Wenn ich mir das Leben von Menschen anschaue, die einen echten, bleibenden Abdruck in dieser Welt hinterlassen haben, Menschen, die mich beeinflussen, deren Leben mir und anderen zum Segen geworden ist, dann fällt mir auf, dass diese Personen etwas gemeinsam haben, was in unserer Zeit vergessen gegangen ist. Sie haben ein Geheimnis entdeckt, das eigentlich kein Geheimnis ist. Jede und jeder kann es entdecken, aber die Vielzahl an Tabus unserer lärmigen, schnelllebigen Welt haben es versteckt und für geheim erklärt. Ja, mehr noch: Unsere Zeit hat dieses Geheimnis in den Giftschrank gesteckt und einen dicken Totenkopf darauf gemalt. Wovon ich spreche, sind die zwei Stichworte Pflicht und Tugend. Oder: Wer es noch kürzer haben will: Charakter. Charakter ist das, was bleibenden Wert hinterlässt. Und Charakter wächst durch Pflicht und Tugend. Durch Treue, Zuverlässigkeit und das Wissen: Das gehört sich so.
Wenn man zurückblickt, gibt es im vergangenen Jahrhundert eine unüberbrückbare Zäsur: WWII, das Dritte Reich, und der damit einhergehende Missbrauch dieser Worte. Pflicht, Tugend, Treue, das klingt im ersten Moment nach der längst überwundenen Propaganda dieser Zeit. Entsprechend kam es bei den Studentenunruhen Ende der Sechzigerjahre auch zu einer Aufräumaktion mit diesen Begriffen. Weg mit diesem Vokabular! Es lebe der Diskurs, es lebe die Vernunft! So wurden das alles in den Giftschrank verbannt. Was sich wohl keiner so wirklich bewusst war: Unsere Vergangenheit und das gegenwärtige Umfeld prägen jede und jeden noch viel stärker als man das wahrhaben will. Im Diskurs der damaligen Studentenbewegung baute die Vernunft auf einem Weltbild auf, das noch stark von der Elterngeneration geprägt war. Auch wenn man sich geradezu daran abarbeitete; das Denken selbst, die Vernunft, verlief nach wie vor in den Bahnen des Gelernten: In Bahnen, die gewisse Pflichten und Tugenden hochhielten, während sie andere wieder ausspien.
Auf dieser Grundlage funktionierte das alles: Es wurde ja grundsätzlich angenommen, dass man über dieselbe Realität diskursieren konnte, die alle umgab; es wurde angenommen, dass alle in gewissem Rahmen ein ähnliches Elternhaus hatten; es wurde angenommen, dass alle dasselbe meinten, wenn sie mit Machtstrukturen abrechneten. Und dann bekamen die etwas älter und reifer gewordenen Studenten selbst Kinder – und hatten keine gemeinsame Grundlage mehr, welche sie der nächsten Generation weitergeben konnten. Viele wurden selber bürgerlich, hatten gut bezahlte Arbeit, andere gingen in die Politik – der legendär gewordene „Marsch durch die Institutionen“ zähmte sie oder radikalisierte sie in der ewigen Opposition. Doch nun war der Segen im Giftschrank und es gab nichts mehr, was sie ihrer Nachkommenschaft insgesamt mitgeben konnten. Kein friedlicher Diskurs, denn dafür fehlte die Grundlage. Keine gemeinsame Vernunft, denn diese wird immer durch die persönliche Weltanschauung, in der jemand aufwächst, geprägt. Und auch keine gemeinsame Charakterprägung mehr – schließlich waren alle Zutaten dazu tabu, weggeschlossen, verboten.
Was bleibt, ist ein fader Abklatsch von zwei extremen Gegensätzen: Auf der einen Seite ein billiger Hedonismus, eine Suche nach der schnellen „Freude to go“, auf kurzfristige Lustbefriedigung fixiert, und auf der anderen Seite, gleichsam im gegenüberliegenden Extrem dazu, eine asketisch-selbstkasteiende Suche nach der Weltrettung durch Denk-, Sprach- und Tatverbote, eine immerwährende Suche nach Opfern und Tätern, die entsprechend ihrer Gedanken, Worte und Sünden (oder Unterlassungssünden) belohnt oder bestraft werden können. Was vor Jahrzehnten begann, als man versuchte, die Sprache zu analysieren und Machtstrukturen in der Sprache zu entlarven, diese Revolution hat längst ihre Kinder gefressen.
