Bin ich ein Heuchler?

Dieser Blog-Beitrag von Thomas Richter erschien zuerst auf Für den König . Lies hier den Original-Artikel "Bin ich ein Heuchler?".

Ich habe lange überlegt, welches Thema ich in meinem ersten Blog anspreche und ich komme nicht darum über eines meiner Herzensthemen zu reden: im Licht leben.

Christliche Schauspieler

Was mich bei einem Großteil von uns Christen stört ist das wir Masken tragen. Das wir uns etwas vorheucheln im Bezug auf Sünde. Jesus geht ziemlich hart mit der Selbstgerechtigkeit und Heuchelei der Schriftgelehrten und Pharisäer ins Gericht: „Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler, dass ihr das Äußere des Bechers und der Schüssel reinigt, inwendig aber sind sie voller Raub und Unmäßigkeit! Du blinder Pharisäer, reinige zuerst das Inwendige des Bechers und der Schüssel, damit auch ihr Äußeres rein werde! Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler, dass ihr getünchten Gräbern gleicht, die äußerlich zwar schön scheinen, inwendig aber voller Totengebeine und aller Unreinheit sind!“ (Mt 23,25-27; Hervorhebung v. Verf.)
Ich glaube auch heute würden viele von uns Christen diese Worte von Jesus persönlich zu hören bekommen. Wie gut ist es da doch, dass er zu uns durch sein Wort redet und wir ihn hören dürfen! Das griechische Wort ὑποκριτής (hypokrites), welches hier für Heuchler verwendet wird, bezeichnete in der Antike Schauspieler, welche Masken und Kostüme trugen. Sie waren nicht sie selbst, sondern sie spielten anderen Leuten etwas vor.

Sünden bekennen

Ich werde den Eindruck nicht los, dass viele Christen ὑποκριτής sind. Wie geht es dir damit? Spielst du deinen Mitmenschen etwas vor? Oder hast du neben Gott noch einen Bruder oder eine Schwester vor dem bzw. der du Rechenschaft und deine Masken ablegst? Versteh mich nicht falsch, Gott ist derjenige der dich reinwäscht: „Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit.“ (1Joh 1,9). Und dennoch fordert uns die Bibel immer wieder dazu auf voreinander die Sünden zu bekennen (vgl. Jak 5,16). Bonhoeffer schreibt dazu: „Woran liegt es, daß uns oft das Sündenbekenntnis vor Gott leichter wird als vor dem Bruder? Gott ist heilig und ohne Sünde, er ist ein gerechter Richter des Bösen und ein Feind alles Ungehorsams. Der Bruder aber ist sündig wie wir, er kennt die Nacht der heimlichen Sünde aus eigner Erfahrung. Sollten wir nicht den Weg zum Bruder leichter finden als zum heiligen Gott? Steht es bei uns aber anders, so müssen wir uns fragen, ob wir uns mit unserm Sündenbekenntnis vor Gott nicht oftmals selbst getäuscht haben, ob wir nicht vielmehr uns selbst unsere Sünden bekannten und sie uns auch selbst vergaben?“ Das ist eine gute Frage! Sehe ich Sünde wirklich wie Gott sie sieht? Möchte ich wirklich von ihr frei werden? Echte Buße tun? Bonhoeffer fährt fort: „Und haben nicht die unzähligen Rückfälle, hat nicht die Kraftlosigkeit unseres christlichen Gehorsams vielleicht eben darin ihren Grund, daß wir aus einer Selbstvergebung und nicht aus der wirklichen Vergebung unserer Sünde leben? Selbstvergebung kann niemals zum Bruch mit der Sünde führen, das kann nur das richtende und begnadigende Wort Gottes selbst.“

