Kritik am Worthaus-Artikel: Eine Stellungnahme

Der Anfang Oktober veröffentlichte AiGG-Worthaus-Artikel hat ganz offensichtlich einen Nerv getroffen. Er stand wochenlang an der Spitze der christlichen „Blog-Charts“. Prominente Stellen haben ihn weiter verbreitet, wie z.B. das Netzwerk Bibel und Bekenntnis, der Arbeitskreis für evangelikale Theologie oder Johannes Hartl. Die Zeitschrift des Bibelbunds hat den Artikel vollständig abgedruckt. Sogar Idea Spektrum hat eine Kurzversion gebracht.

Natürlich haben mich deshalb auch etliche Rückmeldungen erreicht. Die meisten waren sehr positiv und ermutigend, einige natürlich aber auch kritisch. Zu erwarten war die teils harsche Ablehnung von liberal geprägten Christen, die ja aber eigentlich nicht die Adressaten dieses Artikels waren, wie schon die Überschrift deutlich gemacht hat. Weit mehr bewegt hat mich die Kritik von konservativeren Christen. Deshalb möchte ich dazu kurz Stellung nehmen.

Leider hat sich die mir bekannte Kritik in keiner Weise inhaltlich mit meiner Analyse der Worthaus-Vorträge auseinandersetzt. Stattdessen konzentrierte sie sich im Wesentlichen auf 2 Aussagen:

  1. Es gibt keine „Worthaus-Theologie“. Die Worthaus-Referenten vertreten ganz unterschiedliche theologische Positionen. Daher kann auch kein Worthaus-Referent für die Lehren anderer Worthaus-Referenten verantwortlich gemacht werden.

Diesen Punkt hatte ich bereits im Vorfeld des Artikels mit einem Worthaus-Referenten diskutiert und deshalb im Anhang 2 des Artikels ausführlich dazu Stellung genommen. Im Kern war meine Aussage: Ja, es ist eine (der Übersichtlichkeit geschuldete) Vereinfachung von einer „Worthaus-Theologie“ zu sprechen. Aber selbst der Worthaus-Referent, mit dem ich über dieses Thema diskutierte, sprach von einer „optischen Täuschung“. Das heißt: Für den unbedarften Hörer wirkt Worthaus sehr wohl wie eine in sich kongruente Denkfabrik. Und dafür gibt es klare Gründe:

  • Die 5 Worthaus-Thesen, die allen Vorträgen zugrunde lagen (sie wurden erst jüngst von der Worthaus-Seite heruntergenommen).
  • Der fehlende Diskurs: Die Lehren, die ich in meinem Artikel kritisiere (z.B. Ablehnung des Sühneopfers) werden bei Worthaus nirgends kritisiert. Den liberalen Thesen, die ich im Artikel schildere, wird nirgends eine konservative Gegenthese entgegengestellt.
  • Es gibt einige durchgängige und vielfach wiederholte Überzeugungen wie z.B. das unkritische Bekenntnis zum Segen der universitären Bibelwissenschaft, die harsche Abgrenzung von Konservativen/Evangelikalen/Fundamentalisten, das Bekenntnis zur Fehlerhaftigkeit und Widersprüchlichkeit biblischer Texte etc.
  • Der wichtigste Grund: Die Dominanz von Siegfried Zimmer, der 2/3 aller Vorträge hält und deshalb mit seiner Theologie das Gesamtbild von Worthaus maßgeblich prägt.

Ich halte deshalb die Rede von der „Worthaus-Theologie“ für durchaus berechtigt. Aber wer sich daran stört, dem würde ich empfehlen, den Begriff „Worthaus“ durch den Namen des prägenden Worthaus-Theologen Siegried Zimmer zu ersetzen und sich dann neu der Frage stellen: Passt denn die Zimmer’sche Theologie und Hermeneutik zur evangelikalen Bewegung und zu bibeltreuen Ausbildungsstätten? Wie der AiGG-Artikel gezeigt hat, widerspricht ja auch Prof. Zimmer ganz direkt einigen der Glaubensgrundlagen der KBA (Konferenz bibeltreuer Ausbildungsstätten). Zudem stellt er sich insgesamt – teils rüde und polemisch – gegen konservative Evangelikale. Daher bleibt es für mich äußerst verwunderlich, wenn Evangelikale Worthaus so leidenschaftlich und unkritisch bewerben.

