Reform der Sterbehilfe

Es ist spannend, das aktuell drei Gesetzesentwürfe im Bundestag in der Mache sind, die einen klaren Bezug zu medizinisch-ethischen Themen haben, bzw. die auf Gottes gute …

Schöpfung hinweisen:

    1. Abtreibung: „Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag festgehalten, eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin einzusetzen. Sie prüft unter anderem Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches.“ (§218 StGB; vgl., BMFSFJ vom 24.04.2023; der §219a StGB (Werbeverbot) wurde bereits am 22.06.2022 ersatzlos gestrichen)
    2. Selbstbestimmungsgesetz ist in Bearbeitung: Das Selbstbestimmungsgesetz soll das Leben für trans- und intergeschlechtliche Menschen verbessern und das Transsexuellengesetz ablösen.“ (BMFSFJ, vom 30.06.2022; seit 05.05.2023 läuft die Abstimmung mit den Ressorts, Bundesländern und den Verbänden, etc.)
    3. Reform der Sterbehilfe wurde bereits am 24.06.2022 im Bundestag beraten; „Die Sterbehilfe in Deutschland muss neu geregelt werden, nachdem das Bundesverfassungsgericht 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe für verfassungswidrig erklärt hat. Eine Entscheidung im Bundestag könnte es noch vor der Sommerpause [2023] geben.“ (Deutschlandfunk, 23.06.2023; https://www.deutschlandfunk.de/sterbehilfe-bundestag-gesetzesentwuerfe-100.html)

Anfang, Mitte und Ende unseres Lebens sind in der Gesellschaft offenbar in die freie Verfügung des Einzelnen gestellt. Unsere Welt gerät in einer maßlosen Selbstüberschätzung aus den Fugen …

“Bundestag entscheidet über Reform der Sterbehilfe”

Am kommenden Do., 06.07.2023 entscheidet der dt. Bundestag in Sachen Sterbehilfe; die Debatte wird ab 09:00 Uhr live übertragen: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw27-de-suiziddebatte-954918. Zur Sterbehilfe ein diskussionswürdiger Artikel aus DocCheck: nicht nur das Heizungs-Gesetz sollte zu Widerspruch anregen …

Suizid: Ärzte sind keine Wunscherfüller

von Richard Hill (DocCheck-Team)

Im Schnelldurchlauf soll im Bundestag über ein neues Gesetz zur Sterbehilfe abgestimmt werden – trotz massiver Kritik von Ärzten. Fachgesellschaften und BÄK sind sich einig: Das ist des Themas und der Menschen unwürdig.

Es gab einmal fünf Entwürfe für eine überarbeitete gesetzliche Regelungen zur Suizidbeihilfe – nach Änderungen und Zusammenlegungen sind es seit zwei Wochen nur noch zwei Varianten. Da ist eine „liberale“, deren Formulierung und Regelungen von Grünen-Politikerin Renate Künast sowie von FDP-Politikerin Katrin Helling-Plahr stammen. Sowie ein restriktiverer Entwurf, der aus der interfraktionellen Gruppe um Lars Castelluci (SPD) stammt. Gemein ist beiden Gesetzentwürfen, dass sie von einer geschlossenen Ärzteschaft abgelehnt werden. Mehr noch, Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, sagte deutlich: „Wenn es so zu diesem Gesetz kommt, empfehlen wir unseren Kolleginnen und Kollegen, sich nicht an der Praxis zu beteiligen. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Politik sich hier mit Fachfragen beschäftigt hat. Das ist in Hektik, Eile und Unkenntnis entstanden.“

Als Arzt nicht automatisch Sterbebegleiter

Doch was empört die Ärzteschaft so? Neben der Tatsache, dass es nicht nötig sei, „eine solche Geschwindigkeit an den Tag zu legen und das Gesetz unbedingt am letzten Tag vor der Sommerpause in einer 90 Minuten-Debatte durchzuwinken“, entsprechen „beide Varianten einer rein juristischen Denkwelt“ ohne die Vielfalt an Patienten und Diagnosen oder auch die ärztliche Praxis mitzudenken. „Das hat so nicht den ausreichenden Grat an Ernsthaftigkeit, den es verdient hätte. […] Wir leisten so keine Hilfe für die Menschen mit großem autoaggressiven Potenzial zur Selbsttötung – das erkennt man auch anhand von Statistiken in unseren Nachbarländern. Es gibt keine zeitlichen Druck, nun ein Gesetz durchzupeitschen. Das wird sich kaum ändern“, kontert Reinhardt das Argument, dass die Zahl der Selbsttötungen damit zurückgehen könne.

