und warum sie in der Praxis auf Dauer nicht funktionieren (können)
Ist Einheit zwischen Evangelikalen und Postevangelikalen möglich? Fakt ist: Die theologischen Differenzen zwischen Evangelikalen und Postevangelikalen sind oft grundsätzlicher Natur. Sie betreffen den innersten Kern des Evangeliums und die zentralen, verbindenden Merkmale der weltweiten evangelikalen Bewegung.[1] Es ist deshalb nicht überraschend, dass die Ausbreitung postevangelikaler Theologie im allianzevangelikalen Umfeld in der Praxis oft nicht zu fröhlicher Vielfalt führt, sondern eher zu wachsender Entfremdung, zu Streit und Spaltung[2] oder zur schrittweisen Verdrängung evangelikaler Überzeugungen.
Dennoch höre ich seit Jahren: Einheit zwischen Evangelikalen und Postevangelikalen sei trotzdem möglich. Mehr noch: Es sei unsere Pflicht, diese Einheit anzustreben! Die Vorschläge, wie das trotz der grundlegenden Differenzen gelingen soll, klingen immer wieder ähnlich. Die 6 verbreitetsten Vorschläge zum Brückenbau zwischen Evangelikalen und Postevangelikalen beschreibt dieser Artikel. Und er gibt Hinweise, warum sie in der Praxis oft so wenig funktionieren – und warum sie auf Dauer kaum erfolgversprechend sind.
1. Der pragmatische Ansatz: Lasst uns lieber miteinander evangelisieren und Gemeinde bauen, statt über theologische Themen zu streiten!
Dieser Vorschlag packt uns Evangelikale an einer Stelle, an der wir ganz besonders zugänglich sind. Mission, Evangelisation und Gemeindebau war schon immer unser großes Herzensanliegen. Sollte es uns nicht tatsächlich am wichtigsten sein, einfach Menschen gemeinsam für Jesus zu gewinnen? Und hat Jesus uns nicht gelehrt, dass unsere Einheit eine entscheidende Basis für die Glaubwürdigkeit unseres Zeugnisses ist (Johannes 17, 21-23)? Wer von uns wollte schon schuld daran sein, dass Menschen Jesus nicht begegnen, weil wir mit theologischen Debatten beschäftigt sind? Niemand.
Aber das Problem an diesem Vorschlag ist: Wie sollen wir gemeinsam evangelisieren, wenn wir keine gemeinsame Evangeliumsbotschaft haben? Während das stellvertretende Sühneopfer für Evangelikale klar im Zentrum des Evangeliums steht,[3] wird es im Umfeld von liberaler, progressiver und postevangelikaler Theologie weithin bezweifelt, subjektiviert oder offen abgelehnt. Zugleich geht man dort vielfach davon aus: Gott offenbart sich auch in anderen Religionen. Und am Ende zieht er alle Menschen zu sich – unabhängig von ihrem Glauben und ihrer Religion.[4] Ziel von „Mission“ ist daher eher ein Gesinnungswechsel für mehr Mitmenschlichkeit[5] und die Transformation der Gesellschaft statt die rettende Bekehrung und Wiedergeburt der Herzen.[6] Wenig überraschend ist deshalb, dass „die wenigsten innovativen missionarischen Projekte aus dem Bereich der Großkirchen kommen“.[7] Die gähnend leeren Kirchen sind die zwangsläufige Konsequenz. Die evangelische Kirche unterstreicht somit auf traurige Weise: Wer auf die missionarische Praxis fokussiert, ohne dabei die theologischen Grundlagen für diese Praxis hochzuhalten, bei dem geht am Ende beides verloren: Die Praxis und die Einheit.
2. Der christuszentrierte Ansatz: Unsere verbindende Mitte ist kein Dogma sondern die Person Jesus Christus!
Auch dieser Vorschlag klingt für Evangelikale naheliegend. Kein Evangelikaler würde sich dagegen wenden, dass der lebendige, auferstandene Christus die Mitte und das verbindende Haupt der Gemeinde Jesu ist. Unsere Verbindung mit ihm besteht nicht nur in einem rationalen Fürwahrhalten biblischer Lehrsätze. Evangelikale sind überzeugt: Der lebendige Christus ist in unserer Mitte! Im Gebet sind wir ihm nahe. Was könnte uns mehr miteinander verbinden als die gemeinsame Begegnung mit unserem auferstandenen Herrn? Wer will denn mitten in der staunenden Anbetung noch Diskussionen über das richtige Bibelverständnis anfangen? Niemand.
Aber das Problem an diesem Vorschlag ist: Die Theologie hat eine Unzahl an verschiedenen, oft gegensätzlichen Christusbildern hervorgebracht. Verbinden kann uns aber nur der eine lebendige Christus, der tatsächlich existiert. Um verstehen zu können, wer dieser reale Christus wirklich ist, was er lehrt und was er am Kreuz und an Ostern für uns getan hat, haben wir nur genau eine einzige Informationsquelle: Die Bibel. Wenn der Christusbegriff von der biblischen Offenbarung getrennt wird, dann wird er zur Hülse, die jeder beliebig füllen kann – der uns aber nicht mehr miteinander verbindet. In meiner Kirche erlebe ich zudem: Je beliebiger das Bild von Christus wird, umso mehr schläft auch die Anbetung ein. Dann verliert die Kirche ihre Mitte – und damit auch ihre Einheit.
3. Der diplomatische Ansatz: Wir sollten auf die Gemeinsamkeiten statt auf die Differenzen schauen!
Dieser Vorschlag weckt die Hoffnung: Wenn wir uns auf die Dinge konzentrieren, die wir immer noch gemeinsam sagen und bezeugen können, dann werden die Differenzen mit der Zeit immer weniger wichtig. Wenn wir die konfliktträchtigen Themen aus dem Zentrum rücken oder am besten gar nicht ansprechen, dann streiten wir auch nicht. Dann können wir unsere Kraft und Energie für Konstruktiveres einsetzen als für Debatten, die womöglich in Streit und Spaltungen münden. Das klingt gut. Niemand von uns hat Zeit und Kraft für überflüssige Konflikte übrig.
