissen, warum sie/wir streiten. Und ohne zu wissen, dass „andere“ Christen nicht einfach „nur böse „sind, wenn sie eine andere „Meinung“ oder andere Argumente haben. Folglich kann und will ich alle hier lieben.
Kurzum, ich schaue mir Folge 3 von 10 jetzt zu Ende an…….und freue mich bald auf einen fröhlichen Dialog bzw. KONSTRUKTIVEN Streit, statt langer quälender Monologe ohne Gesprächstbereitschaft der meisten Autoren hier (noch ’ne kleine Spitze) 😉
Bis demnächst…..
In dem Text kommt das ganze Chaotische dieses Herrn Piper zum Ausdruck. Da ist es gut, dass nicht wenige Bibeltexte so verständlich geschrieben sind, dass sie gar keiner besonderen Auslegung bedürfen.
Mich erinnert das Ganze an einen Hauskreis, in dem ich mal war und wo man die einfachsten Bibelstellen noch extra erklären wollte, wohl in der Meinung die Leute seien zu doof sie zu verstehen. Ich sagte damals. der Text sei foch völlig klar geschrieben und benötige keine Auslegung, denn jeder von uns könne lesen. Der Leiter des Kreises aber hat mir diese meine Meinung ziemlich übel genommen.
Ja. möglichst alles kompliziert machen, das können die Theologen aller Art. Dann haben sie die Möglichkeit die Menschen stundenlang zu belehren, wenn nicht gar zu bequatschen. Dabei ist das Evangelium ganz einfach und kann auch von Kindern verstanden werden, die nicht mal lesen können. Dafür gibt es genug Beispiele.
OK. Ich glaube, ich verstehe die Logik. Bitte korrigiert mich, wenn ihr den Eindruck habt, dass ich das falsch sehe…
Meine Frage: Wieso gibt der Herr Jesus dann bspw. Lehrer (Eph 4:11) und beauftragt seine Jünger, zu lehren (Mt 28:20)? Offensichtlich weil man nicht von Anfang an alles versteht, oder sehe ich das falsch?
Oder anders gefragt: Wenn es jedes Kind verstehen kann, warum setzt Gott dann Gemeinde ein und möchte, dass die Gläubigen miteinander lernen, wachsen, reifen (Eph 4:12-14)?
Oder wieso gibt es für neugeborene Kinder Milch, für Erwachsene aber feste Speise (1Kor 3:2; Hebr 5:13)?
Oder eine ganz grundlegende Frage: Was ist denn dieses „Evangelium“, das „auch Kinder [Ohne Hilfe? Ohne Anleitung? Ohne Lehre?] verstehen können“? Ist es
1) „das Evangelium der Gnade Gottes“, die ich erwiesenermaßen mein ganzes Leben lang brauche? (bspw. Apg 20:24 und 1Kor 15:1-11; oder 1Petr 18-25)
2) Oder gilt es nur für die Rettung, und danach muss ich als Christ alleine klarkommen und zusehen, dass ich auf der Spur bleibe?
3) Oder ist es „ein anderes Evangelium“ (gem. 2Kor 11:4 oder Gal 1:6-10), was im Grunde gleichbedeutend ist mit Punkt 2)?
Ich spekuliere jetzt mal ein bisschen, und bitte fühlt euch nicht auf den Schlips getreten, weil das keineswegs meine Absicht ist. Ich kenne euch nicht, und will euch daher auch in keinster Weise etwas unterstellen. Ich mache die folgenden Aussagen, weil ich das in meinem Umfeld auch von Zeit zu Zeit beobachte: Sind solche Aussagen wie „Es braucht keine Theologen, die Schrift genügt“, „Das Evangelium ist so leicht verständlich, dass es selbst ein Kind verstehen kann“, etc. nicht ein eklatantes Übergehen von Aussagen in der Schrift, in denen „die Tiefen der Weisheit und Erkenntnis in Christus“ beschrieben werden (bspw. Kol 2:2-3) und damit möglicherweise ein Zeichen für Hochmut und fehlende Unterordnung unter Gottes Idee von Gemeinde (nach dem Motto: „Ich brauche niemand anderen, ich komme sehr gut und eigentlich viel besser allein zurecht. Dann widerspricht auch keiner… Verborgene Schätze in Christus? Kein Problem. Versteht jedes Kind.“)
Das ist keine pauschale Verteidigung aller Theologen, mir missfällt aber die oft geäußerte pauschale Ablehnung aller Theologen. (Bin selbst übrigens kein Theologe im Sinne eines theologischen Abschlusses, aber sehr wohl Theologe im Sinne eines Suchenden und Grabenden, der wachsen, reifen und mehr von unserem herrlichen Herrn Jesus sehen und über ihn staunen will.)