Dass die geplanten Regelungen ihre Grundlage erst einmal im allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der autonomen Selbstbestimmung sowie dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben haben, mag die richtige Verankerung sein. Dass der Entwurf „durch Festlegung von Entscheidungskriterien für Ärztinnen und Ärzte sowie klaren Verfahrensregeln einschließlich einer Beratungspflicht […] einen ausgewogenen Ausgleich zwischen der Gewährleistung des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben einerseits und dem Schutz der Autonomie Suizidwilliger andererseits schafft“, könne aber so nicht stehenbleiben.

Denn auch wenn es formulierte Kriterien gebe, ist der einzelne Hausarzt bzw. „Arzt des eigenen Vertrauens“ nicht automatisch der geeignete Sterbebegleiter. „Es ist bei weitem nicht so, dass Ärzte über ausreichend Qualifikation verfügen, um Medikamente und Instrumente zur Selbsttötung zu verabreichen. […] Ebensowenig qualifiziert allein das Vorliegen einer ärztlichen Approbation dazu, Suizidwünsche angemessen zu begegnen. Ärztliches Handeln ist von Verantwortung und einem Beziehungsgeschehen getragen und darf bei derart existenziellen Fragen nicht zur bloßen Dienstleistung und einem ‚Sterben nach Checkliste‘ degradiert werden“, so Heiner Melching, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin.

Die Ursachen ernst nehmen

Ein weiterer Punkt, der den Fachgesellschaften und Arztvertretern viel zu kurz kommt, ist die Patientenperspektive. „Es kann aus unserer Sicht nicht gelingen, die Anliegen schwerstkranker Menschen, einsamer Hochaltriger oder auch junger Menschen, die in einer Krise ihr Leben beenden wollen, in eine Rechtsnorm zu pressen“, spricht Melching die Bandbreite an Diagnosen an. Dass psychiatrische und psychotherapeutische Kompetenz in dem Gesetzentwurf nicht einbezogen sind und dies auch nicht verbindlich festgeschrieben wird, sei besonders vor diesem Hintergrund unverantwortlich.

„Im aktuellen Vorschlag fehlen konkrete Schutz und Hilfsangebote. Das ist eine

gravierende Gefährdung für Menschen mit psychischen Erkrankungen. […] Im Jahr 2021 starben über 9.000 Menschen in Deutschland durch Suizid – die meisten im Zusammenhang mit einer psychischen Erkrankung. Auf jeden Suizid kommen 10 bis 20 Suizidversuche. Sehr häufig sind suizidale Menschen aufgrund einer schweren psychischen Erkrankung nicht in der Lage, diese Entscheidung frei und selbstbestimmt zu treffen. Sie brauchen medizinische Hilfe und sie müssen vor dem irreversiblen Schritt eines Suizides effektiv geschützt werden. Diese große Gruppe der schwer psychisch kranken Menschen darf nicht vergessen werden“, erklärt Prof. Andreas Meyer-Lindenberg, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde.

Nicht nur die Ratio zu Rate ziehen

Insbesondere mit Blick auf die Patienten und ihre Diagnosen sei es zudem wichtig, den alles entscheidenden Begriff der freiverantwortlichen Eigenständigkeit konkreter und an die medizinische Diagnose gekoppelt zu betrachten. „Unstrittig ist, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen eingeschränkt in ihrer Handlungsfreiheit sind. Dazu gehören viele Menschen in Lebenskrisen wie zum Beispiel bei Verlust des Partners, der Arbeit und so weiter – auch diese sind in ihrer freiverantwortlichen Eigenständigkeit eingeschränkt. Zudem sind diese Krisen nicht in drei Wochen aufzulösen“, beschreibt Prof. Reinhard Lindner, Leitung des Nationalen Suizidpräventionsprogramms, und führt damit ein grundlegendes Argument gegen den geplanten Ablauf zur Suizidhilfe an.