Aber das Problem an diesem Vorschlag ist: Die Differenzen verschwinden nicht, indem wir sie unter den Teppich kehren oder verschleiern durch gemeinsame Begriffe, die wir aber ganz unterschiedlich füllen. Spätestens im (g)rauen Gemeindealltag kommen sie wieder mit voller Wucht auf den Tisch, und zwar spätestens dann, wenn wir uns entscheiden müssen: Trauen wir in unserer Gemeinde gleichgeschlechtliche Paare oder nicht? Geben wir ihnen Leitungsverantwortung oder nicht? Lehren wir unsere Jugendlichen, dass sie ruhig schon vor der Ehe Sex haben können oder nicht? Es sind gerade auch die Progressiven, die bei solchen Themen oft keinerlei Kompromissmöglichkeiten sehen, weil sie sie die konservative Position für lieblos und diskriminierend halten.[8] Und für die theologischen Differenzen zum Evangelium gilt: Wer sie kleinredet oder verschweigt, vermeidet vielleicht den Streit. Aber die Entfremdung findet trotzdem statt. Und jeder Paarberater weiß: Wo nicht mehr gestritten wird, da ist die Ehe tot. Je eher wir uns offen und ehrlich den (potenziellen) Konfliktthemen stellen, umso größer ist die Chance, dass wir belastbare und praxistaugliche gemeinsame Wege zur Einheit finden – oder uns respektvoll und geordnet in Liebe einander loslassen, wenn offenkundig die gemeinsame Grundlage fehlt.
4. Der entwaffnende Ansatz: Wir beziehen uns doch alle auf die Bibel, wir legen sie nur unterschiedlich aus!
Dieser Vorschlag packt uns bei der Tatsache, dass niemand von uns einen absolut objektiven Zugang zur Bibel hat. Jeder liest und versteht die Bibel durch die Brille seiner persönlichen Biografie und Prägung. Wer das leugnet und behauptet, die tatsächliche Aussageabsicht der Bibel durchgängig genau zu kennen, ist entweder naiv oder arrogant. Wir Christen sind zur Demut aufgerufen. Kann ich dem Heiligen Geist nicht zutrauen, dass er anderen Menschen ganz andere Dinge aus der Bibel heraus wichtig macht als mir? Ja, das kann ich.
Aber das Problem an diesem Vorschlag ist: Er ignoriert die entscheidende Frage nach dem Bibelverständnis. Wer dem biblischen Selbstanspruch nicht glauben kann, Offenbarung Gottes und damit höchste Autorität zu sein,[9] nimmt der Bibel ihre Kraft, der Christenheit eine verbindende gemeinsame Grundlage zu geben. Dann gibt es zunehmend nur noch persönliche Wahrheiten (Du hast Deine Wahrheit und ich habe meine Wahrheit), aber immer weniger, was man ganz selbstverständlich miteinander feiern, besingen und bezeugen kann. Luther sprach nicht umsonst davon, dass allein die Schrift herrschen soll. Und er ging von der Klarheit der Schrift aus, das heißt: Für ihn waren die wesentlichen biblischen Aussagen so eindeutig, dass er damit die Lehren seiner Zeit prüfen und ihnen auf biblischer Basis widersprechen konnte. Für ihn war klar: Nur als verlässliche und verständliche Offenbarungsquelle kann die Bibel eine „normierende Norm“ sein und der Kirche Orientierung, Profil und eine feste gemeinsame Hoffnung geben. Auf diese Grund-legende biblische Offenbarungsquelle ist die Kirche Jesu auch heute angewiesen. Es ist deshalb kein Beitrag zur Einheit, den Offenbarungscharakter der Bibel (wie ihn z.B. die evangelische Allianz bekennt[10]) für nebensächlich zu halten.
5. Der seelsorgerliche Ansatz: Wir sollten einander den Glauben glauben!
Dieser Vorschlag packt uns bei einer Warnung, die im Neuen Testament weit verbreitet ist: Richtet und verurteilt einander nicht. Seid nicht hochmütig. Nehmt einander an, wie Christus uns angenommen hat – nämlich als wir noch verirrte Sünder waren. Wir sind alle fehlerhaft und leben aus der unverdienten Gnade Gottes. Ist es nicht lieb- und herzlos, jemand anderem abzusprechen, dass auch er von Herzen Jesus folgen will und die Bibel wirklich so versteht, wie er sie nun einmal versteht? Und schaden wir uns mit dieser Lieblosigkeit nicht auch selbst? Steckt nicht in jedem Hinweis auf falsche Lehre bei Anderen die Versuchung, ein arroganter, unbarmherziger Richter und Machtmensch zu werden? Ja, das ist ohne Zweifel so.
Aber das Problem an diesem Vorschlag ist, dass er zwei völlig verschiedene Ebenen durcheinanderwirft: Die Haltung eines Menschen. Und der Inhalt seiner Botschaft. Niemand von uns hat das Recht, einem Menschen niedere Motive oder einen schlechten Charakter zu unterstellen, weil er Zigaretten raucht. Aber wenn dieser Mensch die These verbreitet, dass Rauchen harmlos sei und nicht süchtig macht, dann müssen wir das richtigstellen – auch wenn er ehrlich überzeugt davon ist. Denn sonst wären wir mitverantwortlich dafür, wenn Andere süchtig und krank werden. Keine Gemeinschaft kann auf Dauer nach dem Motto leben, dass nur die Haltung und nicht der Inhalt zählt – auch nicht die Kirche Jesu. Zwar steht es keinem Menschen zu, sich ein abschließendes Urteil über die Haltung, das Heil und die Motive anderer Menschen zu bilden. Gott allein ist der Richter! Nur er kann in die Herzen schauen. Das entbindet uns aber nicht von der Aufgabe, die Inhalte der Botschaft von anderen Menschen anhand des biblischen Maßstabs zu beurteilen. Das Neue Testament fordert uns auf: Prüft alles! Es lobt Christen, die falsche Lehre zurückweisen.[11] Es ist nicht lieblos, auf inhaltliche Widersprüche zu Gottes Wort und Gebot aufmerksam zu machen, im Gegenteil: Wenn bei uns alles vertreten werden darf, solange man es nur authentisch tut, dann verlieren wir die gemeinsame Grundlage unseres Glaubens.
