Flower Power?

Ein Artikel von Carl R. Trueman:

Vor kurzem machte ein Tweet des Union Theological Seminary in New York City deutlich, dass die Einrichtung, die früher Koryphäen von der Größe eines Reinhold Niebuhr und Paul Tillich hervorbrachte, nun zu einer innovativen Bußpraxis ermutigt: Das Sündenbekenntnis gegenüber Pflanzen. Um den Tweet zu zitieren: „Heute in der Kapelle beichteten wir zu Pflanzen. Zusammen hielten wir unseren Schmerz, Freude, Reue, Hoffnung Schuld und Leid im Gebet fest; und opferten dies an Wesen, die uns erhalten, deren Gaben wir jedoch viel zu selten ehren. Was bekennst du den Pflanzen in deinem Leben?“ (Hier geht’s zum Original Tweet)Leider berichtet das Seminar nichts darüber, wie die Pflanzen auf diese verspätete Beichte reagierten.

Das spiegelt etwas wieder, dass ich in vielen Jahren zahlreichen Studenten vorhielt: Die Liberale Theologie mag durchaus in höchst anspruchsvollen Theorien verwurzelt und von äußerst intelligenten Leuten vertreten sein, und doch tendiert sie zu liturgischen Praktiken, die im besten Fall banal und im schlimmsten einfach nur kindisch sind. Zu Pflanzen zu reden hat beste Aussicht zum zweiten Fall zu gehören. Lieber der robuste Atheismus eines Bertrand Russell oder eines Christopher Hitchens als die kindischen Possen eines typisch liberalen Christen.

Welche Absicht verfolgen diese Menschen genau, wenn sie diesen Pflanzen ihre Sünden bekennen? Welche Sünden haben Sie gegenüber diesen begangen und über welche genau wären diese Kräuter und Sträucher besorgt? Aufgrund der Tatsache, dass die meisten- wenn nicht alle – dieser reuigen Sünder Pflanzen irgendeiner Art essen, wird doch hoffentlich nicht von uns erwartet, dass wir gegenüber diesen lackierten Bekenntnissen Sympathien haben, während die „kräuterliche Gesellschaft“ dieselben als Serienmörder der übelsten Sorte betrachtet? Auf die Frage, was ich den Pflanzen in meinem Leben beichte, antworte ich:“Nichts“ – und bis heute hat keine mir bekannte Pflanze sich besorgniserregend über mein Schweigen geäußert.

Natürlich albere ich rum, aber meine Albernheit erhebt eine wichtige Frage. Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Fakultät und die Studenten am „Union“ mich als einen zurückgebliebenen, engstirnigen und möglicherweise sogar gefährlichen Fundamentalisten betrachten – nicht nur weil ich sonntäglich das Nicaenum rezitiere, sondern weil ich tatsächlich glaube, dass es metaphysische und historische Wahrheit ausdrückt. Gleichzeitig bekennen sie am „Union“ ihre Sünden zu Wesen, die weder Bewusstsein noch Wahrnehmung besitzen. Ist dies irgendwie reifer und vernünftiger? Die Pflanzen profitieren nicht von den Bekenntnissen der Studenten, noch geben Sie Antwort darauf. Solche Bekenntnisakte sind in der Tat Arten pseudo-geistlicher Onanie, denn der einzige Nutzen, denn das Individuum möglicherweise daraus ziehen kann, ist therapeutische Zufriedenstellung. Beim Duschen zu singen könnte genauso hilfreich, wesentlich demütiger bezüglich des metaphysischen Anspruchs und vor allem viel weniger kindisch sein.

Die beteiligten Personen können mir nur leid tun. Nicht nur weil sie für das Privileg geeignete christliche Theologie oder orthodoxe Praxis nicht unterrichtet zu bekommen, gutes Geld an das Union Theological Seminary bezahlen. Auch nicht, weil es mich peinlich berührt,dass Erwachsene – intelligente Menschen – sich wie zurückgebliebene Kinder benehmen. Der echte Grund für mein Mitleid ist, dass sie der Möglichkeit echter Vergebung beraubt werden. Sündenbekenntnis ist kein Monolog. Das christliche Bekenntnis ist ein Dialog und muss ein solcher sein. Der Christ bekennt seine Sünden und der Priester oder Diener verkündigt Vergebung. Das mag von römischen, östlichen, lutherischen, anglikanischen und reformierten Kirchen unterschiedlich verstanden werden, und es mag im Privaten stattfinden als 1-zu-1 Gespräch oder im gemeinschaftlichen Kontext der öffentlichen Anbetung, dennoch bleibt der Dialog höchst wichtig.

Sünde wird bekannt, damit sie vergeben werden kann. Der bloße Akt des Bekennens, wie therapeutisch er auch sein mag, ist nur die halbe Sache. Das gilt auch im nicht religiösen Milieu. Wenn ich meiner Frau bekenne, dass ich mich ihr gegenüber irgendwie versündigt habe, empfange ich keine Befreiung bis sie sagt, dass sie mir vergibt. Wie viel mehr gilt dies dann im religiösen Kontext, wo Sünden gegenüber Gott im Zentrum stehen? Das Individuum muss Worte der Vergebung durch Gott hören, ob sie nun durch einen Priester, Diener oder christlichen Freund kommen. Eine Sünde, die einfach nur einer Pflanze bekannt wird, ist eine Sünde, die nicht vergeben werden kann, aus dem einfachen Grund, dass Pflanzen genauso wenig vergeben wie beleidigt werden können.