Weiterlesen im Original


Interessant: Punkt 1+3 der oben benannten Themen werden beide vom hippokratischen Eid benannt und stehen auch hintereinander im StGB:

Hippokratischer Eid

„Mei­ne Ver­ordnungen werde ich tref­fen zu Nutz und From­men der Kranken, nach bestem Ver­mö­gen und Ur­teil; ich werde sie be­wah­ren vor Scha­den und willkür­lichem Un­recht. Ich werde nieman­dem, auch nicht auf sei­ne Bit­te hin, ein tödliches Gift ver­ab­reichen oder auch nur dazu raten. Auchwerde ich nie ei­ner Frau ein Ab­trei­bungs­mit­tel geben.“ (hippokratischer Eid)


Strafgesetzbuch (StGB)

§ 217 Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung

(1) Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Als Teilnehmer bleibt straffrei, wer selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des in Absatz 1 genannten anderen ist oder diesem nahesteht.

Fußnote: § 217: IdF d. Art. 1 Nr. 2 G v. 3.12.2015 I 2177 mWv 10.12.2015; nach Maßgabe der Entscheidungsformel mit GG unvereinbar und nichtig gem. BVerfGE v. 26.2.2020 I 525 – 2 BvR 2347/15 u.a. –

§ 218 Schwangerschaftsabbruch
(1) Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Handlungen, deren Wirkung vor Abschluß der Einnistung des befruchteten Eies in der Gebärmutter eintritt, gelten nicht als Schwangerschaftsabbruch im Sinne dieses Gesetzes.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
1.gegen den Willen der Schwangeren handelt oder
2.leichtfertig die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung der Schwangeren verursacht.
(3) Begeht die Schwangere die Tat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
(4) Der Versuch ist strafbar. Die Schwangere wird nicht wegen Versuchs bestraft.

Fußnote: §§ 218 bis 219b (früher §§ 218 bis 219d): IdF d. Art. 13 Nr. 1 G v. 27.7.1992 I 1398 mWv 5.8.1992; Art. 13 Nr. 1 trat einstweilen nicht in Kraft gem. BVerfGE v. 4.8.1992 I 1585 – 2 BvQ 16/92 u. a. -; die einstweilige Anordnung v. 4.8.1992 wurde nach BVerfGE v. 25.1.1993 I 270 wiederholt.

§ 218: Anwendbar ab 16.6.1993 gem. Abschn. II Nr. 1 nach Maßgabe der Nr. 2 bis 9 der Entscheidungsformel gem. BVerfGE v. 28.5.1993 I 820 – 2 BvF 2/90 u. a. –


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Dieser Blog-Beitrag von Uwe Brinkmann erschien zuerst auf brink4u . Lies hier den Original-Artikel "Reform der Sterbehilfe".

Über Uwe Brinkmann

* 1962 (Oberhausen / Rhld.), verheiratet (1992), 4 Kinder ... aufgewachsen in der 4. Generation der "Brüderbewegung"; kritische Aufarbeitung: heute moderater "Dispi"; seit seiner "Bekehrung" (1981) theol. Autodidakt, 1993/94 für eine theol. Kurzausbildung in den USA ... seit 1987 im Großraum München in der Gemeindearbeit und bis 2017 in der Jugendarbeit tätig; Gründungsmitglied (1997) und MA im Leitungsteam einer evangelisch-freikirchlichen Gemeinde, der "Christlichen Gemeinde Unterschleißheim" (www.cgush.com) ... Mitarbeiter eines übergemeindlichen Schlungsprogramms: H3: "Hirn, Herz und Hand" im Großraum München; Blogger auf www.brink4u.com (seit 01.01.2015) ... beruflich seit 1996 Projektleiter Hochbau, dann Projekteinkäufer im Anlagenbau, und nun wieder Teilprojektleitung im Anlagenbau eines kommunalen Energieversorgers

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