Argumentationstraining mit Thomas von Aquin

Heute möchte ich einen Geheimtipp weitergeben: Wenn Du gerne lernen möchtest, noch besser über den Glauben reden und diskutieren zu können, dann empfehle ich Dir, die „Summe der Theologie“ von Thomas von Aquin zu studieren. Er gibt uns ein sehr schönes Beispiel, wie gute Argumentation aussehen kann und sollte. Thomas von Aquin hat dieses Werk in den Jahren von 1265 – 1273 geschrieben, natürlich auf Latein. Doch es gibt ja zum Glück Übersetzungen. Ich persönlich nutze die englische Übersetzung, die es auf der Seite CCEL kostenlos als PDF zum Download gibt. Eine Lateinisch-deutsche Parallel-Übersetzung gibt es auf der Seite der Universität Freiburg (CH) in der Bibliothek der Kirchenväter, die allerdings nur online durchsuchbar ist und leider nicht heruntergeladen werden kann.

Thomas von Aquin hat diese „Summe“ als eine Einführung in den Glauben für Neulinge im Glauben geschrieben, und sie besteht aus einer Vielzahl von Fragen. Bei jeder Frage beginnt er damit, dass er die Gegenposition beschreibt und die besten Argumente der Gegner aufzählt. Sodann stellt er seine eigene Position vor und begründet sie. Am Schluss widerlegt er jedes Argument der Gegenposition einzeln. Das ist die optimale Art und Weise, wie man richtig gut argumentiert. Deshalb empfehle ich dieses Werk, um die Kunst der Argumentation zu lernen und verbessern.

Die „Summe“ ist einschüchternd groß. Die englische Übersetzung zum Beispiel umfasst fast 7000 Seiten. Lass Dir davon keine Angst machen. Es sind hunderte von Fragen und Antworten, aber das ist erst einmal völlig egal. Schau Dich im Inhaltsverzeichnis um, und suche Dir mal 15 – 20 Fragen heraus, die Dich interessieren. Dann suche diese Fragen auf und studiere sie sorgfältig – indem Du die folgenden Fragen dazu für Dich beantwortest:

Fragen zum Studium:
  1. Wie geht Thomas vor, um die Position der Gegner möglichst fair und überzeugend darzustellen?

  2. Wüsstest Du noch ein besseres Argument für die Gegenposition als die von Thomas aufgezählten?

  3. Auf welche Quellen greift Thomas zurück, um im Hauptteil seine eigene Position zu stützen? Welches sind seine Autoritäten? (Bibel? Kirchenväter? Philosophen?)

  4. Bist Du mit Thomas’ Sichtweise und Argumentation einverstanden?

  5. Wenn ja, welches Argument findest Du besonders stark?

  6. Wenn nein, was wäre Deine Sichtweise? Formuliere sie möglichst schriftlich – oder zumindest ganz klar und deutlich im Kopf.

  7. Auf welche Quellen und Autoritäten greifst Du zurück, um Deine Sichtweise zu begründen?

  8. Jetzt bist Du an der Reihe. Nimm jede Widerlegung von Thomas’ Gegenpositionen und widerlege sie mit guter Begründung Deinerseits selbst.

Es dürfte eine Weile dauern, um die ersten 20 Fragen so zu studieren. Gib nicht auf, denn es ist ein wertvolles Training. Wie gesagt, lass Dich nicht von der schieren Menge an Fragen erschrecken und vom Weitermachen abhalten. Was Dich nicht interessiert, das überspringe einfach. Ich habe beim Lesen schon oft gestaunt, auf welche Fragen Aquin überhaupt gekommen ist – Fragen, die ich mir nie gestellt hätte, die aber sehr spannend sind, wenn man sich erst einmal damit beschäftigt.

Warum sollen wir überhaupt ein „Argumentationstraining“ machen? Es hilft uns, dass wir unsere Überzeugungen besser erkennen, prüfen und kommunizieren lernen. Es hilft uns auch, zu erkennen, wer unsere Überzeugungen prägt und wir lernen dabei, Diskussionen so zu führen, dass wir bei der Sache bleiben und um Inhalte ringen, statt falsche Argumente, Angriffe auf Personen, Strohmänner und Fehlschlüsse zu produzieren. Wenn mehr Menschen lernen, richtig und schlüssig zu argumentieren, würde uns viel Streit, Missverständnis und unnötiger Ärger erspart bleiben. Außerdem ist es auch im Gespräch mit Menschen hilfreich, denen wir die Liebe Jesu weitergeben wollen.