In fünfzig Jahren werden unsere Kirchen leer sein, und der Grund liegt vor unser aller Augen. Die Generation der heute Studierenden wird zu Dienern und Pastoren aufwachsen, die nichts zu sagen hat – und die meisten Menschen haben an einem Sonntag wichtigeres zu tun, als denen zu zu hören, die nichts zu sagen haben, aber dafür bezahlt werden möchten. Wie Psalm 115 andeutet, werden jene, die Götzen anbeten, diesen ähnlicher. Die Lektion daraus? Sprich zu den Pflanzen und höre auf ihre Antwort – merke auf! Denn dass wird der Inhalt der Botschaft sein, die du predigen wirst.


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Carl R. Trueman unterrichtete lange Zeit Kirchengeschichte am Westminster Theological Seminary und unterrichtet seit 2018 am Grove City College. Der hier veröffentlichte Artikel erschien zuerst am 2am 19.09.2019 auf firstthings unter dem Titel: Flower Power. 

Übersetzung mit freundlicher Genehmigung des Autors und firstthings.

Dieser Blog-Beitrag von Sergej Pauli erschien zuerst auf Glauben und Denken (alt) . Lies hier den Original-Artikel "Flower Power?".

Über Sergej Pauli

Hallo, ich bin Sergej Pauli, Jahrgang 1989 und wohne in Königsfeld im Schwarzwald. Ich bin Ingenieur, verheiratet, habe vier Kinder. Diesen Blog möchte ich nutzen, um über das Wort Gottes und seine durchdringende Wirkung bis in unsere Zeit zu schreiben. Hast du bestimmte Fragen oder Anliegen, dann scheue dich nicht, mich zu kontaktieren. Hast du bestimmte Fragen oder Anliegen, dann scheue dich nicht, mich zu kontaktieren.

14 thoughts on “Flower Power?

  1. Der Kernsatz ist „…und opferten dies an Wesen, die uns erhalten …“.

    Nun, Pflanzen als Nahrungs- und Sauerstoffspender mögen den Körper am Leben erhalten, aber nicht das ewige Leben schenken. Wem das irdische Leben und damit der Materialismus wichtiger ist als der Blick auf die Ewigkeit, der betreibt solchen Unfug und erwartet den Zuspruch der Sündenvergebung von Pflanzen und anderen materiellen Dingen. Der spricht auch Pflanzen ein „Wesensein“ zu. Esoterik pur.

  2. Der Phantasie des ,,Sünders“ sind keine Grenzen gesetzt,…der Selbstbetrug ist ihm lieber als in der Begegnung mit Christus die Freiheit zu erlangen.

    UNFASSBAR…… und unfassbar dumm….Klugheit schützt vor Torheit nicht.

  3. „Leider berichtet das Seminar nichts darüber, wie die Pflanzen auf diese verspätete Beichte reagierten.“

    Wie hat sich Gott gegenüber dir bei deiner Beichte gegenüber ihm denn geäußert, Carl?

    Du hast denn Sinn dieses Zeremoniells nicht verstanden, Carl!

    1. Jazzico,
      zunächst einmal bin ich gar nicht mit allem einverstanden, was Carl Trueman oben schreibt, ich finde m.E. dass er zu viel Wert auf die Vermittlung der Vergebung Gottes durch Menschen legt.
      Dennoch fand ich den Artikel gut, und auch herausfordernd.

      Denn: Ich habe mich gleich gefragt: Ja liegt denn keine Schuld vor, wenn ich einen Wald anzünde, oder eine Atombombe auf einem Atoll teste!

      Antwort: sehr wohl, liegt Schuld vor, für diese Schuld kann ich aber Vergebung nur bei Gott empfangen! Deswegen gibt es keine Hoffnung der Vergebung für jemanden, der die Pflanzen in die Kapelle bringt und sich vor ihnen niederkniet (vergleiche Bild im Twitter-text)

      Deswegen ist es nicht die richtige Reaktion so zu tun, als würde Trueman mit sienem Artikel zu veratwortungslosem Umgang mit der Schöpfung aufrufen

      1. Sorry, ich habe nicht die geringste Ahnung, was du in meinen Beitrag hinein interpretierst.

        Die kritisierte Aktion ist mE eine Aktion, die die Bewahrung der Schöpfung und die Ehrfurcht vor den gottgegebenen Reccourcen betont. Es geht ja nicht um die Anbetung von Pflanzen oder sowas, sondern um die Dankbarkeit gegenüber Gott für diese dem Menschen geschenkten Gaben und gegen eine Verantwortungslosigkeit mit der wir Pflanzen und Tiere oft auch behandeln, ausnutzen und fressen.