Generell ist ja auch nicht alles nur in einem – einfachen – Sinn zu verstehen, sonst wäre es ja unnütz, wenn der Psalmist (und auch diverse andere im AT betonen) sagt:
„Wohl dem, der nicht dem Rat der Frevler folgt und nicht auf den Weg der Sünder tritt, noch sitzt im Kreis der Spötter, sondern seine Lust hat an der Weisung des HERRN und sinnt über seiner Weisung Tag und Nacht. Der ist wie ein Baum, an Wasserbächen gepflanzt: Er bringt seine Frucht zu seiner Zeit, und seine Blätter welken nicht. Alles, was er tut, gerät ihm wohl.“ (Psalm 1-3)
Oder wenn Paulus in Galater 4, 21 beginnt über Sara und Hagar die Verheißung auszulegen und in die zeitgenössische Gegenwart verlagert. (Galater 4, 21-31)
Auch die Gleichnisse Jesu waren nicht ohne weitere Unterweisung zu verstehen, wie die Jünger bezeugen:
„Und als er in ein Haus hineinging, weg aus dem Gedränge, befragten ihn seine Jünger über das Gleichnis. Und er sagt zu ihnen: So seid auch ihr unverständig?“ (Markus 17, 1.H. 18)
Dem Heiligen Geist, der in uns wirken soll zum Verständnis…:
„Wenn er aber kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in der ganzen Wahrheit leiten; denn er wird nicht aus sich selbst reden, sondern was er hören wird, wird er reden, und was kommen wird, wird er euch kundtun.“ (Johannes 16, 13),
…müssen wir auch Platz geben, indem wir in „gottgefällig“ wandeln:
„Darum gilt, was der Heilige Geist spricht: Heute, da ihr seine Stimme hört, verhärtet euer Herz nicht wie beim grossen Aufbegehren am Tag der Versuchung in der Wüste“ (Hebräer 3, 7-8).
Generell soll der Heilige Geist uns ja in die Tiefe Gottes leiten, sodass wir über das „Einfache“ des Evangeliums hinaus verstehen und das Handeln, das wir tun sollen, erahnend verstehen können. Jesus sagt ja sogar explizit:
„Noch vieles hätte ich euch zu sagen, doch ihr könnt es jetzt nicht ertragen.“ (Johannes 16, 12)
Ich möchte dabei aber noch betonen, dass eine Vertiefung kein Ersatz bedeutet. Nichts wird unwahr, sondern besteht auch weiterhin gleichzeitig. So, das wars schon mit der gedanklichen Ergänzung.
Man kann die Bibelstellen verstehen UND man kann sie vertiefen, das ist der Sinn in einem Bibelkreis, weil jeder etwas anderes beizutragen hat, das wiederum führt zu einer Bereicherung und zu einem tieferen Verständnis.
In einem Bibelkreis gibt es unterschiedliche Menschen, jeder mit einer andern Sichtweise, einer lehrt gerne, ein anderer hört gern zu, der Nächste meckert rum und manche sind schon mit so manchem Bibelvers in ihrem Leben konfrontiert worden. Es gibt immer viel zu erzählen.
Totes Holz für tote Gemeinden!
Die einfachen Dinge stehen in der Schrift und werden und wurden auch von der Kirche, den Kirchen gelehrt. Das zum Thema Lehrer. Und freilich sind dabei auch Kinder gelehrt worden über die Grundlagen. Zudem sind die Tiefen der Weisheit in den Grundlagen durchaus verborgen.
Bei den Theologen ist eben zu unterscheiden, wo sie stehen, die heutigen, modernen taugen jedenfalls nichts und die anderen sind nur wenige im Verhältnis. Wenn jemand meint, je mehr ein Theologe oder Prediger spricht, desto mehr habe er begriffen, dann liegt er falsch.
Es gab in der Kirchengeschichte Menschen, die keine Theologen waren und trotzdem konnten sie andere lehren und das recht gut. Warum? Weil sie im heiligen Geist gelehrt haben und Gott näher gekommen sind als der Durchschnitt der Christen. Hier im Forum wurde schon des öfteren der evangelische Gerhard Tersteegen erwähnt, aber es gab auch noch andere.