  1. Die Kritik an Worthaus kommt von „fundamentalistischen Christen“, die auch in der evangelikalen Bewegung immer in der Minderheit waren. Bereits in den Jahren 2001 bis 2003 habe es eine ähnliche Diskussion gegeben, in der „Fundamentalisten“ kritisierten, dass an bibeltreuen Ausbildungsstätten nicht die Fehlerlosigkeit der Bibel (im Sinne der Chicago-Erklärung) verteidigt werde. Bekannte konservative Theologen wie z.B. Prof. Heinzpeter Hempelmann sowie die KBA und die evangelische Allianz hätten diese Kritik zurückgewiesen und darauf bestanden, dass „Bibeltreue“ nicht bedeutet, an eine fehlerlose Bibel zu glauben.

Auch diesen Punkt hatte ich bereits im Vorfeld des Artikels mit einem Worthaus-Referenten diskutiert. Mir war es deshalb wichtig gewesen, im Anhang 21 zu betonen, dass man kein Chicago-Anhänger sein muss, um Worthaus kritisch zu beurteilen. Dort hatte ich zudem erläutert, warum die Diskussion von 2001-2003 überhaupt nicht mit der Worthaus-Diskussion vergleichbar ist. Ich kopiere diesen Anhang nachfolgend noch einmal auszugsweise ein:

21: „Evangelikale Theologie bekennt sich „zur göttlichen Inspiration der heiligen Schrift, ihrer völligen Zuverlässigkeit und höchsten Autorität in allen Fragen des Glaubens und der Lebensführung.“ (Theologische Grundlage des Arbeitskreises für evangelikale Theologie) Begriffe wie „Zuverlässigkeit“, „Wahrheit“, „Fehlerlosigkeit“ oder „Irrtumslosigkeit“ werden aber auch unter Evangelikalen immer wieder heiß diskutiert. … Heinzpeter Hempelmann vermerkte in der 14. seiner „18 Thesen und 10 Säulen zu einer Hermeneutik der Demut“: „Der Akzent bei der Bestimmung „Unfehlbarkeit“ liegt also nicht in der Behauptung einer in jedem Fall und in jeder Hinsicht notwendig gegebenen sachlichen Richtigkeit.“ Damit wollte er den biblischen Wahrheitsbegriff gegen einen seiner Meinung nach ihr fremden mathematisch-logischen Wahrheitsbegriff abgrenzen. Trotzdem galt auch für ihn (im Gegensatz zu Prof. Zimmer): „Die Bibel ist unfehlbar. Sowohl philosophische wie theologische Gründe machen es unmöglich, von Fehlern in der Bibel zu sprechen. Mit einem Urteil über Fehler in der Bibel würden wir uns über die Bibel stellen und eine bibelkritische Position einnehmen.“ (These 15)

Das heißt also: Auch die Hermeneutik von Prof. Hempelmann, der sich seinerzeit gegen die Chicago-Erklärung wandte, ist weit konservativer als Prof. Zimmer. Es ist deshalb unzutreffend, die Auseinandersetzung von damals mit der heutigen Diskussion zu vergleichen und die Worthaus-Kritiker alle in die „Fundamentalisten-Ecke“ zu schieben. Das gilt umso mehr, da dieser Begriff heutzutage keinesfalls mehr wertneutral verwendet werden kann, weil er durch die vielfache Parallelisierung von islamischen und christlichen Fundamentalisten längst vergiftet wurde.