        Daraus wird flugs Gotteslästerung gemacht.

        Aus diesem Blickwinkel schaue ich.

        Wie auch immer, Gott sieht das Herz an und nicht, was Fanatiker Carl daraus macht,

          1. Bittere Ironie bringt nichts. Nur Verständnis!

            Ein Bußgebet zu Gott zu sprechen ohne Wiedergutmachung (das ist die Bedeutung von Buße) am verletzten Menschen bringt auch nichts.

            Durchforste mal dein Glaubensleben nach schlimmeren nutzlosen Ritualen.

  4. Ich habe schon genug damit zu tun gegenüber Menschen in der richtigen Haltung zu leben, das Richtige zu sagen und wo nötig Buße zu tun. Wenn ich das kann mache ich mit den Tieren und dann mit den Pflanzen weiter 🙂

    1. Hübscher Aphorismus, nur als Argument recht Schwach.

      Man stelle sich vor:
      Ich habe schon genug damit zu tun, mich mich meinen Landsleuten gegenüber korrekt zu verhalten.
      Wenn ich das kann kommen die Zigeuner, Kanaken, Spaghettifresser usw. dran.
      (Rassismus als Stilmittel bewusst eingebaut)

      Unsere eigene Unzulänglichkeit ist keine Entschuldigung.

      Das wir (teilweise) eine andere Einstellung zur Natur gewinnen ist absolut richtig.
      Über einzelne Maßnahmen lässt sich allerdings streiten…

      1. Mir ist bei der Übersetzung aufgefallen, dass Buße im Deutschen weniger die Bedeutung eines Gottesdienstes trägt, wie die englische Verwendung. Vergleiche einfach mal den Originaltweet. Hier geht es nicht einfach darum zu einem Wesen „Sorry“ zu sagen, sondern um ein Sakrament, dass Erlösung und Vergebung vermitteln soll. Entsprechend auch die sakrale Atmosphäre und sogar die Kommunikation durch Gebet! Buße gegenüber Pflanzen kann niemals ein Gnadenmittel werden und ist törichter Götzendienst… Jedoch bleibt es ja nicht dabei, die Studenten am Union schließen ihren Tweet klar damit, dass sie ihre Bußübungen für nachahmenswert halten…was wohl wirklich bizarr wird

  5. Spinoza,

    Du hast da aber auch was eingebaut…..

    Wir alle erkennen das wir gedankenlos mit unserer Umwelt umgegangen sind…. da ist es wohl angebracht umzudenken… jeder kann anfangen seinen Lebensstil zu überdenken.
    Doch wenn man meint man gehört jetzt zu den Weiterdenkenden und klagt alles ein, was versäumt wurde, dann erhebt man sich selbst auf einen Level, einer Elite von Besser-Menschen.
    Von ,,nur“ Landsleuten hat niemand gesprochen, und abwertende Worte der Ausländischen Mitbürgern, finden sich ganz sicher ,,hier“ nichtmal in den Gedanken wieder.
    Hast du Vorurteile? Weil du von Pflanzen und Tieren auf Rassismus kommst?
    Und wer soll denn was entschuldigen?
    —Das wir eine andere Einstellung zur Natur gewinnen ist absolut richtig—
    Ja und wird höchste Zeit…. Aber da gefällt mir die Aussage von Jazzico, ….nämlich: Es geht nicht um die Anbetung von Pflanzen, sondern um die Dankbarkeit gegenüber Gott, der dem Menschen die Gaben schenkt.

    1. Mein Beispiel mit dem Rassismus soll niemanden etwas vorwerfen oder beleidigen.
      Es dient nur als (extremes ) Beispiel um die Schwäche des Arguments auf zu zeigen.
      Es schien mir nur passend da es ein Wechsel von Artenübergreifenden Fehlverhalten, auf Arten internes Fehlverhalten ist.

      Zur Verdeutlichung:
      Wir sprechen nicht von aufwendigen Taten im Bereich Umweltschutz.
      “ die Richtige Haltung, das Richtige zu sagen und wo nötig (!) Buße zu tun“ (frei zitiert nach Matze )

      Nach eigener Aussage gibt man zu das es GUT ist, und das Buße womöglich nötig ist. Man braucht also nicht mich oder jemand anderen als Besserwisser, man weiß es selber.

      Man tut es aber nicht weil man beschäftigt ist und handelt so gegen das eigene Gewissen.

      Interessant:
      Wenn ich zb zugebe das Buße für etwas notwendig ist (!) Es aber nicht bereue….
      Ist das nicht sehr problematisch?

      Und ja, Pflanzen Anbetung ist falsch. Da haben sie absolut recht.

      An dieser Stelle noch ein passender Vers der praktisch meine gesamte Kritik zusammenfasst.
      Jakobus 4.17
      „Wer nun weiß, Gutes zu tun, und tut es nicht, dem ist es Sünde.“

      Trotzdem vielen Dank für deine Kritik, ich gebe zu sie war teilweise berechtigt und ich werde versuchen nicht mehr ganz so Aggressiv zu argumentieren.

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