Wer wie viele nur mit dem Kopf an die Bibel herangeht, der versteht vieles nicht und wenn er jahrelang studiert. Man sieht ja, was bei einem Herrn Zimmer und Co oft herauskommt. Diese Sorte von „Theologen“ meinen, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben und eine „unverstellte“ Lehre erfunden zu haben, die über allem steht, was bisher bekannt ist. Wenn ich da dagegen setze, was z.B. eines der Kinder von Fatima gesagt hat, dann muss ich sagen, diese „Theologen“ irren gewaltig. Mit noch so viel Studium und Geschichtskenntnis kann man Gott nicht begreifen, wenn die Gnade nicht unser Herz erreicht.
In der kath Kirche gab es vor Jahrzehnten einen Priester, der fast nie gepredigt hat, er hat nur die heilige Messe gelesen. Trotzdem kamen massenweise Menschen zu ihm, weil er auch viele Gaben des Geistes hatte, Heilungen usw. durch sein Gebete stattfanden, die Menschen zum Glauben kamen usw.
Wir leben in einer Zeit des grossen Glaubensabfalls. Man sieht das, wenn man nicht blind ist, hier schon in Deutschland an den beiden grossen Kirchen. Genau die Theologen haben mit zu dem Abfall kräftig beigetragen. Sicher gibt es unter den Theologen noch einige, die man ernst nehmen kann, aber viele kochen auch nur mit Wasser und sind geistlich gesehen, auch nicht schlauer als ihre Zuhörer. Soviel man mit dem Geist Gottes verbunden ist, so viel kann man geistlich reden, hat mal ein Mann gesagt, dessen Name mir jetzt gerade nicht einfällt und das stimmt auch. Man muss sich mit Jesus identifizieren, sein Blut geistlich trinken mehr und mehr, dann wird man mehr und mehr in Christus verwandelt. Eigentlich ganz einfach in der Theorie, nur wer macht das? Wie gesagt, da kann man von manchen Kindern sogar noch lernen. Einige waren weiter als viele alte Christen. Nur leider meinen viele, die heute lebenden hätten mehr zu sagen als manche Vorfahren. Die Evangelischen halten ohnehin so gut wie nichts von einigen ihrer Glaubensvorbilder, den Tersteegen haben sie schon zu seiner Zeit abgelehnt, denn Johannes Gommel ebenfalls.
Heinz, für deinen Beitag schäme ich mich für dich.
Und: Niemand hat im Zeugnis der Bibel unmündige Kinder etwas gelehrt.
Viele von uns wurden in unserer unmündigen Kindheit viel zu religiös gelehrt.
Zu oft tragisch. Oft war es Gehirnwäsche. Die Kinder wurden dadurch ihrer Unschuld beraubt, ohne selbst denken zu müssen und zu können.
Auch der Rest deines Textes hier ist lieblose Verleumdung.
Du bist damit nicht allein. Eine traurige „Verbrüderung“.
Dir schein es noch nicht vergönnt, dich konstruktiv einzubringen.
Ich bete für dich.
Du bist ein Psycho, der anderen Leute Dinge unterstellt, die sie gar nicht gesagt haben. Ja, wenn ein Mensch immer nur von sich selber ausgeht und auch kaum ein Unterscheidungsvermögen hat, dann kommt so ein Unfug heraus. Das hast du hier nicht des öfteren schon bewiesen.
Mein voriger Text hat einen Schreibfehler: es sollte heissen: die einfachsten Dinge stehen in der Schrift und wurden von der Kirche auch Kindern gelehrt. Das nur nebenbei für die anderen Leser.
Du hast keine zustimmenden Leser hier….
Wow… das ist krass… ich verstehe. Es geht gar nicht um ein brüderliches Ringen um die Wahrheit. Es geht um Rechthaberei. Dann war ich wohl zu naiv…
Ich nehme Hass in manchen Äußerungen wahr… das beunruhigt mich und macht mein
Herz traurig. Falls ihr euch gegenseitig solche Sachen schimpfen könnt, aber trotzdem meint, dass ihr Gott liebt, dann möchte ich mich mit ein paar Stellen aus dem ersten Johannesbrief aus der … (wie soll ich es nennen: Diskussion? Wenn es doch keine Diskussion ist?) ausklinken. Ich ermahne euch ernstlich, Brüder (falls ihr welche seid?!): Tut Buße!
