Evangelikale Bibelkritik durch Psychotherapie-Gläubigkeit

Ulrich Parzany hat die evangelikale Leserschaft des letzten Newsletters von Bibel und Bekenntnis mit folgendem Satz aufhorchen lassen: „Jetzt aber hat ein prominenter Vertreter der Gemeinschaftsbewegung, der Ärztliche Direktor der Klinik Hohe Mark, Dr. Martin Grabe, in einem Buch überraschend klar für die Trauung und Segnung gleichgeschlechtlicher Paare in christlichen Gemeinden votiert“. Sein Kommentar dazu lautet: Das Versteckspiel ist zu Ende – Was kommt nun?
Was man als geistlichen Erdrutsch im Blick auf Bibeltreue im  Gnadauer Verband deuten könnte, ist geschichtlich gesehen gar nicht so neu. Darüber war ich bereits 1999 durch einen idea-Bericht aufgeschreckt worden und habe dazu folgenden Leserbrief geschrieben, der damals gedruckt worden ist:

Aktualisierter Leserbrief zum Bericht „Fromm, frommer am frömmsten“ in idea Spektrum10/1999

„Als geistliches Kind der Gemeinschaftsbewegung, Absolvent des Bibelseminars St. Chrischona und Prediger in einem Gnadauer Verband, verschlug mir der idea-Bericht über den Gießener Chrischona-Männertag schier die Sprache. Was der „Biblische Lebensberater“… des Gemeinschaftswerkes dort zum Besten gab, war entweder ein Versehen, oder es war – ein Skandal. Wenn der Bericht zutrifft – was ich annehmen muss -, dann kann ich über das heutige Lehrniveau der ehemaligen Erweckungs- und Heiligungsbewegung nur mit Paulus „große Traurigkeit und Schmerzen ohne Unterlaß in meinem Herzen haben“ (Röm 9, 2). Da gibt es Bibelkritik pur! Zentrale Aussagen Jesu Christi und der Apostel werden neutralisiert und  als depressiv machend bezeichnet.

Bei seinem Frontalangriff gegen biblische Grundwahrheiten hat der auch psychologisch geschulte Referent es auf  „das Streben nach Vollkommenheit“ abgesehen. Nach seiner Ansicht ist „der Wunsch, möglichst sündlos zu leben“, keine akzeptable neutestamentliche Forderung, sondern „eine evangelikale Version des Mottos ‚schneller, höher, weiter“. Darin aber läge die „Gefahr, sich im Glaubensleben ständig zu überfordern“, was psychisch krank machen müsse. Folgerichtig bedient sich der Referent denn auch eines bei Psychotherapeuten „bewährten“ Mittels, um Christen von ihren Vollkommenheitszwängen zu „therapieren“: Das Heiligungsziel wird stark reduziert bzw. relativiert,  um vom Gewissensdruck zu entlasten. Dabei werden jedoch biblische Befehle, wie „Jaget der Heiligung nach, ohne welche niemand den Herrn sehen wird“ (Hebr 12,14),  dreist zu „überhöhten Idealen und Zielen“ umfunktioniert und entkräftet. Ferner wird Jesus selbst und seine Lehre damit in Frage gestellt. In der Bergpredigt gebietet Jesus seinen Nachfolgern eindeutig: „Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist“ (Mth 5, 48). Wenn aber schon „der Wunsch, möglichst sündlos zu leben“, psychisch schädigend ist, dann unterstellt man JESUS, er habe sich bei der Angabe dieses Heiligungszieles geirrt.

Wer wollte leugnen, dass solch ein arroganter Umgang mit Gottes Wort nicht eine versteckte Bibelkritik ist? Diese wird im Vergleich etwa mit dem Kahlschlag von Theologen wie Drewermann und Lüdemann von Evangelikalen jedoch kaum wahrgenommen.

Die bibelkritische Haltung aber wirkte sich blockierend im Prozeß der Heiligung aus. Sie verhindert eine fortschreitende „Erkenntnis der Sünde“ (Röm 3,20). Wenn das Sündigen jedoch toleriert wird, kommt es nicht zu der nötigen Heiligungskrise: „Ich elender Mensch, wer wird mich (aus ihren Zwängen) erlösen?“ (Röm.7). Dies wiederum verhindert den Durchbruch zum „Wandel im Geist“ (Rö 8). Durch diesen wohnt nämlich der Sieger Jesus in den Herzen der Seinen und streitet für sie. Daher werden in 1 Joh 5, 4 alle Wiedergeborenen als „Weltüberwinder“ bezeichnet. Der Christus in ihnen befähigt sie, als solche zu leben.