Im Licht leben

Gott hat uns ein wunderbares Geschenk bereitet, indem er uns in Gemeinschaft gestellt hat. Und die Bibel ist sehr klar wie wir in dieser Gemeinschaft leben sollen. So schreibt Paulus in seinem Brief an die Epheser: ,,Denn ihr wart einst Finsternis; jetzt aber seid ihr Licht in dem Herrn. Wandelt als Kinder des Lichts! […] Prüft also, was dem Herrn wohlgefällig ist, und habt keine Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis, deckt sie vielmehr auf. […] Das alles aber wird offenbar, wenn es vom Licht aufgedeckt wird; denn alles, was offenbar wird, das ist Licht.“ (Eph 5,8.10-11.13) Gottes Wort spricht immer wieder davon, dass wir im Licht leben sollen. Der Apostel Johannes schreibt in seinem ersten Brief: ,,Und das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen, dass Gott Licht ist und in ihm gar keine Finsternis ist.“ (1Joh 1,5) Wenn Gott Licht ist, dann sollen auch wir als seine Kinder Licht sein und in diesem Licht leben. Und im Licht leben wir, wenn wir untereinander Sünden bekennen. Wenn wir echt sind und uns nichts vorheucheln. Bonhoeffer schreibt weiter: ,,Wer schafft uns hier Gewißheit, daß wir es im Bekenntnis und in der Vergebung unserer Sünden nicht mit uns selbst zu tun haben, sondern mit dem lebendigen Gott? Diese Gewißheit schenkt uns Gott durch den Bruder. Der Bruder zerreißt den Kreis der Selbsttäuschung. Wer vor dem Bruder seine Sünden bekennt, der weiß, daß er hier nicht mehr bei sich selbst ist, der erfährt in der Wirklichkeit des Andern die Gegenwart Gottes. Solange ich im Bekenntnis meiner Sünden bei mir selbst bin, bleibt alles im Dunkeln, dem Bruder gegenüber muß die Sünde ans Tageslicht. […] Dazu ist mir der Bruder gegeben, daß ich durch ihn schon hier der Wirklichkeit Gottes gewiß werde in seinem Gericht und seiner Gnade.“ Also bekennt einander die Sünden und legt eure Masken ab, denn Gott sieht das Herz an (vgl. 1Sam 16,7)!

Geschwister unter dem Kreuz

Du solltest dich jedoch nur dem Bruder oder der Schwester öffnen, welchem/-r du vertraust bzw. welche/-r sich über die Sündhaftigkeit des menschlichen Herzens bewusst ist. Auch hier soll noch einmal Bonhoeffer zitiert werden: ,,Allein der Bruder [bzw. die Schwester] unter dem Kreuz kann meine Beichte hören. Nicht Lebenserfahrung, sondern Kreuzeserfahrung macht den Beichthörer. Der erfahrenste Menschenkenner weiß unendlich viel weniger vom menschlichen Herzen als der schlichteste Christ, der unter dem Kreuz Jesu lebt. Die größte psychologische Einsicht, Begabung, Erfahrung vermag ja das eine nicht zu begreifen: was Sünde ist.“ Es muss christliche Vorreiter geben, welche beginnen ehrlich zu sein und ihre Sünden zu bekennen. Die ihre Masken abnehmen. Eine Kultur der Ehrlichkeit kann man sich nicht herbeiwünschen, sondern man muss sie selbst leben. Ich habe diese Erfahrung selbst in meinem Leben gemacht und weiß wie gut und befreiend es ist einander die Sünden zu bekennen.