Wer sagt, dass er im Licht sei, und hasst seinen Bruder, ist in der Finsternis bis jetzt. Wer seinen Bruder liebt, bleibt im Licht, und nichts Anstößiges ist in ihm. Wer aber seinen Bruder hasst, ist in der Finsternis und wandelt in der Finsternis und weiß nicht, wohin er geht, weil die Finsternis seine Augen verblendet hat. (2:9-11)
Hieran sind offenbar die Kinder Gottes und die Kinder des Teufels: Jeder, der nicht Gerechtigkeit tut, ist nicht aus Gott, und wer nicht seinen Bruder liebt. (3:10)
Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat. Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott, und hasst seinen Bruder, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er gesehen hat, kann nicht Gott lieben, den er nicht gesehen hat. Und dieses Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, auch seinen Bruder lieben soll. (4:19-21)
Es geht hoch her hier.
Vermon McGee, der die Reihe „Through the Bible“ gemacht hat, sagte einmal sinngemäß, dass jeder die Bibel mit Gewinn lesen kann und das Evangelium erkennt, egal ob Maurer oder Professor (das war keine Abwertung irgendeines Berufes!). Damit ist schon mal das Wichtigste festgestellt.
Trotzdem kann und sollte man anerkennen, dass einige Menschen aufgrund Ausbildung, Geistbegabung usw. an manchen Stellen tiefere Einblicke gewinnen können. Beispiel: ein Judaistik-Student erzählte uns im Hauskreis, dass das Wort für „Erlösung“ bis auf drei Stellen im AT falsch geschrieben worden ist. In den drei Stellen ging es um die „perfekte“ Erlösung durch den kommenden Messias. Wußte ich nicht, ich kann leider kein Hebräisch, geschweige denn die Rechtschreibung. Es gibt Autoren, die die Stiftshütte auslegen können mit nachvollziehbaren Begründungen als Abschattung von Jesus. Ich kann das nachvollziehen, aber ich hätte das nicht selbst erarbeitet bekommen. Einige Leute haben einen tiefen Zugang zu den Offenbarungen, und auch wenn ich nicht mit allen Auslegungen einverstanden bin, eröffnen diese mir eine bislang unbekannte Tiefe der Schrift. Usw. usf.. Schlichtweg hat Gott in seiner Gemeinde die Geistesgaben so verteilt, dass manche Leute zur Erbauung und Stärkung des Glaubens / zur Verdeutlichung des Evangeliums hervorragende Auslegungen abliefern können.
Und so gibt es eine Reihe Leute, die dank ihrer Erkenntnisse und Kenntnisse die Glaubwürdigkeit der Schrift für mich stärken können. Wenn ich den Heilsplan Gottes aus der Stiftshütte (und vielen anderen Bibelstellen) herauslesen kann, jede Farbe, jedes Gerät hat da seine symbolische Bedeutung, und finde diesen Heilsplan dann in Jesus erfüllt: grandios, wie „rund“ die Bibel ist über 40 Autoren, 66 Bücher und mehrere tausend Jahre.
Es tut mir leid für jeden, der dazu nicht den Zugang findet oder finden will, denn demjenigen entgeht eine Menge Schönheit in Gottes Wort und eine Konsistenz, die mit menschlichem Vermögen der Autoren nicht erklärbar ist.
—Trotzdem kann und sollte man anerkennen, dass einige Menschen aufgrund Ausbildung, Geistbegabung usw. an manchen Stellen tiefere Einblicke gewinnen können.—
Und doch sollte man nicht vergessen, das die tiefsten Einblicke im Wort Gottes jedem Menschen, der danach sucht, nicht verborgen bleiben.
Es geht nicht allein darum historische Fakten zu analysieren, die natürlich auch gut sind, aber das Wort Gottes ist die Sprache des Lebens und die persönliche Begegnung mit Gott.
97) Wie habe ich dein Gesetz so lieb! Täglich sinne ich ihm nach.
98) Du machst mich mit deinem Gebot weiser, als meine Feinde sind, denn es ist ewiglich mein Schatz.
99) Ich habe mehr Einsicht als alle meine Lehrer, denn über deine Mahnungen sinne ich nach.
100) Ich bin klüger als die Alten, denn ich halte mich an deine Befehle.
101) Ich verwehre meinem Fuß alle bösen Wege, damit ich dein Wort halte.
102) Ich weiche nicht von deinen Ordnungen, denn du lehrst mich.
103) Dein Wort ist meinem Munde süßer als Honig.
104) Dein Wort macht mich klug, darum hasse ich alle falschen Wege.
105) Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.