Es gibt wahrscheinlich kaum ein Thema, dass so persönlich und intim und zugleich so umstritten und diskutiert ist, wie die menschliche Sexualität.
Der Mensch ist von Gott als sexuelles Wesen erschaffen worden; gleichzeitig leben wir Menschen nach christlicher Überzeugung in einer Welt, die sich von Gottes ursprünglichen Vorstellungen und Gedanken für den Menschen weit entfernt hat.
Das gilt auch für unseren Umgang mit unserer Sexualität. Welche Gedanken hat Gott aber für unseren Umgang mit unserer Sexualität? Und wie können wir seine Vorstellungen heute praktisch in der Gemeinde vermitteln und umsetzen?
Joel White, Professor für Neues Testament an der Freien Theologischen Hochschule in Gießen, hat die Herausforderung angenommen, genau auf diese Fragen Antworten zu geben. Vor kurzem ist sein Buch „Was Gott sich dabei gedacht hat: Die biblische Basis einer christlichen Sexualethik“ im SCM R. Brockhaus Verlag erschienen.
Das Buch möchte keine umfassende Beschäftigung mit allen Fragen dieses Themas bieten. Das macht auch schon der relativ bescheidenen Umfang mit ca. 200 Seiten deutlich. Joel White betont dabei, dass seine Expertise in der biblischen Auslegung liegt, und weniger in der praktischen Theologie. Er möchte in seinem Buch erklären, was die Bibel aus seiner Sicht zu diesem Thema zu sagen hat.
Gleichzeitig hat er aber auch viele Jahre praktische Erfahrungen in verantwortlichen Positionen in verschiedenen Gemeinden sammeln können. So kann er im Buch auch Ansätze und Ratschläge dafür geben, wie man die Ergebnisse seiner Untersuchungen im Gemeindealltag anwenden kann.
Das Buch besteht aus zwei Teilen: Der erste Teil behandelt den „biblischen Anspruch“. In fünf Abschnitten geht er dabei auf die wichtigsten Stellen im Alten und Neuen Testament ein, die uns ein Bild von Gottes Vorstellung von Sexualität zeigen. Dabei geht es ihm nicht vor allem darum, was Gott nicht möchte, sondern im Gegenteil darum, welche großartige Idee Gott mit Sexualität gehabt hat. Joel White gelingt es sehr gut, ein positives Bild von Sexualität zu zeichnen, und sie als gutes Geschenk Gottes an uns Menschen vorzustellen. Und er macht deutlich, wie die Grenzen, die Gott für die Sexualität gesteckt hat, genau dazu da sind, damit wir dieses gute Geschenk wirklich vollumfänglich genießen können.
Im zweiten Teil geht Joel White auf „Die modernen Herausforderungen“ mit Blick auf Sexualität ein. Drei Themen behandelt er in diesem Teil: 1. Singlesein; 2. Scheidung und Wiederheirat; 3. Homosexualität. Dabei gelingt es ihm, bei allen drei einerseits Themen zu vermitteln, was die Bibel uns dazu zu sagen hat, als auch, wie wir mit diesen Herausforderungen weise und liebevoll in der Gemeinde umgehen können und sollen.
Joel zeigt beim Thema „Singlesein“ auf, dass „Ehelosigkeit als Gabe“ häufig missverstanden wird und dass Paulus damit etwas anderes meint, als man oft zu hören bekommt. Es geht nicht darum, dass es Menschen gibt, die für Ehe geschaffen sind und andere, die halt ohne klarkommen müssen, weil Gott es so festgelegt hat. Die „Berufung“ zur Ehelosigkeit ist genauso wie die „Berufung zum Ehestand“ eine Berufung dazu, den Stand, in dem man jetzt lebt, zunächst einmal zu akzeptieren und dann weise und verantwortungsvoll damit umzugehen. Das bedeutet für Singles aber nicht, dass sich daran nicht in Zukunft etwas ändern kann. Und es bedeutet auf der anderen Seite nicht, dass man krampfhaft nach einem Partner suchen soll, nur weil man die „Gabe“ der Ehelosigkeit nicht zu haben meint.
Bei Scheidung und Wiederheirat bewegt sich der Autor auf einem guten Mittelweg. Einerseits betont er, dass die Ehe grundsätzlich darauf angelegt ist, Lebenslang zu halten. Es ist nicht im Sinne Gottes, dass Ehen auseinandergehen. Auf der anderen Seite sieht Joel White bei Jesus und Paulus, dass es sehr wohl legitime Gründe dafür gibt, dass man eine Ehe scheidet, die vom Partner bereits gebrochen worden ist. Das dürfen aber keine willkürlichen Gründe sein und das Ziel sollte auch niemals die Scheidung sein, sondern prinzipiell immer die Wiederherstellung der Beziehung. Wo eine Scheidung aufgrund legitimer Gründe erfolgt ist, da wiederum sieht Joel den Raum dafür, dass auch eine Wiederheirat nicht gegen den Willen Gottes verstößt. Das ist ein auch unter konservativen Auslegern sehr umstrittenes Thema. Joel argumentiert für seine Überzeugungen immer mit dem, was wir in der Bibel finden. Selbst wenn man persönlich vielleicht zu anderen Ergebnissen kommen wird, kann man Joel nicht absprechen, dass er es sich bei dieser Frage irgendwie zu einfach machen würde.
Beim Thema Homosexualität behandelt Joel die eingängigen Stellen sehr genau und ausführlich. Er zeigt dabei auf, dass viele Deutungen eine sehr verkürzte oder verzerrte Sicht davon haben, was das alte Testament und vor allem Paulus über Homosexualität geschrieben haben. Er zeichnet dabei nach, dass die grundsätzliche Haltung der Bibel lautet, dass Sexualität aus Gottes Sicht zwischen Mann und Frau stattfinden soll. Joel spricht dabei aber auch die aktuelle Werteverschiebung in vielen Ländern an und gibt praktische und herausfordernde Hinweise dafür, wie Gemeinden einerseits Gottes Vorstellungen lehren und zugleich dem einzelnen Menschen in seiner Lebenssituation liebevoll begegnen können.
Alles in Allem ist das Buch eine sehr gelungene Übersicht zu diesem stark umstrittenen und umkämpften Thema. Es ist sehr gut verständlich geschrieben. Durch persönliche Anekdoten und Einblicke verhindert der Autor, dass das Thema zu trocken und abstrakt bleibt. Gleichzeitig spürt man, dass es Joel White wirklich wichtig ist, danach zu fragen, was Gott uns zu diesem Thema zu sagen hat. Ich kann das Buch uneingeschränkt empfehlen.
Schönen Dank für die Buchbesprechung. Hört sich interessant an. Nur mit der Wiederverheratung, da bin ich mir nicht so sicher.