Warum ich fortlaufende Bibeltexte predige IV

Hier, hier und hier habe ich bereits ein paar Gründe genannt, warum ich vorwiegend fortlaufend ganze Bibelbücher oder größere Bibelabschnitte predige. Einerseits, damit nicht nur populäre Lieblingsstellen zur Sprache kommen, sondern der ganze Ratschluss Gottes (vgl. Apg 20,27) gepredigt wird. Anderseits auch, weil fortlaufendes Predigen es besonders gut ermöglicht, die großen Linien in der Schrift zu verstehen. Insofern entspricht fortlaufendes Predigen dem Charakter der Schrift. Ferner ist fortlaufendes Predigen eine permanente Erinnerung daran, dass Gottesdienstbesuch jede Woche sein sollte.

Die ganze Schrift zeugt von Christus

Ein weiterer Grund, warum ich das fortlaufende Predigen (man nennt das lectio continua) bevorzuge, besteht in der Chance gemeinsam mit der Gemeinde zu entdecken, wie die ganze Heilige Schrift – auch das AT – von Jesus Christus und seinem Evangelium zeugt. Das wird nur schwer möglich sein, wenn man nur mal hier und dort einen Vers herauspickt. Aber es ist so wichtig! Denn Jesus Christus selbst stellt fest: „Ihr sucht in der Schrift, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben darin; und sie ist’s, die von mir zeugt“ (Joh 5,39). Und die Emmausjünger machten eine ganz beeindruckende Erfahrung mit dem auferstandenen Jesus: „Und er fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was in der ganzen Schrift von ihm gesagt war.“ (Lk 24,27).

Das bedeutet, dass es nicht nur irgendwie schade ist, wenn weite Teile der Schrift (und meistens wirds vor allem das AT sein) nie gepredigt werden. Nein, wir verpassen dann einen großen Teil dessen, was Gott über sich selbst, seinen Sohn Jesus Christus und das Evangelium uns offenbart hat. Auch der Fernsehzuschauer hat doch definitiv etwas verpasst, wenn er zu spät einschaltet. Und zwar selbst dann, wenn er die letzte halbe Stunde des Films sich viermal anschauen würde. Genauso können wir das Verpasste an Gottes Selbstoffenbarung auch nicht dadurch wieder gutmachen, indem wir andere Teile der Schrift (meist die Evangelien, einige Briefe) besonders häufig und intensiv thematisieren. Nein, wenn weite Teile der Schrift nie gepredigt werden, dann haben wir definitiv etwas von Gottes Selbstoffenbarung verpasst. Und das ist ein Problem!

Die Predigt soll in schwierige Bereiche hineinführen

Noch ein anderer Aspekt spielt hier eine Rolle. Es ist nicht immer ganz leicht zu verstehen, wie vor allem große Teile des AT von Jesus Christus zeugen. Viele ernsthafte Christen tun sich schwer damit zu erkennen, welche Bedeutung diese Texte für ihr Leben haben. Als Prediger haben wir darum eine besondere Verantwortung, die Gemeinde geradet in solche Bereiche der Schrift hineinzuführen und ihnen zu zeigen, inwiefern tatsächlich die ganze Schrift von Christus zeugt und im Bezug zum Evangelium steht.

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Dieser Blog-Beitrag von Wolfram Wobig erschien zuerst auf wobig.eu . Lies hier den Original-Artikel "Warum ich fortlaufende Bibeltexte predige IV".

Über Wolfram Wobig

Ich bin Jahrgang 1985, verheiratet mit Anne und Vater von zwei Kindern. Seit 2011 bin ich - nachdem ich in Gießen und Elstal Theologie studierte - Pastor einer evangelisch-freikirchlichen Gemeinde.

7 thoughts on “Warum ich fortlaufende Bibeltexte predige IV

  1. Wir sind froh, dass Du Wolfram als Pastor bei uns in der Gemeinde deine Verantowortung ernst nimmst, und uns das Evangelium in deinen Predigten immer wieder verständlich nahe bringst.

    HERZLICH(S)T
    Klaus

  2. Das ist ja schön und gut, aber man kann auch mal zu einem bestimmten Thema predigen und sich die passenden Bibeltexte dazu heraussuchen.

    1. Klar, das kann man tun. Bei sogenannten Themenpredigten die auf verschiedenen Einzelversen beruhen, ist nur die Gefahr größer, dass man a) Verse aus dem Zusammenhang reißt oder b) Aussagen der Schrift zu einem bestimmten Thema schlicht übersieht.
      Ein großer Vorteil der Auslegungspredigt, die einen Bibelabschnitt behandelt, besteht außerdem darin, dass hier Gottes Wort das Thema vorgibt und die Themenwahl nicht der Subjektivität des Predigers überlassen ist.

  3. Subjektivität ist immer gegeben. Denn wer sagt einem Prediger, wo er anfangen soll. Keiner wird es doch schaffen in absehbarer Zeit die ganze Bibel vorzutragen und auszulegen. In meiner Bibel sind wichtige Stellen fett gedruckt, aber auch das kann mal sehr subjektiv sein wie manchmal auch Bibelkommentare, die in manchen Bibel mitgedruckt sind. Ich denke da an eines aus einer Lutherbibel, worüber ich heute noch lachen muß. Das betrifft die Stelle, wo der 12-jährige Jesus mit den Schriftgelehrten diskutiert. Kommentar etwa: Jesus musste dadurch lernen. Der Text sagte aber aus, daß die Schriftgelehrten erstaunt waren über seine Worte.

    1. Nur weil wir Subjektivität nie ganz ausmerzen können, heißt es ja nicht, dass wir nicht versuchen sollten, diese zu begrenzen. Textauslegendes Predigen längerer Abschnitte ist dafür aus meiner Sicht ein hervorragendes Mittel 🙂

  4. Vielleicht ist es auch ein Zeichen unserer Zeit wenn Themenpredigten mittlerweile in vielen Gottesdiensten eine Textpredigt Vers für Vers vollständig ersetzt haben. Neulich sagte mir ein Dozent eines evangelikalen theologischen Seminars in Süddeutschland, daß kaum einer der neu anfangenden Semester die textbasierte Predigtform kennt. Irgendwie hat mich das erschreckt. Das ist ein Substanzverlust…

    1. Das ist in der Tat besorgniserregend.
      Zusätzlich zu den Themenpredigten gibt es ja dann noch die Vielzahl an Predigten, die zwar formal auf einem Bibeltext basieren (es wird halt ein Predigttext verlesen), diesen dann aber nicht wirklich auslegen.

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