6. Der Rat des Gamaliel: Wir müssen nichts tun! Mit der Zeit werden sich die Konflikte ganz von selbst beruhigen!
Dieser Vorschlag, der sich an Apostelgeschichte 5, 33-42 orientiert[12], wirkt reif und souverän: Du musst Dich nicht verkämpfen! Gott ist in Kontrolle. Wenn Du recht hast mit Deiner kritischen Einschätzung, dann wird das mit der Zeit am ausbleibenden Segen von selbst sichtbar werden. Also reicht es, wenn Du mit Gott im Gebet darüber sprichst. Die Wahrheit und die Bibel muss nicht verteidigt werden. Das kann sie schon selbst. Dieser Vorschlag wirkt auf mich persönlich besonders attraktiv. Ich bin ein Harmoniemensch. Es kostet mich immer viel Überwindung, Anderen zu widersprechen. Wieviel Zeit und Nerven könnte ich sparen, wenn ich die Entwicklungen einfach Gott überlasse!
Aber das Problem an diesem Vorschlag ist: Er hat kein Fundament, weder in der Bibel noch in der Kirchengeschichte. Quer durch die Bibel kümmert Gott sich nicht einfach selbst um die falschen Lehren, Lehrer und Propheten. Immer wieder schickt er Menschen, um ihnen zu widersprechen. So schreibt Paulus an Timotheus: „Verkündige das Wort ‹Gottes›! Tritt dafür ein, ob es den Leuten passt oder nicht. Rede ihnen ins Gewissen, warne und ermahne sie! Verliere dabei aber nicht die Geduld und unterweise sie gründlich! Denn es wird eine Zeit kommen, da werden sie die gesunde Lehre unerträglich finden und sich Lehrer nach ihrem Geschmack aussuchen, die ihnen nur das sagen, was sie gern hören wollen.“ (2. Tim. 4, 2-3) Von Zurückhaltung keine Spur. Paulus scheut sich nicht einmal, dem Kirchenleiter Petrus öffentlich zu widersprechen, wenn dieser sich nicht evangeliumsgemäß verhält. Auch die frühen Kirchenleiter mussten intensiv gegen falsche Lehre vorgehen. Es hätte keine Reformation gegeben, wenn Luther nicht so klar und pointiert gegen falsche Lehre aufgetreten wäre. Die Kirchengeschichte zeigt zudem: Falsche Lehren verschwinden nicht einfach von selbst. Sie haben sich oft jahrhundertelang gehalten, zahllose Menschen irregeführt und ganze Werke und Denominationen zerstört. Die gemeinsame, verbindende Lehrgrundlage der Kirche war schon immer umkämpft. Sie musste zu allen Zeiten gegen Widerspruch verteidigt werden. Auch heute noch brauchen wir den Mut, falsche Lehre im geeigneten Rahmen öffentlich anzusprechen – liebevoll, demütig, differenziert, informiert und klug, aber so klar, dass Menschen und Gemeinden sich orientieren können. Nur so können wir die gemeinsame Grundlage unseres Glaubens und unserer Einheit bewahren.
Das Grundproblem: Einheit auf Kosten der Wahrheit zerstört die Einheit
Letztlich haben alle sechs Vorschläge das gleiche Problem: Unsere bisher verbindlichen und damit verbindenden Glaubensfundamente gelten nicht mehr objektiv für alle, sondern sie werden zu randständigen und subjektiven Wahrheiten herabgestuft. Die „Einheit“, die man auf diese Weise gewinnen kann, muss folglich auf andere Faktoren als das gemeinsame Bekenntnis setzen: Gemeinsame Traditionen, gemeinsame Frömmigkeitsformen, gemeinsames Vokabular und gemeinsame Institutionen. Tatsächlich können evangelikal geprägte Formate (Gemeinden, Bünde, Werke, Kongresse, Medien, Ausbildungsstätten …) durchaus lange davon zehren, dass man zusammen die gleichen Lieder singt, die gewohnten Begriffe benutzt und sich in langjährig gewachsenen Institutionen und Veranstaltungen trifft. Das Problem ist nur: Brücken ohne gemeinsame Bekenntnisgrundlage haben ein eingebautes Verfallsdatum. Denn früher oder später wirkt sich die unterschiedliche Theologie auch auf die Formen, die Lieder, die Strukturen und das Vokabular aus (man denke nur an die Gendersprache[13]). Und dann gibt es gar keine gemeinsame Grundlage mehr.
Und was noch schlimmer ist: Brücken ohne gemeinsame Bekenntnisgrundlage senden das Signal, dass die Bekenntnisse für uns nicht verbindlich sind. Das zerstört die Vertrauensgrundlage für die Einheit mit all den Gruppen, mit denen wir auch bisher schon ausschließlich durch das gemeinsame Bekenntnis verbunden waren.Gerade das ist ja das zentrale Erfolgsgeheimnis der Evangelikalen: Sie bilden eine weltweite und kulturübergreifende Bewegung, obwohl sie über kein gemeinsames Lehramt, keine gemeinsamen Traditionen, Institutionen, Prägungen und Strukturen verfügen. Diese einzigartige Einheit in Vielfalt kann nicht bestehen, wenn die verbindenden Bekenntnisgrundlagen zerfallen, die sich aus den zentralen und klaren Aussagen der Heiligen Schrift ergeben.[14] Brückenbau über Bekenntnisgrenzen hinweg führt also immer dazu, dass zugleich bestehende Brücken geschwächt oder eingerissen werden. Wir sollten deshalb aufhören, solche Bestrebungen als Brückenbau zu feiern. Echter Brückenbau und echter Einsatz für Einheit in Vielfalt muss immer auch die Stärkung und Verteidigung unserer verbindlichen und verbindenden Bekenntnisgrundlagen beinhalten. Ansonsten kaschieren wir nur unsere Probleme, die dann im Hintergrund umso ungehinderter wuchern können.
Warum Haltung trotzdem wichtig ist
Obwohl ich diese 6 Vorschläge also für wenig zielführend halte, erkenne ich in ihnen trotzdem wichtige Wahrheiten, die wir unbedingt bedenken sollten:
- Eine Theologie, die nicht in eine gesunde Praxis führt, ist offenkundig ungesund.
- Ein rationales Fürwahrhalten von Dogmen ohne die gelebte Liebe zum lebendigen Christus führt nicht zu echter Herzenseinheit.
- Gelassenheit und Weite bei Rand-, Kultur- und Prägungsfragen ist eine ebenso wichtige Tugend wie die Wahrung unserer verbindenden Bekenntnisgrundlagen.
