Ich rege mich gerade wieder über die neue Luther-Übersetzung auf. Anlass dieses Mal: Joh 13,2. Luther 1984: „Und beim Abendessen“. Luther 2017: „Und nach dem Abendessen“. Ich stutze, denke „Moment, wie kann denn das sein? Hat die alte Lutherübersetzung da so ungenau gearbeitet?“ und schaue ins griechische Neue Testament – wo eindeutig steht: „kai deipnou ginomenou“. Und das kann entweder heißen „als das Mahl stattfand“ oder auch „als das Mahl kam“, aber ganz sicher nicht „nach dem Mahl“. Das weckt eine falsche Vorstellung von dem Geschehen, die auf Grund von Joh 13,26 (da essen sie noch) eigentlich widersprüchlich ist. Also Preisfrage: Wie kam die Übersetzungskommission zu dieser eindeutigen Textverschlechterung? Die Antwort liegt (leider) auf der Hand, und sie erschöpft sich nicht darin, dass Luther 1545 ebenfalls „nach dem Mahl“ geschrieben hatte. Denn es gibt eine These in der der Historisch-kritischen Exegese dazu. Demnach habe Johannes das Abendmahl gar nicht gekannt, zumindest nicht im Zusammenhang mit dem letzten Mahl Jesu mit seinen Jüngern. Stattdessen habe er an dieser Stelle ein anderes sakramentales urchristliches Mahl eingeführt, in dem der Gedanke der „Sozialpräsenz“ (statt der „Realpräsenz“ in, mit und unter den Elementen von Brot und Wein) leitend gewesen sei (z.B. Gerd Theissen u.a.: Der historische Jesus, 3. Aufl. 2001, S. 369). Zu dieser These gäbe es sicherlich einiges zu reden; es gibt nämlich auch andere Erklärungen, warum Johannes die Einsetzung des Abendmahles an dieser Stelle weggelassen hat und stattdessen die Fußwaschung bringt. Was ich aber extrem bedenklich finde, ist, was die Übersetzungskommission der Luther-Bibel an dieser Stelle gemacht hat. Sie hat nämlich die Übersetzung an eben diese (steile) These angeglichen. Die Luther-Übersetzung schreibt also entgegen dem eindeutigen sprachlichen Befund „nach dem Mahl“, um die Textstelle neben Luk 22,20 und 1 Kor 11,25 zu stellen, obwohl dort steht: „meta to deipnäsai“, also „nach dem Mahlhalten“, um die These zu untermauern, dass Johannes hier ein „replacement“ vollzogen habe (das ist mein Rückschluss, den ich aus dieser ansonsten unverständlichen Textänderung ziehe). Dafür kann man sich dann schön hinter der Lutherübersetzung von 1545 verstecken. Könnt Ihr nachvollziehen, dass mich so etwas wirklich verärgert? Für mich fällt die Rückkorrektur des Textes zu einem offensichtlichen Fehler unter den Begriff „Textfälschung“. Dieses Beispiel ist auch nur eine von mehreren Stellen in dieser gründlich missratenen Übersetzung, in der eine historisch-kritische theologische Vorstellung die Übersetzung maßgeblich beeinflusst und so den deutschen Bibeltext an die vorherrschende Theologie angepasst hat. Es gibt, so meine These, immer Gründe dafür, warum die Übersetzungskommission sich für eine uralte Luther-Formulierung entscheidet, obwohl diese sprachlich fehlerhaft ist. Ein weiteres prominentes Beispiel dafür findet sich in meinem Buch „Tief verwurzelt glauben“ S. 350 Fußnote 377. So wird Vertrauen in die biblische Überlieferung zerstört! Mein Tipp: Immer eine andere Übersetzung neben die Luther 2017 halten. Oder die Luther 1984 weiterverwenden, die um vieles besser war.