Es hätte alles so schön sein können. Der Traum, zwischen grünen Hügeln und saftig weichem Gras aufzuwachsen, die nackten Fußsohlen der Nachkommen sollten über Moosflächen gleiten. “Zurück zur Natur – pur”, sie hatten sich ausgemalt, wie schön alles sein könnte, schwebten in Hängematten aus Bast über dem Altar ihrer von der Sonne erhitzten Opfersteine.
Nun sitzend auf den Baumstümpfen der abgestorbenen Träume, denn sie hatten einen Naturgarten gepflanzt und eingesät – hier wollten sie schalten und walten, wollten Teil des großen Ganzen sein, harmonisch eingepasst – doch die Erde gab keine Frucht – stattdessen Dornen, Disteln und weit und breit kein Wasser.
Gott führte sie hinaus in die Wüste, sie schrien Mose an: Willst du, dass wir hier sterben, sollen wir hier alle umkommen?
Ein glücklich verheiratetes Paar, ihre gegenseitige Zuneigung fand Ausdruck in hingebungsvollen Tänzen, die sie bis in die Abendsonne hinein zelebrierten – faszinierend anmutige, syncron erfolgende Schritte – während vom linken Mittelfußknochen des Ehegatten ein mikrokleiner Knochensplitter absprang und beim Aufsetzen des Standbeins zu Verdruss führte. Man kam nicht umhin – leider musste zuerst der Fuß, dann das halbe Bein…..
Ich sandte ihnen Heuschrecken, er wollte nicht hören. Dann verdunkelte ich die Sonne drei Tage lang, er überhörte, erst als der erstgeborene Sohn starb, lies er mein Volk ziehen.
Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.
Ich habe dich aus Ägypten gerufen.
Kommt her zu mir alle ihr Mühseligen und Beladenen, jawohl, ich will euch erqicken.
Alles ist gut mit dem Kind. Er trinkt so quietschvergnügt, schmatzt mit seinen rosa Wangen. Schläft viel und wenn er wach ist, ruht Wohlwollen auf dem kleinen Proppen. Ein neugeborener mehrmonatiger Säugling. (Du gibst ihm deine Liebe, er ist der Grund deiner Freude.) Du wirst mit dem Kinderwagen über Schotterwege fahren, durch Wiesen, wirst mit ihm auf Spielplätzen knien und ihn an der Hand nehmen, zur Schule bringen, wo er das erste Mal Zahlen, Buchstaben, Lehrer und Schultafeln sieht. Du wirst ihn voller Stolz und Freude wieder abholen. Seine Freunde sind deine Freunde, sein Wohlergehen betrifft dich ganz direkt, wenn es ihm schlecht geht, wird es dir schlecht gehen, wenn er leidet, wirst du krank, so krank. Zuerst nur Kopfschmerzen, dann stechende Migräne, darniederliegend, die Diagnose.
Ich habe sie vertrieben aus dem Paradies. Verlasst das Paradies! — nicht, dass sie noch ewig leben.
Im Schweiß deines Angesichts wirst du arbeiten, verflucht sei der Acker um deinetwillen.
Auf dem Weg zur Arbeit in der S-Bahn: Halbwegs gut angezogen. Bei diesem Job macht man sich nicht körperlich kaputt, sondern verdient sein Geld mit Kaufoptionen. Die Verkaufsorder wird scharf gestellt, und sollte der Verkauf stattfinden, hat man gutes Geld verdient. Ein guter Deal bringt mehr als fünf Wochen Hilfsarbeiten irgendwo am Fließband hinter dem Schatten des Vorarbeiters. Solch ein Job gibt finanzielle Freiheit, wenn man sich das nötige know how angeeignet und sich freigestrampelt hat. Man macht nicht mehr die Fehler der Anfänger, tappt nicht in die aufgestellten Teerlöcher, vermeidet tunlichst die Blankoschecks, die allgegenwärtigen Fallen, die phishing mails der Betrüger, der auflauernden Abfrager, die scheinbar nur so fragen: Und wie läufts bei dir heute so?
Sie sind neidisch auf dein kleines, süßes hübsches Mädchen, auf deine Lady, wusstest du das?
Deine Frau ist ausgesprochen hübsch, sie ist wunderschön. Sie hat blonde, lange Haare und in ihren Augen schwimmst du wie in einem See, ihre Arme um deine Schultern, du spürst das Gewicht auf deinen Schultern und den Geruch und den Mund, der dich küsst, der nur dich küsst, du kannst sie nie wieder vergessen, deswegen hast du sie geheiratet, dass sie dir für immer gehört – doch
ein plätschernder Gebirgsbach lenkt dich ab, du schaust hin, tatsächlich ein wunderschöner Gebirgsbach, Steinchen werden mit ihm herabgetrieben. Es ist Romantik pur, schönste Natur, Schmetterlinge, Geröll, Steinschlag, in den Bergen gibt es immer wieder Steinschlag und der Bach schwillt manchmal etwas an.
Wir trauern um unseren lieben Freund, Mann, Bruder, Vater, Sohn.
Sie versicherten mir, dass es nichts Schlimmeres gäbe, als das eigene Kind zu verlieren. Der Sohn. Gesundheit sei das Allerwichtigste, war ihre Predigt gewesen.
Ihre Hände glitten an den runden Steinen entlang, so begutachteten sie die Findlinge und fühlten an ihnen entlang. Sie wogen die Erde mit ihren Händen und ließen die kostbaren Krumen durch die Finger zu Boden rieseln. Darauf wuchsen Grünkohl, Weißkohl, Bohnengemüse, Wirsing, Rhabarber, Disteln, Mais, Weizen, Hafer, Vollkorn, sie brauten daraus Bier, produzierten Laibe Brot, Haferfladen, ihre Hände färbten blau vom Saft der Heidelbeeren, die sie kniend ernteten, naschten und in die Vorratskammern schafften. Ihre Speicher waren voll, die Tiefkühltruhen zogen den Strom, auf dem Buffet eine überquellende Auslage von Früchten, Bananen, Salate, Desserts mit kleinem Aperitif, Liebling ich nehm´ mir hier was, hast du schon mal das hier probiert?
Er hatte den Schieberegel geöffnet. Er arbeitete tief unten und hatte an dem Regler gezogen, der ein kleines Loch freigibt, das die Fundamente zum Einsturz bringen wird.
Liebling, wir haben uns das doch alles so lange verdient, wir haben so viel dafür gearbeitet, so viel dafür gegeben, lass uns doch mal eine Zeitlang einfach nur genießen und schauen, was wir alles geschafft haben. Bitteschön – Anmerkung des Autors – so gönne es ihnen doch – diese Erde könnte ein Paradies sein, ein Himmel auf Erden, wenn es nicht die Erde wäre.
Von Erde bist du genommen, zu Erde sollst du werden. Mein Geist soll nicht ewig im Menschen wohnen. Kommt her zu mir, die ihr mühselig und stark mit Lasten bedrückt seid.
Ich will dich erquicken
Aber ich habe doch diese neue Feng Shui Massage, dieses Entspannungsprogramm, diese Lichttherapie, diese Meditation, dieses Seelenwärmprogramm.
Im Anfang war das Wort,
und das Wort war bei Gott,
und Gott war das Wort.
Dasselbe war im Anfang bei Gott.
Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht,
und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.
In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.
Lutherbibel 2017
Dieser Blog-Beitrag von Rolf Oetinger erschien zuerst auf jesus-blog.de . Lies hier den Original-Artikel "Ins Paradies".