- Unsere Bibelauslegung bleibt fehlerhaft und unvollständig. Deshalb bleiben wir angewiesen auf die große Auslegungsgemeinschaft der historischen und weltweiten Kirche.
- Die Liebe glaubt und hofft immer (1. Kor. 13,7). In einer von Misstrauen und Skepsis geprägten Kultur kann nichts Gutes gedeihen.
- Bei allem aktiven Einsatz für eine gesunde Kirche brauchen wir zugleich die Gelassenheit, dass am Ende Gott selbst das allein Entscheidende tut.
Wir dürfen niemals vergessen: Widerspruch gegen falsche Lehre beinhaltet immer auch eine große Versuchung: So leicht fangen wir an, uns innerlich über andere zu stellen. So schnell bauen wir uns eine Identität aus dem Rechthaben, statt unseren Wert in Christus zu haben. So leicht lassen wir es zu, dass Widerspruch uns zynisch, verurteilend und bitter macht. Debatten und Konflikte sind manchmal notwendig. Aber es ist eine anspruchsvolle Aufgabe, unser Herz dabei rein, weich und korrigierbar zu halten. Nicht selten verstecken sich ganz menschliche Abgründe hinter theologischem Streit. Gesunde Lehre muss eingebettet sein in einen Lebensstil des Gebets, in die gelebte Liebesbeziehung zu Jesus Christus, in eine echte Liebe zu den Menschen, egal ob sie uns zustimmen oder nicht.
Auf dem Weg zur Einheit, für die Jesus gebetet hat, haben wir alle noch viel zu lernen. Lasst uns gemeinsam beides tun: Die gesunde, verbindende Lehrgrundlage der Kirche Jesu hochhalten – und zugleich herunterkommen vom hohen Ross unserer Selbstgerechtigkeit. Unsere Hoffnung ist und bleibt Christus allein. Denn Einheit können wir nicht machen. Er selbst ist es, der die Glieder seines Leibes miteinander verbindet (Eph. 4, 15-16), durch sein Wort und seinen Geist. Ich sehne mich so sehr danach, dass diese christusgewirkte Einheit wächst – und dadurch ein Stück Himmelreich auf Erden sichtbar wird.
Fußnoten:
[1] Die 4 zentralen und verbindenden Merkmale der evangelikalen Bewegung sind gemäß dem Historiker D. Bebbington: Die Betonung der völligen Vertrauenswürdigkeit der Bibel, die Zentralität des Versöhnungswerks Christi am Kreuz durch seinen stellvertretenden Opfertod, die Notwendigkeit einer persönlichen Bekehrung und der aktive Einsatz aller Christen für die Ausbreitung des Evangeliums. Alle diese Merkmale werden im postevangelikal/progressiven Umfeld hinterfragt oder offen abgelehnt: Die Autorität der Schrift (blog.aigg.de/?p=6707), der stellvertretende Opfertod Jesu (blog.aigg.de/?p=3887), die Notwendigkeit der Bekehrung (siehe Fußnote 4), und der Einsatz für Mission (siehe die Fußnoten 5 und 6).
[2] So schreibt z.B. Ulrich Eggers in der Zeitschrift AUFATMEN: „Wir alle merken: Gemeinsam – das fällt in diesen Zeiten, in denen sich viele gewachsene Traditionen auflösen, selbst Einheits- oder Allianz-gewillten Christen zunehmend schwer! … Zunehmend zieht Misstrauen und Entfremdung ein, bedroht Einheit – und damit auch die gemeinsame Arbeitsplattform für missionarische Bewegung.“
[3] So bekennt z.B. die deutsche evangelische Allianz in ihrer Glaubensbasis: „Jesus Christus, der Mensch gewordene Sohn Gottes, ist stellvertretend für alle Menschen gestorben. Sein Opfertod allein ist die Grundlage für die Vergebung von Schuld, für die Befreiung von der Macht der Sünde und für den Freispruch in Gottes Gericht.“
[4] So schreibt z.B. Rolf Krüger, der ehemalige Leiter von jesus.de: „Gott wird nach dem Tod keine Bestrafung vornehmen … Wenn aber niemand vor Gott gerettet werden muss, sondern die Menschheit nur vor sich selbst, wenn es darum geht, dass Gott uns zu einem Lebensstil der Liebe und Versöhnung ruft, dann ist das Einmischen in die Politik sogar ein zentrales Element von Mission … Oder der Dialog mit anderen Religionen: Wenn ein Mensch Christ werden muss, um die Ewigkeit glücklich zu verbringen, können Moslems, Buddhisten oder Atheisten nicht einfach solche bleiben. Mission ist in diesem Fall erst mit einem Religionswechsel ein Erfolg. Im anderen Fall ist der nicht nötig, denn es geht um die Idee, für die Jesus steht … Ziel von Mission ist dann nicht ein Religionswechsel, sondern ein Gesinnungswechsel.“ In: „Der Elefant im christlichen Raum“, 15.1.2018, www.aufnkaffee.net/2018/01/der-elefant-im-christlichen-raum
[5] So äußert der Postevangelikale Torsten Hebel im „Hossa-Talk“: „Ich glaube, dass alle Menschen bei Gott sind. Das glaube ich. Und deshalb macht es für mich auch keinen Sinn zu bekehren. Aber ich glaube auch, dass es in der Diesseitigkeit einen Riesenunterschied macht: Wofür setzt du dein Leben ein? … Und da sehe ich Bekehrung, also diese Umkehr hin zu dem anderen, diese Hinwendung, Mensch zu werden, wie es eigentlich gedacht war, – das empfinde ich schon als eine Art Bekehrung. Wenn das dann dazu dient, bin ich der erste, der wieder zur Bekehrung aufruft.“ In: Ex-Evangelisten unter sich. Hossa Talk Nr. 5, 11.1.2015, https://hossa-talk.de/hossa-talk-5-ex-evangelisten-unter-sich-mit-t-hebel/, ab 51:50.