Können wir den Segen von Pflicht und Tugend neu entdecken? Ja, mit Gottes Hilfe können wir das. Jesus Christus möchte, dass wir den Segen der Selbstvergessenheit lernen. Selbstvergessenheit ist der Schlüssel zum Charakter. Gott zuerst, dann die Mitmenschen, und irgendwann danach, erst dann komme ich selbst zum Zug. Selbstvergessenheit bedeutet nicht, sich selbst hassen zu müssen, im Gegenteil. Selbstvergessenheit bedeutet nicht, dass man schlecht von sich denkt, sondern es bedeutet, dass man weniger von sich selbst denkt. Dass man sich viel Zeit nimmt, um an Gott zu denken, Sein Wort, die Bibel zu lesen, mit Ihm zu reden, viel Zeit verbringt, um über unsere Mitmenschen nachzudenken, für sie zu beten, sich überlegt, was man ihnen Gutes tun kann. Das ist die Schule der Selbstvergessenheit.
Pflicht bedeutet, zu lernen, was sich gehört und was nicht. Es gibt Dinge, die tut man, weil sie Gott gefallen, und andere tut man eben nicht, weil sie Gott nicht gefallen. Pflicht schafft eine Ordnung im Chaos des Lebens. In einer pflichtlosen Zeit gehen viele Menschen an ihrer Pflicht zu ständig neuen Entscheidungen zugrunde. Wenn wir keine Pflichten haben, die von außerhalb unserer selbst kommen, dann sind wir dazu verdammt, ständig alles neu entscheiden und ständig alles neu aushandeln zu müssen. Deswegen ist die Pflicht ein doppelter Segen – sie nimmt uns eine Menge von Entscheidungen ab, und formt erst noch den Charakter. Und Charakter ist das, was bei Gott zählt. Der Mensch sieht, was vor Augen ist, doch Gott schaut aufs Herz, auf den Charakter, auf die Heiligung unseres Lebens.
Unsere Antwort auf die kinderfressende studentische Revolution des letzten Jahrhunderts darf eine Reformation des Herzens und eine Reformation des Charakters sein. Durch die Neuentdeckung dieses großen Geheimnisses von Pflicht, Tugend, Fleiß und Treue in der Schule des Selbstvergessenheit.
Der Beitrag Der vergessene Segen von Pflicht und Tugend erschien zuerst auf Jonas Erne – Blog.
Dieser Blog-Beitrag von Jonas Erne erschien zuerst auf Jonas Erne - Der Blog . Lies hier den Original-Artikel "Der vergessene Segen von Pflicht und Tugend".
Der Mensch ohne Orientierung.
Auf dem Weg zur Wahrheit wurden immer wieder neue Lügen aufgebaut, zwischen Hoffnung, Glaube und sehnsucht nach Leben wuchs die Enttäuschung, da sich Ideologien immer wieder selbst als Lüge offenbarten. Je mehr der Weg zur Orientierung durch die Orndnung Gottes und Seine Werte verdrängt wurden um so orientierungsloser wurde der Mensch.
Was bleibt?
Der Mensch orientiert sich weder an Wahrheit noch an Lüge, er glaubt das was ihm gefällt. Der Durchbruch zu einem werteorientierten Leben ist gescheitert, der Mensch hat sich aus der Verantwortung gestohlen und sich selbst in eine Käfighaltung isoliert.
Die Welt feiert sich heute in bunt, doch der Einzelne bleibt in der Orientierungslosigkeit im Schwarz Weiss, und die Hoffnung stirbt zuletzt? Nein, sie wurde begraben, eine schwere Grabplatte von gescheiterten Ideologien liegt auf ihr, darunter liegt der Tod, darüber wächst das Gras.
Von Pflichten halte ich gar nichts. Das ist alttestamentliche Gesinnung und alttestamentliches Vorgehen. Wie auch der kantsche Imperativ.
Ein Christ lebt aus der Freiheit und strebt aus Freiheit und Einsicht dem guten Ziel zu. Das macht ihm Freude und ist keine Pflicht. Aus diesem Streben ergibt sich Disziplin und ein guter Charakter bzw. Tugenden.
https://manfredreichelt.wordpress.com/2017/10/02/zielstrebigkeit/
Wer nicht mehr im Unergründlichen gründen kann,
der lebe aus seines Herzens Ursprünglichkeit.
Wer seines Herzens Ursprünglichkeit verlor,
der lebe aus der Liebe.
Wer nicht mehr liebend zu leben vermag,
der handle wenigstens gerecht.
Wer selbst dies nicht mehr kann,
der lasse sich von Brauchtum und Sitte bändigen.
Das Abhängigwerden von der öffentlichen Moral
ist aber die unterste Stufe der Sittlichkeit,
schon Ausdruck des Zerfalls.
Wer dann noch glaubt, durch Verstandesbildung
einen Ausgleich für die Herzensbildung
schaffen zu können,
der ist ein Tor.
Darum merke Dir:
Der echte Mensch
folgt seinem innersten Gesetz
und keinem äußeren Gebot;
er hält sich an den Quell
und nicht an die Abwässer;
er meidet diese
und sucht immer das Ursprüngliche.
LAO TSE aus „TAO TEH KING“