Oh Lord, please don’t let me be misunderstood ?

Dieser Artikel ist eine Fortsetzung zum Artikel: Für Wen ist das Evangelium? Diesmal möchte ich betrachten ob unsere Buße (oder was wir als solche verkaufen) wirklich eine geeignete Reaktion auf die Botschaft des Evangeliums ist.

1964 wurde der Song “Don’t Let Me Be Misunderstood” geschrieben und stürmte wiederholt die Charts, so 1965 in der Variante der Animals und 1977 mit Santa Esmeralda. Die Szenerie ist schnell erzählt: Ein Freund/ Ehemann entschuldigt sich für irgend ein nicht wirklich definiertes Vergehen bei seiner Partnerin. Man kann in etwa denken, was vorgefallen ist. Betrachten wir die erste Strophe:

1. Baby, do you understand me now
Sometimes I feel a little mad
Well don’t you know that
no-one alive
Can always be an angel
When things go wrong I seem to be bad
Refrain:
I’m just a soul who’s intentions are good
Oh Lord, please don’t let me be misunderstood
Baby, verstehst du mich jetzt?
Manchmal fühle ich mich ein bisschen verrückt.
Du weißt doch,
dass man nicht immer ein Engel sein kann.
Und wenn es schief geht, scheine ich so schlecht zu sein
Refrain:
Ich jedoch bin eine Seele mit guten Absichten!
Oh Herr, lass mich bitte nicht missverstanden sein  

Um ehrlich zu sein, ich fühlte mich ertappt, als ich mit diesem Text konfrontiert wurde. Nicht wenige Male blieben und bleiben Buße, Reue und Tränen nur Teile einer aufwendigen Selbstrechtfertigung. Doch im Detail:

Buße als Werkgerechtigkeit

Ich erinnere mich an eine christliche Variante dieses Songs: “Heut lebst du, heut bekehre dich”. Ein Kranker hört, wie ein Kind im Nachbarzimmer diesen Bach-Choral auswendig lernt. Und es spricht ihn an (schließlich ist er ja kurz vor dem Sterben). Mich hat diese Erzählung immer schrecklich irritiert: Weder das Werk Christi, noch die Liebe Gottes, noch eine wirklich tiefgehende Sündenerkenntnis zählt etwas. Es zählt nur eins: Ein mystisches und intensives Bekehrungserlebnis (mit sich selbst oder wie?) das hat die Kraft einen aus der Hölle (nicht aus der Sünde?) zu reißen.

Wie oft wollen wir als Christen Buße irgendwie als das einzige Werk verkaufen, dass Gott wohlgefällig ist. Lehrt uns schließlich nicht die Bibel selbst, dass wir aufrichtige Frucht der Buße bringen sollen (Matth. 3,8; Luk. 3,8)?

Problematisch wird dies dann, wenn wir unser Heil nicht mehr auf das Werk Christi stützen, sondern auf die von uns empfundene Reue. “Ja Herr, du siehst ich hab alles verbockt, aber du kannst es mir ja kaum übel nehmen, denn es reut mich immerhin”. Und plötzlich wird Buße zu einem Akt menschlichen Stolzes. Buße die etwas vorweisen möchte, und auf die Gefahr hin etwas mystisch zu klingen, möchte ich es doch hier so gebrauchen, Buße die nicht mit leeren Händen kommt, kommt in Erwartung eines Verdienstes. Ich fürchte auch, dass wir dann die Annahme durch Christus zu einem Automatismus erklären. Irgendwo finde ich in meinem Herzen sicherlich ein gutes Motiv, und das Wird Gott anerkennen.

Reichen Gott unsere guten Motive etwa nicht?

Der Songwriter der obigen Strophe geht weiter (durchaus klassisch evangelikal). Eigentlich sind seine Motive ja gut gewesen. Es bleibt zwar unklar, welche guten Motive einen dazu bringen, sich hoffnungslos zu besaufen und fremdzugehen, aber er zumindest sieht solche in seinem Herzen. Ich glaube in unserem Zeitalter, dass von einem ethischen Pragmatismus geprägt ist, klingt dass voll an. “Hätte er nicht so eine schwere Kindheit, wäre er nie zum Mörder geworden”, “Müssen die USA die Araber ausbeuten, kein Wunder radikalisieren sie sich”, “Der gesellschaftliche Druck war zu stark, ich war noch minderjährig, kein Wunder habe ich abgetrieben”, “Meine Verwandten sind so nervig, ich flippe deswegen ständig aus”, “Eigentlich bin ich ein netter Kerl, aber mein ADHS macht mich ganz schwurbelig”, … Und siehe da: Plötzlich sucht man gar nicht mehr nach Gnade und Vergebung, sondern rückt mit einer Rechtfertigung an, nämlich eine Selbstrechtfertigung.

Ich fürchte, wir haben TOTAL vergessen wie grässlich blasphemisch diese Art der Selbstrechtfertigung ist. Statt die Gerechtigkeit Christi anzunehmen, stoßen wir das Kreuzeswerk Christi zur Seite und versuchen unsere Selbstrechtfertigung vor Gott durchzudrücken. Wie weit wir damit kommen werden? Aktuell lese ich Jeremia, und ich bin entsetzt über Gottes Urteile über sein Volk. Er findet in seinem Volk keine guten Absichten, er findet kein gutes Werk, er findet nicht mal eine gerechte Seele. Dabei ist es Israel, das Volk, von dem man es am ehesten erwarten konnte. Wie mag es um die anderen Völker stehen? Kurz: Unsere Absichten reichen nicht!

Hat überhaupt irgendjemand schlechte Absichten?