[6] Siehe dazu der AiGG-Artikel „Transformation – Eine Aufgabe der Kirche?“ (blog.aigg.de/?p=5699), eine Rezension zum „Handbuch Transformation“, herausgegeben von Tobias Faix und Tobias Künkler, 2021, Neukirchener
[7] In: „Mission Zukunft“, SCM 2018, S. 292
[8] So sagt z.B. Thorsten Dietz im Podcast „Karte und Gebiet“ Folge 24 „Live auf dem Kirchentag“ ab 36:50: Einheit in Vielfalt oder auch versöhnte Verschiedenheit „sind aber Dinge, die gehen ja nicht überall. Also nehmen wir „Ehe für alle“: Man kann in einer Gemeinde nicht Betroffenen zumuten, hier ‚Komm zum Gottesdienst‘ und die einen werden dich umarmen und sagen: Schön, dass Du da bist. Und die anderen werden sagen: Guten Morgen, aber Sünde ist es doch. Das ist irgendwie ein bisschen doof. Das wäre ein Kompromiss und versöhnte Verschiedenheit auf Kosten von Betroffenen.“ Dietz schlägt deshalb vor, im Rahmen eines „good disagreement“ „verschiedene Wege“ zu gehen, die „unterschiedliche Räume vorhalten“, so dass „safe places“ für alle da sind.
[9] Siehe dazu den AiGG-Artikel: Das biblische Bibelverständnis: https://blog.aigg.de/?p=5853
[10] So heißt es in der Glaubensbasis der EAD: „Die Bibel… ist Offenbarung des dreieinen Gottes.“
[11] Röm.12,2; 16,17; 1.Thess. 5,21; 1.Joh. 4,1; 2.Joh.1,10; Offenbarung 2,2
[12] Die fragwürdige Argumentation und die historische Wirkungsgeschichte rund um den „Rat des Gamaliel“ wird aufschlussreich dargestellt im äußerst empfehlenswerten Artikel: „Die Gamaliel-Strategie“ von Peter Bruderer (danieloption.ch/featured/die-gamaliel-strategie/) im Blog Daniel-Option, 2023
[13] Warum ich mich gerade auch als Christ niemals an diesen Eingriffen in die Sprache beteiligen kann, erläutert einer der meistgelesenen AiGG-Artikel: blog.aigg.de/?p=6323
[14] Dass das apostolische Glaubensbekenntnis schon für die frühen Kirchenväter letztlich nichts anderes war als ein Extrakt aus den zentralen und eindeutigen biblischen Botschaften, weist Christian Haslebacher nach in seinem sehr empfehlenswerten Artikel „Plädoyer für das Apostolische Glaubensbekenntnis – den zeitlosen Klassiker“ (https://danieloption.ch/featured/plaedoyer-fuer-das-apostolische-glaubensbekenntnis-den-zeitlosen-klassiker/ ) im Blog Daniel-Option, 2021.
Dieser Blog-Beitrag von Markus Till erschien zuerst auf aufatmen in Gottes Gegenwart . Lies hier den Original-Artikel "6 Wege zur Einheit zwischen Evangelikalen und Postevangelikalen".
Die Verwirrung unter den Gläubigen und Ungläubigen wird größer je mehr und intensiver in der angestrebten Einheitstrommel herumgerührt wird. Wenn die Theologen anfangen die Wahrheit unter sich aufzuteilen, dann sollte man sich den Staub von den Füßen schütteln, denn es wird kein Stein mehr auf dem anderen bleiben der nicht zerbrochen wird. Wer trägt eigentlich die Verantwortung für diesen anhaltenden Verlust des reinen Evangeliums?
—So leicht fangen wir an, uns innerlich über andere zu stellen. —
Nein, wir stellen uns nicht über andere, wir stellen das Evangelium über eine falsche Lehre.
Und ja, wir können die Wahrheit erkennen, wenn wir wiedergeboren sind, wenn wir sie nicht erkennen, dann sind wir wohl auch nicht wiedergeboren, allerdings ist es oftmals ein Prozess.
Jesus machte keine Kompromisse mit der Wahrheit, Paulus auch nicht, und auch sonst ist die Bibel frei von Kompromissen wenn es um die Wahrheit geht.
Thomas konnte nicht an die Auferstehung Jesu glauben, bis Jesus ihm sagte: Sei nicht ungläubig, sondern gläubig“ wir sehen also, wer die Tatsache der Auferstehung leugnet oder für unwichtig hält, ist ein Ungläubiger, und das gilt für alle anderen außergewöhnlichen Ereignisse die in der Bibel bezeugt werden.
Wir hatten vor ca. 40 Jahren schon einmal eine ähnliche Situation. Da ging es um Klarheit der biblischen Lehre zwischen Liberalen und Evangelikalen. Damals war aber der Begriff evangelikal klar. Es war damals mehrheitlich klar, dass es Erlösung nur durch Jesus und eine persönliche Lebensübergabe gibt sowie weitere theologische Grundlagen waren Konsens.
Und heute? Die liberale Sicht ist in die evangelikale Welt nicht zuletzt durch die Postevangelikalen eingedrungen. Evangelikal ist nur noch eine Worthülse, in der alle möglichen theologischen Haltungen verstanden werden, die mit der klaren Haltung von vor Jahrzehnten aber gar nichts mehr zu tun hat
LIBERALITÄT IST NUN NICHT MEHR AUSSERHALB SONDERN INNERHALB DER EVANGELIKALEN.
Wenn wir nun klare biblische Positionen verkünden wollen und es uns damit ernst ist helfen die vielen vielen Worte gar nichts sondern nur: KLARE ABGRENZUNG INNERHALB VON UNBIBLISCHEN LEHREN IN DER EVANGELIKALEN BEWEGUNG.
Es gibt soviel Leute, die theologisch nicht bewandert sind und die die Sirenenklänge der Postevangelikalen, Worthaus u.a. nicht unterscheiden. Denn oft ist es immer noch so: Was der Pastor sagt wird schon stimmen.
NUR DURCH EINE KLARE ABGRENZUNG WIRD DIE PROBLEMATIK DEM LETZTEN KLAR. Das Beschwichtigen und Schönreden des Konflikts hilft nur den Liberalen weil sie dann weiter als evangelikal gelten. Es hilft aber auf jeden Fall nicht einer klaren Evangeliumsverkündigung
„NUR DURCH EINE KLARE ABGRENZUNG WIRD DIE PROBLEMATIK DEM LETZTEN KLAR. “
Da widerspreche ich mal (ungern), bzw. drösel das mal in zwei Ebenen auf.