In Bezug auf den Fundamentalismus-Vorwurf möchte ich auch noch ein Wort zu mir persönlich äußern. Ein Worthaus-Referent hat mich jüngst als „klassischen Fundamentalisten“ bezeichnet. Ich wundere mich schon, wie rasch manche Leute mit solchen Schubladen zur Hand sind. Ich lade meine Leser ein, sich selbst ein Bild von meiner Haltung zur Bibel zu machen und mit mir dann inhaltlich darüber ins Gespräch zu kommen, statt mich einfach zu etikettieren (damit man sich nicht mehr mit mir auseinandersetzen muss?). Als Gesprächsgrundlage nachfolgend ein Absatz aus meinem Buch „Aufatmen in Gottes Gegenwart“ (Seite 118 ff.).:

„Ich würde mich selbst als “bibeltreu” bezeichnen. Manche Zeitgenossen würden mich vielleicht sogar als fundamentalistisch einstufen. Damit kann ich leben. Denn in der Tat macht für mich das Christentum ohne das Fundament der Bibel wenig Sinn. Der liberale theologische Ansatz, der die Bibel für fehlerhaft hält und den menschlichen Verstand zum Richter über wahr und falsch macht, hat eine Schneise der Verwüstung durch die Kirche geschlagen und das Fundament für die Einheit der Kirche massiv beschädigt. Denn außer der Bibel hat das Christentum nun einmal keine verbindliche Erkenntnisquelle! …

Die Abkehr von liberaler Theologie ist aber noch lange keine Garantie für Einheit. Bei der Auslegung der Bibel können auch Bibeltreue katastrophal irren: So wurde Jesus gerade von den Bibelgelehrten als völlig unbiblisch abgelehnt. In der Kirchengeschichte gibt es zahlreiche Beispiele, wie selbst große Bibelkenner zu Feinden guter christlicher Bewegungen wurden, weil sie ihre speziellen Bibeler­kenntnisse zu Dogmen oder gar Kirchengesetzen erhoben und als Waffe gegen Andere eingesetzt haben (die Verfolgung der Täufer durch die Reformatoren ist ein fürchterliches Beispiel dafür). Dabei hatte Gott das Neue Testament doch gerade nicht als Gesetzes- und Paragraphenkatalog verfasst. Wenn Menschen meinen, das für ihn nachzuholen zu müssen, endet das immer im Desaster!

Wir können also sowohl auf der liberalen als auch auf der bibeltreuen Seite vom Pferd fallen. Auf beiden Seiten machen wir den gleichen Fehler: Wir stellen unsere menschliche Erkenntnis hochmütig über die Bibel und machen uns gottgleich zur obersten Wahrheitsinstanz. Wir meinen, ganz genau zu wissen, wie die Bibel auszulegen ist, vergessen dabei aber, dass sogar der große Theologe Paulus seine Erkenntnis für Stückwerk hielt (1. Korinther 13, 9) und auch uns eindringlich zugerufen hat: “Bildet Euch nicht ein, alles zu wissen!“ (Römer 12, 16) Unser menschliches Bibelverständnis bleibt also ein Stück weit immer unvollständig und subjektiv.

Und noch einen äußerst wichtigen Grundsatz hat uns Paulus für den Umgang mit Wissen und Erkenntnis gelehrt: „Wissen kann uns ein Gefühl von Wichtigkeit verleihen, doch nur die Liebe baut die Gemeinde wirklich auf .Wer behauptet, alle Antworten zu kennen, hat in Wirklichkeit kaum begriffen, auf welche Erkenntnis es ankommt. Doch wer Gott liebt, der ist von Gott erkannt“. (1. Korinther 8, 1-3)

Erkennen ist in der Bibel ein Synonym für das Einswerden in einer engen, intimen Beziehung. Echte theologische Erkenntnis wächst somit immer nur in der innigen Beziehung mit dem himmlischen Vater! ER ist der Autor der Bibel. Nur in der Verbindung mit ihm können wir lernen, was er wirklich gemeint hat! Aber ohne seinen Geist macht Erkenntnis uns zu hartherzigen, arroganten Einheitskillern: „Denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig“ (2. Korinther 3, 6b).