Weitgehend unbekannt sind leider die geschichtlichen Ursachen, durch welche die evangelikale Bewegung um 1900 in eine tragische Fehlentwicklung geriet. Im Kontext der „Berliner Erklärung“ gingen im Blick auf die Heiligungslehre kostbare Siegesakzente verloren.
Um die Klärung der Hintergrund-Ereignisse, doch primär um einen Offenen Himmel für einen Neuanfang nach vorn geht es  in der geschichtlichen Studie: Von der Babylonischen Gefangenschaft evangelikaler Christen“.
Damit der ersehnte Neuaufbruch als nächstes kommt…, dafür wollen wir aufrichtig beten und – vorweg dafür danken!

Dieser Blog-Beitrag von Herbert Masuch erschien zuerst auf Christus-Portal-Blog . Lies hier den Original-Artikel "Evangelikale Bibelkritik durch Psychotherapie-Gläubigkeit".

Über Herbert Masuch

HERBERT MASUCH wurde 1929 in Ostpreußen geboren. Nach den Zusammenbruch des Dritten Reich erlebte er eine bewusste Umkehr zu Jesus Christus. Von 1954 bis 1958 studierte er am Theologischen Seminar St. Chrischona in der Schweiz. Es folgte ein mehrjähriger Dienst in der Essener Stadtmission. 1963 wechselte er als Evangelist in die Deutsche Zeltmission. Etwa dreißig Jahre lang war Masuch im In- und Ausland als Rufer zu Gott unterwegs. Auch durch die Mitarbeit beim Evangeliums-Rundfunk, die Veröffentlichung mehrerer Bücher und als Liedautor war er bemüht, die Frohe Nachricht von Jesus, dem Retter der Welt, zu bezeugen. Seit 1964 sind Masuch’s glücklich verheiratet und haben drei Kinder. Ehefrau Gretel war mit ihrem Mann viele Jahre missionarisch unterwegs. Heute wendet sich der ehemalige Evangelist überwiegend an Christen. Er bietet Hilfen an, die befreiende Botschaft „Christus in euch“ erstmals oder neu zu entdecken und zu verwirklichen. Diesem Anliegen dient auch seine dreibändige Buchreihe Lebensreformation (1994), die zugleich eine geschichtliche Analyse des jahrzehntelangen charismatischen Konfliktesherdes bietet.

4 thoughts on “Evangelikale Bibelkritik durch Psychotherapie-Gläubigkeit

  1. Leider wird die Notwendigkeit zur Heiligung und erst recht die Möglichkeit vollkommen werden zu können von vielen, die dennoch Christen sein wollen, geleugnet. Das begegnet mir immer wieder. Das liegt daran, dass das Christenleben vielfach nur als Forderung verstanden wird und nicht als WEG um von den Forderungen, die das Leben in dieser Welt an jeden Menschen stellt, immer freier werden zu können. Weltüberwindung ist nicht eine unerträgliche Last, die auf uns gelegt ist, sondern herrliche Möglichkeit, um von allem Leid frei werden zu können. Freilich, wenn der eigene (Irr-) Glaube darin besteht, nach dem Tod frei zu sein – ihn, und nicht Jesus als Erlöser zu sehen – hat man alles das nicht nötig!
    Wie viele Christen erleben ihr Christsein als WEG, der sie dem völligen Heil immer näher bringt? – Es wurde kaum gelehrt, wie gelebter Glaube aussieht.
    Stattdessen denkt man bei Glaube immer nur an die Pflicht die Bibel zu lesen, zu predigen und zu evangelisieren… „Glaube“ immer nur ins Äußere gehend!
    https://manfredreichelt.wordpress.com/2019/07/10/ideale-muessen-verwirklicht-werden/