Wir stehen vor der Aufgabe, uns selbst und ggf. andere vor dem Einfluss von Irrlehren und einem falschen Evangelium / einem falschen Christusbild zu schützen. Dazu gehört dann aber auch die Diskussion, und damit ein regelmäßiger Umgang mit theologischen Strömungen, die wir zumindest teilweise für falsch halten. „Brandmauern“ wären hier ebenso kontraproduktiv wie in weltlichen Diskussionen auch. Eine klare Abgrenzung in der Lehre: JA, aber eine Abgrenzung zu Mitmenschen wäre (außer in besonderen Ausnahmefällen) aus meiner Sicht falsch.
Auch wenn ich den Begriff „Haltung“ nicht mag (weil in weltlichen Dingen „Haltung zeigen“ mittlerweile wichtiger ist als zutreffende, korrekte(re) Sachinformationen), treffen die zu beachtenden 6 Punkte unter der Überschrift Haltung m.E. zu.
Und nachdem jetzt 6 Wege erkannt sind, warum es damit nicht zu einer Einheit von Christen kommen kann, bin ich gespannt auf den siebten oder achten Weg, der m.E. auch nicht funktionieren wird.
Ich gehe auch soweit zu behaupten, dass ein gemeinsames Bekenntnis nicht weiterhilft – wenn doch, dann nehmen wir den Heidelberger Katechismus her und reichern den etwas an, oder? Hilft aber auch nicht weiter, wir bekommen nicht alle Streitfragen durch noch mehr Papier beigelegt.
Wir hätten ja schon das apostolische Glaubensbekenntnis, und selbst wenn dies von allen anerkannt wird haben wir immer noch Diskussionen mit Post-Evangelikalen, ob denn der Kreuzestod und das stellvertretende Opfer notwendig gewesen seien – manche bestreiten also nicht, dass Jesus am Kreuz gestorben ist als geschichtliche Tatsache, sondern bestreiten die Notwendigkeit. Und schon führt die unterschiedliche Ausfüllung der Worte des Glaubensbekenntnisses und das Ungesagte weiterhin zu Differenzen.
Auch ein Bekenntnis bedarf einer Auslegung (und Grundlage dafür kann nur die Bibel sein) und eines gemeinsamen Verständnisses.
Auch mal wieder ein weltliches Beispiel war die Diskussion über Auslandseinsätze der Bundeswehr, beginnend nach der Wiedervereinigung. Jahrelang war es Auslegungspraxis vom Grundgesetz her, dass diese nicht oder bestenfalls nur innerhalb eines Nato-Mandates legitim wären. Dann wurde eine neue Auslegung aus politischen Gründen gewünscht. Mit einem Glaubensbekenntnis wäre es nicht viel anders, es schützt nicht vor falschen Lehren.
Ein Bekenntnis könnte auch nicht viel mehr als die Kurzzusammenfassung der Bibel sein.
Unterschiedliches Bibelverständnis (und damit unterschiedliche Auslegungen eines gemeinsamen Bekenntnisses) rührt aber auch von unterschiedlicher Auslegungspraxis her. Wenn mein Anspruch nicht ist, die Bibel widerspruchsfrei an sich selbst auszulegen, dann sind Auslegungsirrwege unvermeidbar, und gleichermaßen werde ich taub für Hinweise auf Irrtümer meiner Auslegung und meiner Auslegungspraxis.
Vor einem gemeinsamen Bekenntnis gehören also gemeinsame Auslegungspraktiken und eine gemeinsame Wertung der Inspiration der Schrift. Also so etwas wie die Chicago-Erklärung (die ich für recht gelungen halte).
Im Ringen um eine Einheit muss man also viel weiter vorne ansetzen.
Das ganze Dilemma, die beschrieben wird, hat die Ursache darin, dass man Jesus nicht mehr liebt, dass man keinerlei Mitleid mit ihm hat. Das führt zu dieser fast völlig weltlichen Einstellung derer, die sich Christen nennen. Dabei zeigt uns die heilige Schrift doch ganz klar auf, dass man ohne den heiligen Geist und ohne Jesusliebe in eine totale geistliche Schieflage kommt, auch wenn man die Bibel noch so sehr liest. Wer Jesus liebt und immer mehr liebt, dem wird auch immer mehr klar, um was es im Christentum geht und dass die Bibel eine ganz klare und eindeutige Richtung vorgibt: Der Mensch soll am Ende ganz in Christus verwandelt werden, das ist das Ziel. Sündige Lebensweisen und nicht einmal sündige Gedanken passen nicht zu diesem Ziel und dabei ist auch ganz klar, dass ein langjährig geschulter Theologe nicht grundlegend mehr wissen muss als ein einfacher Gläubiger, was die christliche Ethik angeht jedenfalls. Die Theologen wissen und erahnen ja nicht einmal, warum Jesus von einer Jungfrau geboren werden musste. Bei den meisten dieser Menschen bleibt doch alles nur an der Oberfläche im Geistlichen und sie nehmen das, was die Welt, die Medien bieten begierig auf und verdrehen die biblische Botschaft damit und sind weit weg von der Liebe zum Herrn, der soviel und so schwer gelitten hat um unseres Heiles willen. Ein Seelsorger hat einmal zu einem Mann gesagt, du hast den Herrn durch deine Sünden erneut gekreuzigt, geistlich gesehen. Das gilt auch für uns, wenn wir sündigen. Ohne Jesus ist auch die Bibel nur eine Buchstabiererei, die nichts bringt, denn der Herr ist der Erlöser und nicht die Bibel so wichtig sie auch ist, Das haben die Christen im Grunde immer gewusst. Ich denke da an einige Worte, die Franz von Assisi seinerzeit schon zu dem Thema sagte, in etwa so, dass man durch das Bibellesen einen hochmütigen geschwollenen Kopf bekommen könne; damit hat er jene gemeint, die man heute unter vielen Theologen findet, die gab es damals auch schon. Dabei hat er die Bibel ja nicht abgelehnt, sondern selber darin gelesen. Verstehst du auch, was du liesest, hat mal einer im NT zu einem anderen gesagt. Wenn die Lehrer, die Pastoren nichts mehr taugen, geht das ganze Volk zugrunde. Ich möchte nicht an der Stelle der Falschlehrer sein, denn die müssen auch einmal vor Gott Rechenschaft ablegen, ob sie die Menschen auf den guten und richtigen Pfad geführt haben. Gott ist ein gerechter Gott und lässt sich nicht alles gefallen, wenn nicht heute, dann kommt spätestens in der anderen Welt das Gericht über diejenigen.