Als Christen glauben wir im Gegensatz zum aktuellen Zeitgeist daran, dass es eine allgemeingültige Wahrheit gibt. Aber wir sind nicht im Besitz der Wahrheit! Vielmehr streben wir danach, dass die Wahrheit in Person (nämlich Jesus) immer mehr Besitz von uns ergreift! Erst wenn wir diesen feinen aber wichtigen Unterschied verstehen und unsere Besitzansprüche auf Wahrheit aufgeben werden wir nicht länger in der Gefahr stehen, uns anderen Menschen gegenüber überlegen zu fühlen und ihnen entsprechend arrogant zu begegnen. Und gerade weil unsere heutige postmoderne Gesellschaft jeden Alleinvertretungs­anspruch auf Wahrheit als gefährlichen Hang zu Machtausübung und Manipulation wahrnimmt, können wir den Menschen nur in dieser demütigen Haltung das Evangelium bringen – und zugleich unnötigen Streit und Spaltung in der Gemeinde Jesu vermeiden.”

Über Dr. Markus Till

Evangelisch landeskirchlicher Autor, Blogger und Lobpreismusiker mit pietistischen Wurzeln und charismatischer Prägung

10 thoughts on “Kritik am Worthaus-Artikel: Eine Stellungnahme

  1. Ich glaube, kaum ein Jahr später würde der sehr nachdenkliche und sehr tief schürfende! Dr. Markus Till diesen Beitrag heute so nicht mehr schreiben.

    Grüßle

  2. https://i1.wp.com/blog.aigg.de/wp-content/uploads/2014/08/Bibelpendel.jpg

    Sind wir im Kindergarten?

    Auch Andere warten wohl auf eigne bibelnahe Ausarbeitungen von dir, Markus.

    Die kleinen und immer wieder barmherzigen Anspielungen machen bei Worthaus höchstens ein halbes Prozent aus. Der Rest ist fachlich-sachliche geistliche Ansage aufgrund extrem tiefschürfender Bibelarbeit- und Kenntnisse.

    Ich empfinde, daß du hier umgekehrt oft nur ein Prozent Bibelwissen erarbeitest.

    Könnte es sein, daß du einen neuen Chef hast?
    Bibel und Bekenntnis

    😉

  3. Hmmm…

    Es gibt sicher die vielen, die diesem Portal und seinen Artikeln grundsätzlich zustimmen.

    Wo bleiben sie als Kommentatoren?

    Und ich bin fast der einzige penetrante Ketzer hier.

    Ist es des einen verlorenen schwarzen Schafes nicht würdig, sanftmütig auf den rechten Pfad zurückgebracht zu werden mit dem sanft geführten Hirtenstab?

    Übrigens bilden Zuchtrute und Hirtenstab im biblischen Grundtext jeweils das gleiche hebräische Wort ab……

    :-/

    Ein textlich guter Song zum nachdenken:

    🙂

  4. Mich kann nichts mehr halten,
    nichts mehr einfangen,
    nichts mehr meine Seele beunruhigen.

    Ganz tief unten,

    da unten,

    unter den Betonmauern meiner Hölle,

    da wartet er auf mich,

    zieht mich

    in die Weiten der Schönheit der Himmel

    aller Universen.

    ER

  5. Ich schaue immer mal wieder nach älteren Themen.

    Markus Tills lähmende Kritik an „DER“ Kirche sollte irgendwann mal auch mal zur SELBSTkritik führen. „Herr, weiß ICH, was ich tue?“

    Es gibt auch DIE Heilige konservativ-evangelikale Kirche. Und zwar so gespalten, wie es keine andere christliche Kirche zuvor jemals gespalten gab.

    Mit süßlich verpackter „Zucht und Ordnung“ wird sie weiter zementiert.

  6. Menschen, die nur noch Antworten haben für die Anderen und die keine Fragen mehr zulassen können für sich selbst, die werden sich irgendwann selbst suspekt. Früher oder später….

  7. „Auch die Hermeneutik von Prof. Hempelmann, der sich seinerzeit gegen die Chicago-Erklärung wandte, ist weit konservativer als Prof. Zimmer.“

    Stimmt das?