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Über Jonas Erne

Ich bin Ehemann, Vater, Theologe, Gemeindereferent, Vielleser. Auf meinem Blog geht es um Gelesenes, aber auch um die Auseinandersetzung mit Fragen des täglichen Lebens, mit der Kultur und der Bibel. Hin und wieder gibt es auch kreative Texte wie Gedichte, kurze Geschichten und mehr.

10 thoughts on “Argumentationstraining mit Thomas von Aquin

  1. Ja, Thomas v. Aquin – der letzte große Theologe! Ein wahrer Denker! Zu einem solchem wird man niemals heranreichen wenn man nur das fixierte Bibelwort gelten lassen will.
    Thomas v. Aquin wurde nicht zuletzt auch deshalb groß, weil er gründlich Aristoteles studiert hatte.

    1. „Ein wahrer Denker! Zu einem solchem wird man niemals heranreichen wenn man nur das fixierte Bibelwort gelten lassen will.“

      Auf jeden Fall: Wer das Bibelwort so missachtet, wird nie ein Denker in den Augen Gottes werden.

      1. Weshalb kann man immer nur in Gegensätzen denken? –
        Es ist doch allgemein bekannt, dass das evangelikale Denken auf einem Tiefstand ist:
        „Unglücklicherweise hat der Fundamentalismus niemals (!) einen großen Denker hervorgebracht. Wenn man das Werk der religiösen Presse seit der Jahrhundertwende überprüft, wird man nicht ein einziges Buch von einem Fundamentalisten finden, das den Beweis unabhängigen Denkens erbringt.“
        A.W. Tozer
        https://manfredreichelt.wordpress.com/2017/07/12/zurueck-zu-bibel-und-bekenntnis/

        1. „Weshalb kann man immer nur in Gegensätzen denken?“

          Ja, warum machen Sie es dann?
          Und auch noch mit einem Zitat von Tozer, der Pastor, der nur die Bibel gelten lassen wollte.

          1. Ja, weil Tozer sehr gut die Schwächen des Biblizismus erkannte, aber möglicherweise eben doch nicht zum Schluss kam, dass das allein an der Enge des Denkens liegen könnte. Was aber offensichtlich ist.
            Würden wir nur nach der Bibel gegangen sein, würden wir heute noch denken, dass die Erde auf Säulen ruhe.

    2. Wer der Meinung ist, er könnte Jesus in einer Monstranz einsperren, ist ein Denker, der zwar die Bibel im Schrank stehen, aber den Inhalt nicht begriffen hat.
      Was nutzt das Denken, wenn der Heilige Geist nicht weht und das Wort Gottes aufschließt …

      1. Thomas v. Aquin war eben auch ein Kind seiner Zeit. Aber er wollte die Kathol. Lehre eben nicht nur Ja-, Ja-sagend zur Kenntnis nehmen, sondern sie auch mit den Mitteln der Logik verstehen. In diesem Sinne kann er uns schon zum Vorbild dienen.
        Außerdem gibt es ja auch heute noch Leute, die wollen unbedingt, dass wir an ein wortwörtliches 6-Tage-Werk glauben…. Das ist nach dem heutigen Wissensstand nun wirklich schlimm. Da ist das mit der Monstranz harmlos.

  2. —Weshalb kann man immer nur in Gegensätzen denken ?—
    Weil man sich immer für die eine oder andere Seite entscheiden wird.

    —,,Unglücklicherweise hat der Fundamentalismus niemals (!) einen großen Denker hervorgebracht.—
    Heißt dann doch nicht, daß das Denken der Nichtchristen nun höher anzusiedeln wäre! Das unbesetzte Volumen fehlender christlicher Denker, kann nicht mit eigenen veränderten Thesen und Themen gefüllt werden. Der Versuch ist immer zum scheitern verurteilt,……also, ….Schuster bleib bei deinen Leisten.
    —unabhängiges Denken—
    Gibt es nicht…..das Denken ist gebunden, entweder an Gott oder an die Welt……mehr Spielraum gibt es nicht.
    Wer meint etwas anderes gefunden zu haben, will beide Seiten vermischen….
    und betrügt sich selbst!

  3. Aristoteles war in vielen Dingen ein Narr. Und wenn Thomas von Aquin ihm folgt, dann ist er ebenfalls ein Narr!

    Ein anschauliches Beispiel, daß hier nicht der Bibel gefolgt wird, sondern einem bizarren verschrobenen Ausleger.

    Wollt ihr mehr wissen?

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