  2. Seit Jahrzehnten arbeiten die Homopressuregroups intensivst daran ihre schwulen Ideologien in Parteien, Politik, Gesellschaft, Vereinen usw. also überall zu verbreiten und sind inzwischen mit ihren gottlosen Auffassungen auch in Gemeinden und Kirchen eingedrungen. Einsichtige Christen konnten die Richtung, in die es geht, schon das schon vor Jahren erkennen und manche haben davor auch gewarnt. Genützt hat es nicht viel und meist gehen die Bemühungen in dieser Richtung sogar von führenden Personen der Gemeinden und Kirchen aus. Deren Namen sind ja bekannt. Die letzte Kirche, die man noch überzeugen muss, ist die katholische, die aber auch schon wankt, wenn man die Aussagen mancher Bischöfe betrachtet.

    Warum glauben wir eigentlich immer noch an Personen, die führende Stellungen in Gemeinden und Kirchen haben, statt an den Herrn und seine Worte. Diese Personen sind zu Verführern geworden, die Menschen ins Unheil führen, das muß doch klar sein. Richter und Wegweiser ist immer noch der Herr Jesus selber und nicht irgendwelche dahergelaufenen Theologen.
    Und was die Heiligung angeht, da finden wir klare Worte in der heiligen Schrift. Im übrigen hat Ulrich Parzany recht: Es gibt sehr viele unverheiratete heterosexuell empfindende Christen in Kirchen und Gemeinden, die keinen Ehepartner gefunden haben und die psychisch gesehen deswegen auch keine Deviationen haben wie das von gewissen Psychologen manchmal unterstellt wird.

    1. rK auch kurz vor dem Fall
      Danke für den Artikel und Danke frü den Kommentar. Es freut mich, dass Du die rK (oder katholisch allgemein) noch als Bastion siehst. Zumindest in Deutschland ist das allerdings auch schon Makulatur.
      Unser neuer DBK-Präsident ist ja der Vorreiter einer umfassenden Reform, des synodalen Weges. Wir sind halt auf dem Weg nach Golgotha. Und dieser Stein (syn. Weg) scheint mir derjenige zu sein, über den die Kirche in De zum ersten Mal fällt. Oder ist es etwa schon einer der Nägel am Kreuz?
      Mir hat das Wort „Lasst sie, es sind blinde Blindenführer“ . Und zwar v.a. das „Lasst sie“, in der King James Version: Leave them alone. Dies versthe ich für mich so, dass ich mir weniger Sorgen machen soll, die Kirche wird nicht untergehen.

      Bzgl. des Strebens nach Heiligkeit: Ja, es ist schon eine große Herausforderung. Gottes Logik entspricht halt nicht der unseren (die im Islam aber schon, wenn ich Deiner Aussage folge). Vollkommenheit verfolgen, aber Nichts aus uns selbst heraus zu können. Und demütig sein, einfältig wie ein Kind.
      Eine Herausforderung. Aber ich vertraue darauf: Wenn Jesus es von uns so fordert, dann ermöglicht er es uns auch. Nicht auf einmal und erst nach dem Tode vollständig, aber (zumindest tendenziell) immer mehr.

      1. Ich sehe die katholische Kirche nicht mehr als Bastion gegen diese Art von Bestrebungen an. Meine Auslassung bezog sich nur darauf, dass die Lehre der Kirche hier noch korrekt ist. Die Praxis aber ist etwas ganz anderes. Der Papst will zwar die Lehre nicht ändern, noch nicht, aber seine Absichten sind erkennbar in Richtung liberal gehend und zwar seit Anfang seines Pontifikats. Wäre das anders, dann würden die deutschen und auch andere Kirchenführer nicht voranpreschen in Richtung Sodomistenehe und anderes mehr, um das mal so deutlich zu sagen. In der katholischen Kirche gibt es ja die Diskussion um diese Themen auch und diejenigen, die konservativ sind, sträuben sich deutlich dagegen, daß man die Lehre und erst recht auch die Praxis ändern will, weil Gottes Gebote sich nicht ändern lassen. Über den jetzigen Papst sage ich lieber fast nichts, der ist in einigen Büchern schon deutlich genug beschrieben worden als für das Papstamt ungeeignet, schon aus charakterlichen Gründen. Heute sagt es dies und morgen das Gegenteil. Das war bei den vorigen Päpsten alles seriöser.

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