„Sündige Lebensweisen und nicht einmal sündige Gedanken passen nicht zu diesem Ziel …“
Aber da geht doch schon das Dilemma los. Gerade in sexualethischen Fragen gibt es theologische Strömungen, die Praktiken, die die Bibel als Sünde benennt, nun liest als „das war nur damals so, der damalige Zeitgeist, das ist ja ganz anders gemeint“.
Da wird dann ein Gemengelage toleriert oder sogar hofiert, dass 1. Kor 11,3 auf den Kopf stellt – wie kann Jesus das Haupt sein des Mannes, wenn der Christ als Mann und Mann zusammenlebt (von welchem von beiden ist denn dann Christus noch das Haupt?), oder die Frau sich in der Ehe über den Mann erhebt, wenn die Ehe also nicht mehr das Abbild der Beziehung von Jesus zum Menschen ist, oder eine Treulosigkeit in einer Mann-Frau-Ehe vorhanden ist? Dann wird doch schon das Jesusbild verfälscht, Jesus ist nicht mehr das Haupt und mein Herr, und der Mensch stellt sich auf eine Ebene mit Jesus. Von da an ist es nicht mehr weit mit dem Seinwollen wie Gott, selber wissen und beurteilen wollen was Gut und Böse ist.
Es reicht nicht irgendeinen Jesus zu lieben, sondern den Jesus, den die Bibel uns beschreibt. Und wenn die Bibel zu weit nach hinten geschoben wird, dann kommen halt falsche Jesusbilder dabei heraus.
Als ich meine Frau kennenlernte, wollte ich auch alles von ihr wissen, habe sie ausgefragt und befragt, was sie mag und was nicht, was sie von dieser und jener Sache hält. Und je mehr ich wußte, desto größer wurde die Liebe. Will ich Jesus besser kennen lernen, dann lese ich die Bibel, und dort nicht nur das NT, sondern auch das AT, das auf ihn hinweist.
Dann überprüfe ich aber auch anhand der Schrift, ob ich denn „ganz in Christus verwandelt“ werden soll, oder ob ich ihn durch Sünden erneut ans Kreuz schlagen kann.
Es gibt aber noch weitere Beispiele was passiert, wenn ich die Bibel nicht lese, oder lese und dennoch nicht den Aussagen vertraue, oder diese verfälsche.
Wenn eine Kirche den Regenbogen (1. Mos 9, 13ff) heute mißbraucht, dann ignoriert sie folgerichtig auch die Zusage in 1. Mos 8, 22 und sieht sich bemüht, das Klima retten zu wollen. Die Rettung von Seelen, die Mission, tritt dabei in den Hintergrund oder kommt gar nicht mehr vor.
Und dergleichen Verfehlungen findet man eine Menge, leider gerade in den Amtskirchen, und noch mehr in den Laiengremien wie dem Synodalen Weg, Maria 2.0, oder man setzt sich entgegen von 1. Tim 2,12 (oder auch wie 1. Kor 11,3) eine Frau, noch dazu ohne hinreichende Glaubenszeugnisse, als Präses vor die Nase.
Wenn Du Jesus liebst, dann stell die Bibel ganz vorne griffbereit ins Regal und die anderen Bücher vermeintlich oder tatsächlich frommer oder gläubiger Autoren nach hinten. Denn die können nicht mehr Wahrheit mitteilen als in der Bibel steht, packen aber noch ihre Irrtümer dazu.
Es gibt ja nur einen Jesus und nicht mehrere, die man sich nach seinem eigenen Gusto zusammenbasten kann. Du hast schon recht mit dem Bibellesen, aber wenn man die Bibel unter der Prämisse liest, dass sie einen nicht korrigieren kann, weil man statt dem heiligen Geist zu erbitten, seinen eigenen Gedanken folgt, dann hilft das auch nicht, sondern führt geradezu zu diesen Abirrungen, die auch widernatürlich sind. Das zu erkennen, dazu braucht man nicht mal unbedingt die Bibel, das sagt uns schon die Natur, die ja auch von Gott so eingerichtet ist, was wir Christen ja auch glauben.
“ … wenn man die Bibel unter der Prämisse liest, dass sie einen nicht korrigieren kann …“
Aber unter so einer Prämisse würde ich doch nicht einmal an Sachbuch lesen, außer ich will es hinterher mit meiner Kritik zerreißen.
Derjenige, der sich für einen Jesus-Nachfolger hält oder tatsächlich einer ist, kann die Bibel doch nur aus zwei Motivationsgründen lesen:
a) Wo sagt die Bibel etwas anderes über Jesus aus als ich gegenwärtig glaube? Also: Ich will die Bibel lesen, um meine Irrtümer auszuräumen, um mehr Wahrheit über Jesus zu erlernen.
b) Ich habe zu einem Thema eine Meinung, nun suche ich die biblischen Aussagen, die diese bestätigen.
Diese Art der Herangehensweise kann gefährlich sein, denn dann neigt man zum selektiven Lesen und Wahrnehmen, wertet biblische Aussagen gegeneinander ab in ihrer Wichtigkeit und Richtigkeit, stuft andere Aussagen als „zeitgenössisch kulturell“ herab, und sucht primär nur die Bestätigung der eigenen Meinung.
Die Methode taugt nur, wenn ich ergebnisoffen lese und verarbeite, und eigene Irrtümer eingestehen kann.
Dann gäbe es noch c), die Leute, die gar nicht die Bibel als Primärquelle nutzen, sondern sich mit Sekundärliteratur begnügen, die hier und da selektiv die Bibel zitiert. Aber diese Leser sind gar nicht in der Lage, mögliche Irrtümer und Irrlehren in der Sekundärliteratur zu erkennen, weil ihnen die fundierte Kenntnis der Primärquelle fehlt. Die sind arm dran, möglicherweise besonders fromm und ehrlich auf der Suche, und dann lesen sie doch nur Anselm Grün …
Nun habe ich bis hierher noch gar nicht den Heiligen Geist erwähnt – das war Absicht. Natürlich halte ich nur den Ansatz a) für richtig, und der Heilige Geist schließt mir die Schrift auf, insbesondere die Stellen, die ich nicht so mag (ja, die gibt es, weil ich da korrigiert werde). Ohne geht es nicht
Den Ansatz b) verfolge ich dann gelegentlich, wenn ich eine Auslegung höre oder lese, mit der ich (erstmal) nicht einverstanden bin, und möglicherweise der Ausleger oder auch ich im Irrtum sein könnte. Dann schlage ich alle vom Ausleger genannten Bibelstellen in ihrem Kontext nach, halte „meine“ Stellen in ihrem textlichen Kontext dagegen, und / oder suche ggf. nach weiteren relevanten Aussagen zum Thema. Und auch hier geht es natürlich nicht ohne den Heiligen Geist.