    Ihr Link auf Hempelmanns Text ist tot. https://heinzpeter-hempelmann.de/wp-content/uploads/2021/03/bibeltreu.pdf

    Hempelmann sagt:
    „dass Menschen offen werden für die in der Bibel begegnenden Einteilungen von Wirklichkeit und hören auf das durch sie hindurch ergehende Wort Gottes … geschieht allein dank der Einwirkung des Heiligen Geistes“
    Also das Wort Gottes geht aus von Gott, durch die Bibel hindurch und in den Leser hinein, falls der Heilige Geist wirkt.
    https://siegfriedzimmer.de/mein-bibelverstaendnis/
    Zimmer sagt:
    „Gott redet durch die Bibel zu uns Menschen“
    „Gottes Reden durch die Bibel ist stets ein Offenbarungsvorgang.“
    „Das biblische Wort kommt nicht leer zu Gott zurück, sondern wirkt das, wozu Gott es sendet.“
    „Über die Wirkungen des biblischen Wortes entscheiden nicht wir, sondern der Heilige Geist allein.“
    „Die Bibel ist sein [Gottes] bevorzugtes Werkzeug.“
    Also das Wort Gottes geht aus von Gott, durch die Bibel hindurch und in den Leser hinein, falls der Heilige Geist wirkt.

    Und was ist mit Irrtumslosigkeit?
    Hempelmann:
    „Gott führt uns nicht in die Irre. Er wird uns nicht scheitern lassen. Er gibt uns sein Wort, das uns leitet, begleitet und unfehlbar zum Ziel führt. Der Akzent bei der Bestimmung „Unfehlbarkeit“ liegt also nicht in der Behauptung einer in jedem Fall und in jeder Hinsicht notwendig gege-benen sachlichen Richtigkeit, sondern in der Zusage: Wer sich an dieses Wort hält, der kommt mit Gottes Hilfe zum Ziel.“
    Zimmer:
    „In allen heilswichtigen Dingen ist die geistliche Orientierungskraft der Bibel völlig zuverlässig. Wir brauchen nicht die Sorge zu haben, dass Gott uns durch die Bibel in die Irre führt“

    Die beiden sagen dasselbe und benutzen sogar die gleiche Formulierung: Gott führt ins mit der Bibel nie in die Irre.

    Hempelmann:
    „Mit einem Urteil über Fehler in der Bibel würden wir uns über die Bibel stellen und eine bibelkritische Position einnehmen.“
    Zimmer:
    „Die Bibel ist in geistlichen Dingen die höchste Autorität auf Erden. Ihre geistliche Autorität steht über der Vernunft, der Philosophie, der Wissenschaft, der Psychologie bzw. Therapie, über allen politischen Theorien und Ideologien. … Wir alle stehen unter der Autorität des biblischen Wortes. Die Kirche bzw. die Christen dürfen nichts lehren, was der biblischen Botschaft widerspricht oder überhaupt nicht in der biblischen Botschaft enthalten ist.“
    Wo erzählt Zimmer irgendwas über Fehler in der Bibel? Ich sehe da nix.

    Hempelmann und Zimmer sehen beide ein Wunder.
    Nach Hempelmann ist dies die Einheit von Gotteswort und Menschenwort, die er „Verbalinspiration“ nennt. Bei Zimmer hingegen ist es die Wirkungseinheit zwischen Gott und Bibel. Ist das ein Unterschied im Detail oder ein Grundsatzstreit?

    Hempelmann:
    „Bibelkritik stellt sich über Gottes Wort. In ihr maßt sich der Mensch einen Gottesstandpunkt an, ja sogar einen Standpunkt über Gott. Dem geben wir keinen Raum.“
    In https://www.youtube.com/watch?v=DDkQoSRq1AY lehrt Zimmer mit Luther drei Autoritätsebenen: 1. Gott, 2. Bibel, 3. Mensch. Zimmer stellt sich also weder über die Bibel, noch über Gott.