Das Problem dürfte offensichtlich sein: Es gibt eigentlich keinen Menschen mit schlechten Motiven/Absichten. Die Nazis hatten die (in ihren Augen) besten Absichten für die deutsche Rasse Wohnraum im Osten zu schaffen und endlich das jüdische Joch der Unterdrückung abzuschaffen… Gute Absichten hatten natürlich auch die Stalinisten in der Sowjetunion und die Dschichadisten und…, lauter Menschen mit guten Absichten? Ich habe überhaupt noch nie einen Menschen getroffen, der irgend etwas aus “böser Absicht” tat. Die Sprüche bringen das wunderbar auf den Punkt: “Einen jeglichen dünken seine Wege rein; aber der HERR prüft die Geister.”(Spr. 16,2). Muss man da nicht erschrecken? Es könnte sein, dass ich völlig auf dem Holzweg bin, und das überhaupt nicht merke! Dies ist sogar höchstwahrscheinlich! Wer kann uns hier aufwecken? Ich bin der völligen Überzeugung, dass dies nur durch ein übernatürliches Eingreifen Gottes geschehen kann. Warum? Weil die Bibel das lehrt:

Es ist nicht nur “eine Art demütige Haltung, die für uns Christen nachahmungswürdig ist “, die David dazu bringt, so zu beten! Das ist schiere Not! David versteht, dass seine “guten Absichten” nicht ausreichen. Er ruft zu Gott, damit Gott eingreift und ihn vom bösen zu einem guten Weg bringt! Wann beten wir so?

Das so viel scheinheilige Buße im Lande Evangelikalien so viel Eindruck macht, deckt auf, dass wir schreckliche Kinder unserer Zeit sind. Ein Zeitalter der Relativität hat keinen Respekt vor absoluten Werten, aber höchsten Respekt vor den Motiven des Menschen. Ein Beispiel gefällig? Zehntausende von unschuldigen Kindern werden abgeschlachtet mit der wunderbaren Absicht “die Frau zu befreien”. Wie oft werden die gravierendsten Fehltritte von Gemeinde-Verantwortlichen abgetan (“Wir sind halt Männer”) und schwupp-di-wupp mit einer entsprechenden Bußhandlung für “vergeben ist vergessen” erklärt.

Spr. 16.2 macht klar, dass nicht unsere Perspektive zählt! Wer setzt in deinem Leben den Maßstab?

Billige Buße möchte billige Gnade!

Letzten Endes gibt es von diesem Prinzip noch eine Zwillingsschwester: Ein Tiefgreifendes langes Weinen und Bekennen (am Besten in der Öffentlichkeit). Und gleich lauscht man in sein Herz! Reicht das aus! Hab ich genug getrauert? Hab ich genug bereut? Wie viele Sünden kann ich noch bekennen. Wir sollen schließlich ein Leben der Buße führen, oder? Und siehe da: Plötzlich steht man nicht mehr als Gläubiger Anbeter vor dem Werk Christi, sondern als ein ungläubiger Zweifler! Ich fürchte, wir enden deswegen so oft an diesen zwei Sackgassen, weil wir einfach nicht wahrhaben möchten, wie verdorben der Mensch ist. “Eigentlich bin ich lauter Bescheidenheit, warum muss mich Instagramm immer zur Selbstdarstellung verführen.” “Eigentlich will ich ja die Zeit abkaufen, wären da nicht die ganzen Filme”… (Vergleiche auch die Fabel von Krylow)

Jeder ist gerechtfertigt! Die Frage ist, durch wen?

Das Fazit ist klar: Vielleicht müssen wir anfangen Buße für unser Bußleben zu tun? Vielleicht ist die Haltung des Zöllners zu unserem neuen Pharisäer-Schmuck geworden? Wie aber können wir in dieser Haltung Heilsgewissheit erlangen? Was ist die Grundlage unserer heutigen (evangelikalen) Rechtfertigung? Wir sind oft stolz darauf, dass wir “nicht so verirrt sind, wie die Katholiken”? Wir brauchen keinen Rosenkranz, keine Ave Maria, kein Weihwasser und erst recht keine Werke. Denn wir haben ja unser Werk der Bekehrung, Buße oder nenne es wie du willst getan. Und plötzlich stehen wir erbärmlicher da, als jeder Katholik (der sich wenigstens mehr Mühe gibt). Ruht unser ganzes Hoffen auf unserer Buße oder auf “Christi Blut und Kreuzspein“?

Besser als “The Animals” und “Santa Esmeralda” dichtete Waldemar Reinhold Baron v. Uxküll:

Nicht im lauten Beten, nicht im Sang,
auch nicht in der Predigt, Orgelklang,
auch nicht in den Heil’gen, hör es hier:
Alle meine Quellen sind in Dir!

Nicht in den Gefühlen, die ich hab’,
auch nicht in den Freuden Deiner Gab’,
laut in meinem Herzen tönt es hier:
Alle meine Quellen sind in Dir! “

Ähnlich stimmt auch James Martin Gray ein:

Nichts habe ich, was nicht frei ich empfing
durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin!
Rühmen sei fern, doch das sei bekannt:
ich bin einer, den die Gnade fand!”

Über Sergej Pauli

Hallo, ich bin Sergej Pauli, Jahrgang 1989 und wohne in Königsfeld im Schwarzwald. Ich bin Ingenieur, verheiratet, habe vier Kinder. Diesen Blog möchte ich nutzen, um über das Wort Gottes und seine durchdringende Wirkung bis in unsere Zeit zu schreiben. Hast du bestimmte Fragen oder Anliegen, dann scheue dich nicht, mich zu kontaktieren. Hast du bestimmte Fragen oder Anliegen, dann scheue dich nicht, mich zu kontaktieren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.