Das Haus der 1000 und der einen Geschichte

Es war einmal ein Haus, das Haus der 1000 Geschichten. Seine Außenfassade war schon etwas älter, man hätte es für ein Spukhaus halten können. Die Türen waren nicht verschlossen, wer hinein wollte, konnte es auch. Manchmal verirrten sich Wanderer in die Gegend dieses Hauses. Sie waren froh, ein Dach über dem Kopf zu finden. Manche dieser Wanderer hinterließen ihre eigenen Geschichten in dem Haus. Einer kratzte mit seinem Messer ein Herz in den Türpfosten und schrieb „S&W“ hinein. Eine Liebesgeschichte. Ein anderer war schon gut angeschwipst, stieß sich den Kopf an einem Hängeschrank und ließ ein paar seiner Blutstropfen im Haus zurück. Eine Geschichte von Schmerzen, aber auch von einer gefühlten Sinnlosigkeit und Verdrängung. Wieder ein anderer nahm seine Gitarre heraus und sang von einer Welt des Friedens und des Glücks. Es war eine Geschichte der Hoffnung, doch das Haus wusste, dass es bis zu jenem Zeitpunkt, von dem der Musiker sang, noch eine Weile dauern würde. Wahrscheinlich würde es bereits zerfallen oder abgerissen sein, wenn jene Zeit des Friedens anbricht.

Das Haus sammelte all diese Geschichten, doch das Wertvollste war auf dem Dachboden. Ein ganzes Bücherregal mit Geschichten, von denen die ältesten so alt waren wie das Universum. Dieses Regal erzählte die Geschichte von der Erschaffung der Welt, von dem Gott der sprach und alles kam ins Dasein. Von den Menschen, die aus Liebe gemacht wurden, und sich doch abwandten und ihr eigener Gott sein wollte. Autonom, so hat man das dann später genannt. Von den Menschen, die den Worten nicht mehr vertrauten, sondern sich ihre eigenen Worte machen wollten, damit sie über andere Macht und Gewalt ausüben konnten. Es war aber auch die eine Geschichte der größten Liebe im ganzen Universum, der Liebe, die bereit war, auf alles zu verzichten, was ihr zustand. Von der Liebe, die Mensch wurde, um die Menschen in Freiheit zu führen. Frei aus der Sklaverei der Autonomität, frei von sich selbst. Frei vom Gefühl der Sinnlosigkeit und dem Zwang zur Verdrängung.

Auf diesem Dachboden war ein schlichtes Kreuz an der Wand. Dieses Kreuz erzählte die größte Liebesgeschichte des Universums, nämlich wie die Liebe Gottes bereit war, alle Scham und alle Schuld der Menschen zu tragen und am Ende den Tod mit dem Tod und der Auferstehung zu besiegen. Es war dieses Kreuz, das den Himmel mit der Erde verbindet, das eine Brücke über den klaffenden Abgrund des Todes darstellt. Eines Tages wird der Musiker recht bekommen: Dann wird es Frieden und Glück geben für alle, die in ihrem Leben die Geschichte vom Kreuz gehört und darauf geantwortet haben.

Der Beitrag Das Haus der 1000 und der einen Geschichte erschien zuerst auf Jonas Erne – Blog.

Dieser Blog-Beitrag von Jonas Erne erschien zuerst auf Jonas Erne - Der Blog . Lies hier den Original-Artikel "Das Haus der 1000 und der einen Geschichte".

Über Jonas Erne

Ich bin Ehemann, Vater, Theologe, Gemeindereferent, Vielleser. Auf meinem Blog geht es um Gelesenes, aber auch um die Auseinandersetzung mit Fragen des täglichen Lebens, mit der Kultur und der Bibel. Hin und wieder gibt es auch kreative Texte wie Gedichte, kurze Geschichten und mehr.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.