    Hempelmann:
    „Historische Arbeit versteht die biblischen Schriften aus den geschichtlichen Zusammenhängen heraus, in denen sie geschehen. Darum ist historische Arbeit, die unter der Wirkung des Heiligen Geistes geschieht, der beste Weg zu theologischer Erkenntnis.“
    Da Zimmer sich nicht über Bibel oder Gott stellt, sind seine Lobesworte für die universitäre Bibelwissenschaft im Sinne von Hempelmanns bestem Weg zur theologischen Erkenntnis zu verstehen.

    Fazit:
    Die Hermeneutik von Prof. Hempelmann, der sich seinerzeit gegen die Chicago-Erklärung wandte, ist kompatibel mit der von Prof. Zimmer.

    Ich stimme Hempelmann zu, daß die Zuordnung des Wahrheitswerts w oder f zu einem Behauptungssatz A kategorial etwas ganz anderes ist als die Identität von Christus mit Wahrheit, Weg und Leben.

    Zu der Frage von Widersprüchen in der Bibel habe ich da noch eine Frage: Haben Pseudo-Scotus und William of Soissons oder spätere Denker das Principle of explosion (https://en.wikipedia.org/wiki/Principle_of_explosion) „Ex contradictione quodlibet sequitur“ klar und eindeutig aus der Bibel abgeleitet? Aus welcher Stelle? Oder ist das ein Produkt menschlicher Philosophie und nicht älter als 800 Jahre? Wurde diese Ableitung vor dem Verfassen der Chicago-Erklärung von den Autoren der Erklärung klargestellt? In welcher Schrift?
    Wenn nämlich „Ex contradictione quodlibet sequitur“ gar keine biblische Autorität haben sollte, dann kann man auch einfach „Ex contradictione non quodlibet sequitur“ (http://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/download;jsessionid=A3A0D398A98EBE19171C734681BC587B?doi=10.1.1.107.70&rep=rep1&type=pdf) unterstellen. Die Bibel muß nicht einem menschengemachten Anforderungskriterium genügen.

  8. Lieber Andre´,

    In deinem erwähnten Wikipedia-Artikel https://en.wikipedia.org/wiki/Principle_of_explosion
    findet sich unter „References“ gleich der erste Link: „Ex contradictione non sequitur quodlibet (PDF)

    Die deutsche Übersetzung eines Textabschnittes dieses PDF-Artikels lautet:

    Müssen wir uns über Widersprüche Sorgen machen?
    Die klassische Logik kann, wie wir alle wissen, keine Widersprüche aushalten. Unter den
    Prinzipien, die seit Aristoteles schrittweise in die „Eigenschaften des richtigen
    Argumentation“ aufgenommen wurden, ist das Prinzip des Pseudo-Skotus (PPS), das seit dem Mittelalter auch als ex contradictione sequitur quodlibet bekannt (und von einigen zeitgenössischen Autoren auch Explosionsprinzip genannt), besagt, dass jede Theorie
    dem enzymatischen Charakter eines Widerspruchs A und ÏA ausgesetzt ist, und
    JEDER ANDERE SATZ B abgeleitet werden kann, so dass sich die Theorie als trivial erweist.

    Ein weiteres Prinzip, das Prinzip des Nicht-Widerspruchs (PNC), besagt, dass
    es Theorien geben sollte, aus denen keine solchen Widersprüche ableitbar sind. Unter
    diesen Prinzipien könnte man das Prinzip der Nicht-Trivialität (PNT) hinzufügen, das besagt
    dass es mindestens eine Theorie oder und einen Satz B geben muss, aus dem B nicht
    aus dieser Theorie ableitbar ist.
    „“

    An dieser Stelle Fragen zu dieser interessanten Angelegenheit:

    Wie lautet deine persönliche finale oder zwischenfinale Schlussfolgerung bezüglich
    a) der Qualität und Wahrheitsprozentigkeit deines Glaubens
    b) oder analog jedes Glaubens jeder Religion
    c) oder jedes Glaubens jedes je gelebten Menschen aller Epochen.

    d) Was kann konservativ-evangelikale Theologie dazu sagen?