Ich nenne mal ein Beispiel: ein recht guter Bibelkenner ließ in einem Nebensatz ohne weitere Erklärung die Aussage fallen, dass die Begebenheit zwischen David, Abigail und Nabal ein Gleichnis dafür ist, wie ein Mensch Jesusnachfolger und errettet wird. Man kann sich die vielen Fragezeichen in meinem Kopf vorstellen, wie der denn darauf kommt – meine Meinung war, dass das nicht stimmen kann. Wir kennen einen messianisch anklingenden Auszug der Rede der Abigail, der auf vielen jüdischen Grabsteinen vorkommt, aber ansonsten hatte ich der Geschichte wenig Bedeutung beigemessen, weil doch die Protagonisten (bis auf David) im weiteren Verlauf der Bibel nicht mehr erwähnt werden und auch nicht zur Ahnentafel Jesu beitragen (tja, und da hätte ich schon merken müssen, dass die Geschichte eben aus anderen Gründen so wichtig ist, dass sie in der Bibel steht).
Ich habe bestimmt 40 Stunden Recherche da hinein gesteckt, diverse Auslegungen gesucht (da waren auch viele fehlerhafte Auslegungen bei), eine diesbezügliche von mir Predigt war in der Vorbereitung (und ist leider unfallbedingt entfallen, aber die könnte ich jetzt aus dem Kopf frei vortragen)) und als Ergebnis kann ich jetzt feststellen, dass das die einzige sinnvolle Interpretation ist. Eine Vorabschattung dieser Begebenheit sehen wir in der Rückkehr des Jakob und seiner Begegnung mit Esau, und im NT wird diese Auslegung abgerundet durch die Geschichte vom Barmherzigen Samariter.
Manchmal bin ich der Meinung, dass Gott mir einen Text oder Satz „hinwirft“, der mir nicht schmeckt, und ich mich gerade deshalb damit befassen soll.
Genauso gibt es verlockend klingende Aussagen von Auslegern, die ich für falsch halte und auch nach eingehender Prüfung nicht teile, wobei jede Prüfung ein Lerngewinn ist, weil man sich dabei mit der Bibel beschäftigen muss, und zwar intensiver als bei der normalen Bibellese.
Für mich ist daher die Bibel nicht nur Gottes Wort an mich, sondern Arbeits- und Prüfwerkzeug, dass ich aber zu Lebzeiten leider nie werde vollständig ausloten können.
— manche bestreiten also nicht, dass Jesus am Kreuz gestorben ist als geschichtliche Tatsache, sondern bestreiten die Notwendigkeit. —
Mit dieser Aussage stellen sie ihre ganze Gottlosigkeit zur Schau, und mehr noch, sie spotten Gott ins Angesicht. Wenn der Tod am Kreuz nicht notwendig war, dann hat Gott wohl einen Fehler gemacht, und die Bibel müsste neu geschrieben werden. Es ist der antichristliche Kampf gegen Gott, es ist der Hass auf Jesus, weil der Mensch nur bei IHM Erlösung findet. Sie wollen den Weg an Jesus vorbei, weil sie in ihrer Selbstbestimmtheit bleiben wollen, sie wollen keine Gnade durch Errettung, sie hassen Gott Jesus und die Gnade. Beim Sündenfall ließ der Teufel auch Wahrheit einfließen und vermischte sie mit Lüge, darum stimmen diese Leute einem Teil der Bibel zu, und mischen ihre Lügen darunter.
Einheit mit dem Antichristen? Menschen die diese Einheit verfolgen werden unglaubwürdig, echte Gläubige werden sich abwenden.
—Ich sehne mich so sehr danach, dass diese christusgewirkte Einheit wächst – und dadurch ein Stück Himmelreich auf Erden sichtbar wird.—
In der Bibel finden wir nichts, das das Reich Gottes sich hier auf der Erde ausbreitet in einen himmlischen Zustand, diese Sehnsucht ist im vorherrschenden Zeitgeist zu finden, die Erde in ein Paradies zu verwandeln, ohne Gott, oder mit Gott? Aber welcher Gott?
Schon im Paradies wurde die Einheit mit Gott aufgelöst.
Das Problem ist ja auch, dass man heute keinen Bezug mehr zu christlichen Vergangenheit hat, jeder Hansel kann heute eine neue Gemeinde gründen und behauptet dann er habe das volle Evangelium, alle anderen und früheren Christen hätten sich geirrt. Ergo : alle Traditionen werden abgelegt, auch die guten.
Es ist eine masslose Überheblichkeit zu meinen alles was die Kirchen früher gelebt und gelehrt haben, sei nun komplett überholt.
Oder wird so herum ein Schuh daraus? Wenn vielerorts nicht mehr an ein zweites Kommen Jesu auf diese Erde und ein Weltgericht geglaubt wird warum brauchen wir dann überhaupt noch theologische Auseinandersetzungen? Dann kann doch jeder nach seiner Facon selig werden. Dann können wir doch saufen und fressen, denn morgen sind wie eh tot.
Sollte es aber doch um ein ewiges Leben entweder bei Gott oder in der Hölle gehen, wovon man zumindest früher in vielen Kreisen ausging sollten sich viele der bibeltreuen Evangelikalen dringend hinterfragen ob man mit dem Schmusekurs Richtung Liberale weitermachen kann.
Abgrenzung heisst für mich übrigens nicht, dass man nicht gesprächsbereit und einladend für das biblische Evangelium bleibt.
Es gibt aus meiner Sicht nur diese beide Optionen und von daher gesehen ist mancher Postevangelikale konsequenter wie mancher Bibeltreue.