Freiheit durch Bekenntnis

Viele Jahre war ich in Pornografie gefangen und mit depressiven Gedanken belastet. Ich schämte mich, weil ich dachte das ich der Einzige war, dem es so erging. Und als Student der evangelischen Theologie sollte ich sowas doch nun wirklich nicht tun! Zu diesem Zeitpunkt hatte ich keine Ahnung was Gnade ist und das (negative) Scham mich nicht mehr bestimmen sollte, weil Jesus mich nun bekleidet (vgl. Gal 3,27). Nach und nach erkannte ich, dass es so vielen – vor allem Männern – wie mir ergeht. Ich lernte Christen kennen, welche ehrlich und „Kreuzeserfahrer“ waren. Nach und nach trat ich ins Licht und die Finsternis, die Sünde, die depressiven Gedanken verloren an Kraft. Welch große Befreiung! Jedoch hörte das Bekennen danach nicht auf, sondern es ist etwas, was wir als Christen kultivieren sollten. Und nach und nach werden wir die finsteren Bereiche, durch Jesu Kraft, in unserem Leben überwinden und sie werden vom Licht Gottes durchdrungen, wir werden zu Überwindern und können vor Gläubigen wie Ungläubigen unsere vergangen Sünden, Kämpfe und Schwachheiten bekennen, sodass Christus alle Ehre bekommt. Das erlebe ich derzeit, da ich recht häufig Zeugnis über meine vergangene Pornosucht geben darf. Ich werde zu Jugendtagen oder in Jugendstunden eingeladen. Überall ist so eine große Not. Nicht nur bei der Jugend, sondern auch bei den (Ehe-)Männern und immer mehr auch bei Frauen. Ihr glaubt gar nicht wie viel Bekenntnisse ich in diesem Bereich schon gehört habe. Das ist gut auf der einen Seite, weil es ans Licht kommt, aber auf der anderen Seite sehr traurig, weil scheinbar erst ein „externer“ Christ kommen muss, damit Menschen sich öffnen. Liebe Christenheit, das ist Aufgabe jeder Gemeinde! Lebt im Licht und nehmt endlich eure Masken ab! Was wäre wenn Jesus heute in unsere Gemeinden kommen würde? Würde er vielleicht wieder sagen müssen: „Ihr Heuchler!“? Prüft euch und eure Gemeinde selbst.

Bedingungslose Liebe & Gottes Heiligkeit

Meines Erachtens können sich u.a. zwei „Krankheiten“ in unseren Gemeinden ausbreiten, wenn wir nicht ehrlich zu uns selbst und unseren Geschwistern gegenüber sind. Zum Einen wird Sünde verharmlost, da niemand mehr Sünde konfrontieren möchte, da man selbst in Finsternis lebt und womöglich auch darinnen bleiben möchte. Zum Anderen, der Gegensatz zur ersten „Krankheit“, wird man hart und gesetzlich gegenüber dem Sünder und empört sich über diesen. ,,So etwas würde ich niemals tun!“ Mag sein, dass du nicht diese Sünde getan hast (fähig bist du dazu allemal, wenn du die Abgründe deines menschlichen Herzens wirklich kennst), aber du hast andere Sünden begangen. Und was sagt Jesus in diesem Fall noch einmal? Richtig: ,,Was siehst du aber den Splitter im Auge deines Bruders, und den Balken in deinem eigenen Auge bemerkst du nicht? Oder wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Bruder, halt, ich will den Splitter herausziehen, der in deinem Auge ist! — während du doch den Balken in deinem Auge nicht siehst? Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, und dann wirst du klar sehen, um den Splitter herauszuziehen, der im Auge deines Bruders ist!“ (Lk 6,41f.)

Das Bewusstsein über meine eigene Sündhaftigkeit macht mich demütig und lässt mich den Sünder in Liebe und Barmherzigkeit anblicken, denn wem viel vergeben ist, der liebt viel (vgl. Lk 7,47). Und in dieser Herzenshaltung darf ich auch Sünde beim Namen nennen und den „Splitter“ in meines Bruders Auge herausziehen.

Ich glaube, wenn wir im Licht leben, wird die Liebe und Barmherzigkeit in unseren Gemeinden zunehmen und Gottes Heiligkeit wird uns wieder mehr bewusst, weil wir Sünde beim Namen nennen und sehen können, wie viel es Gott gekostet hat, uns von diesem Elend freizukaufen.

Also: Lasst uns keine „Plastikchristen“, Schauspieler, Heuchler, oder was auch immer mehr sein, sondern lasst uns unsere Masken ablegen!

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Quellen: Schlachter 2000 + Dietrich Bonhoeffer: „Gemeinsames Leben“

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Über Thomas Richter

Ich bin 30 Jahre alt und glücklich mit Jana verheiratet. Ich bin Theologe, bin fasziniert und überführt von dem Wort Gottes und ich liebe es Lobpreis zu machen. Ich leite, gemeinsam mit einem Bruder im Herrn, die Netzwerkgemeinde in Dresden.

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