    Liebe Grüße

  9. Hallo!

    Aristoteles und seine mittelalterlichen Schüler sind nicht irrtumsfrei und ihre Schriften nicht das Wort Gottes. Man muß also das Explosionsprinzip nicht glauben, es gibt auch formale Logik ohne dasselbe.

    Andere Religionen:
    Rabbinisches Judentum: Jesaja 53 scheint sich auf eine Einzelperson zu beziehen, nicht auf das gesamte jüdische Volk, wie Rabbi Tovia Singer behauptet.
    Islam: hält laut Jay und Al-Fadi der historisch-kritischen Untersuchung nicht stand, im Gegensatz zum Evangelium.
    Buddhismus: Hatte neulich Texte buddhistischer Lehrer gelesen, die besagten, daß es keine Gnade im Sinne von sola gratia im Buddhismus gibt. John McArthur sagte irgendwo, daß es nur zwei Religionen gibt: Selbsterlösung und Erlösung als Geschenk Gottes. Das trifft hier voll zu. Zudem schienen mir die Argumente von Ajahn Brahm, dem Siegfried Zimmer des Buddhismus, für Reinkarnation nicht überzeugend.

    Prozente gibt es in Alkoholika, nicht im Glauben.

    Christen halten Gebet, Gottesdienst, Mission für sinnvoll. Die Bibel sagt:
    Prediger 1: „14 Ich sah an alles Tun, das unter der Sonne geschieht, und siehe, es war alles eitel und Haschen nach Wind.“

    Zimmer und Till halten ihre Kontroverse für wichtig. Die Bibel sagt:
    Prediger 1: „17 Und ich richtete mein Herz darauf, dass ich lernte Weisheit und erkennte Tollheit und Torheit. Ich ward aber gewahr, dass auch dies ein Haschen nach Wind ist. 18 Denn wo viel Weisheit ist, da ist viel Grämen, und wer viel lernt, der muss viel leiden.“

    Christen glauben an Familie. Die Bibel sagt:
    Prediger 2: “ 18 Und mich verdross alles, um das ich mich gemüht hatte unter der Sonne, weil ich es einem Menschen lassen muss, der nach mir sein wird. 19 Denn wer weiß, ob er weise oder töricht sein wird und soll doch herrschen über alles, was ich mit Mühe und Weisheit geschafft habe unter der Sonne. Das ist auch eitel. 20 Da wandte ich mich dahin, dass ich mein Herz verzweifeln ließ an allem, um das ich mich mühte unter der Sonne. 21 Denn es muss ein Mensch, der seine Arbeit mit Weisheit, Verstand und Geschicklichkeit mühsam getan hat, es einem andern zum Erbteil überlassen, der sich nicht darum gemüht hat. Das ist auch eitel und ein großes Unglück.“
    Prediger 6: „3 Wenn einer auch hundert Kinder zeugte und hätte ein so langes Leben, dass er sehr alt würde, aber sein Herz sättigte sich nicht mit Gutem und er bliebe ohne Grab, von dem sage ich: Eine Fehlgeburt hat es besser als er.“

    Christen finden Hedonismus doof und glauben nicht, daß man das kurze Leben mit Party füllen muß, bevor alles aus ist. Die Bibel sagt:
    Prediger 2: „24 Ist’s nun nicht besser für den Menschen, dass er esse und trinke und seine Seele guter Dinge sei bei seinem Mühen? Doch dies sah ich auch, dass es von Gottes Hand kommt.“
    Prediger 5: „17 Siehe, was ich Gutes gesehen habe: dass es fein sei, wenn man isst und trinkt und guten Mutes ist bei allem Mühen, das einer sich macht unter der Sonne sein Leben lang, das Gott ihm gibt; denn das ist sein Teil. 18 Denn wenn Gott einem Menschen Reichtum und Güter gibt und lässt ihn davon essen und trinken und sein Teil nehmen und fröhlich sein bei seinem Mühen, so ist das eine Gottesgabe. 19 Denn er denkt nicht viel an die Kürze seines Lebens, weil Gott sein Herz erfreut.“
    Prediger 8: “ 15 Darum pries ich die Freude, dass der Mensch nichts Besseres hat unter der Sonne, als zu essen und zu trinken und fröhlich zu sein. Das bleibt ihm bei seinem Mühen sein Leben lang, das Gott ihm gibt unter der Sonne.“
    Prediger 9: „9 Genieße das Leben mit der Frau, die du lieb hast, solange du das eitle Leben hast, das dir Gott unter der Sonne gegeben hat; denn das ist dein Teil am Leben und bei deiner Mühe, mit der du dich mühst unter der Sonne. 10 Alles, was dir vor die Hände kommt, es zu tun mit deiner Kraft, das tu; denn im Totenreich, in das du fährst, gibt es weder Tun noch Denken, weder Erkenntnis noch Weisheit.“

    Im CVJM (als Parzany noch der Chef war) wurde mir erklärt: Der Mensch ist ein Wesen in der Mitte zwischen Engeln und Tieren, er hat von beiden etwas. Die Bibel sagt.
    Prediger 3: „19 Denn es geht dem Menschen wie dem Vieh: Wie dies stirbt, so stirbt auch er, und sie haben alle einen Odem, und der Mensch hat nichts voraus vor dem Vieh; denn es ist alles eitel. 20 Es fährt alles an einen Ort. Es ist alles aus Staub geworden und wird wieder zu Staub.“

    Christen sagen: Das Leben hat einen Sinn. Die Bibel sagt:
    Prediger 4: “ 2 Da pries ich die Toten, die schon gestorben waren, mehr als die Lebendigen, die noch das Leben haben. 3 Und besser daran als beide ist, wer noch nicht geboren ist und des Bösen nicht innewird, das unter der Sonne geschieht.“

    Konservative Christen sagen: Früher war alles besser. Die Bibel sagt:
    Prediger 7: „10 Sprich nicht: Wie kommt’s, dass die früheren Tage besser waren als diese? Denn du fragst das nicht in Weisheit.“

    Die Tora ruft auf zum Einhalten der Gebote, und das NT und die Christen rufen auf zur Heiligung. Die Bibel sagt:
    Prediger 7: „16 Sei nicht allzu gerecht und nicht allzu weise, damit du dich nicht zugrunde richtest.“
    Prediger 9: „2 Es begegnet dasselbe Geschick dem einen wie dem andern: dem Gerechten wie dem Gottlosen, dem Guten und Reinen wie dem Unreinen; dem, der opfert, wie dem, der nicht opfert. Wie es dem Guten geht, so geht’s auch dem Sünder.“

    Viele glauben, sie hätten Gott erkannt und sein Wort verstanden. Die Bibel sagt:
    Prediger 8: „17 Und ich sah alles Tun Gottes. Denn ein Mensch kann das Tun nicht ergründen, das unter der Sonne geschieht. Je mehr der Mensch sich müht zu suchen, desto weniger findet er. Und auch wenn der Weise meint: »Ich weiß es«, so kann er’s doch nicht finden.“

    Einige hoffen auf Lohn bei Gott. Die Bibel sagt:
    Prediger 9: „5 Denn die Lebenden wissen, dass sie sterben werden, die Toten aber wissen nichts; sie haben auch keinen Lohn mehr, denn ihr Andenken ist vergessen. 6 Ihr Lieben und ihr Hassen und ihr Eifern ist längst dahin; für immer haben sie keinen Teil mehr an allem, was unter der Sonne geschieht.“

    Die Bibel erklärt, wie sie zu verstehen ist:
    Prediger 12: „9 Es bleibt noch übrig zu sagen: Der Prediger war ein Weiser und lehrte auch das Volk gute Lehre, und er hörte und forschte, er formte viele Sprüche. 10 Der Prediger suchte, dass er fände angenehme Worte und schriebe recht die Worte der Wahrheit. 11 Die Worte der Weisen sind wie Stacheln, und wie eingeschlagene Nägel sind die einzelnen Sprüche; sie sind von einem einzigen Hirten gegeben. 12 Und über sie hinaus, mein Sohn, lass dich warnen: Des vielen Büchermachens ist kein Ende, und viel Studieren macht den Leib müde.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.