„Als Atheist merke ich an …“

Auf dem diesjährigen Kongress für christliche Führungskräfte in Hamburg wurde von Manfred Lütz eine wichtige Aussage gemacht in Form eines notwendigen Appells: „Christen, kennt und bekennt euren Glauben!“ Wie wichtig ist diese Aufforderung doch gerade heute in unserer „glaubensarmen Zeit“.

Das christliche Nachrichtenmagazin idea hat auch sogleich über den Beitrag von Lütz online Bericht erstattet. Und zu diesem Bericht haben – wie das heutzutage so üblich ist – einige Leser online einen Kommentar abgegeben. Auch ein „bekennender Atheist“ war unter den Kommentatoren. Sein Kommentar hat mich angesprochen, ja, regelrecht aufgerüttelt. Er zeigt quasi die andere Seite der Wirklichkeit auf, die der Appell von Lütz adressiert. Der Atheist resümiert trocken – hier mit meinen Worten kurz zusammengefasst: „Christen wissen meistens gar nicht was sie glauben. Deshalb macht es keinen Sinn, mit ihnen zu diskutieren.“ Das trifft … ins Schwarze, befürchte ich. Er könnte wahrhaftig Recht haben. Dadurch würde der Appell von Lütz noch bedeutsamer „kenne“ und „bekenne“. Hier der Originalwortlaut des Postings:

als atheist merke ich an: das ist sicherlich im disput sehr förderlich, wenn man wirkliche christen, die stark sind in ihrem glauben und argumentieren können, gegenüber hat. welcome! leider ist das bei den meisten eingetragenen „papier“christen so gar nicht der fall.

über allgemeinplätze wie „… aber, die bergpredigt! und die nächstenliebe!“ geht es häufig nicht hinaus, wobei der wortlaut nicht einmal bekannt ist. argumente, die dann kommen, beziehen sich eher auf die weltliche ausprägung, sprich die kirchen („… was die nicht alles gutes tun“), unwissend der tatsachen der missetaten dieser kirchen. aber da geht es ja auch nicht um den glauben.

ergo: es ist viel dünne kenntnis vorhanden, weder ist die bibel wirklich bekannt, noch wissen die meisten wirklich über die kirchengeschichte bescheid. das wissen um die eigentliche heilsbotschaft bleibt im allzu ungefähren.

merke: „denn sie wissen nicht, was sie glauben“

Jetzt mag man viel darüber reden, dass das doch so nicht stimme, was er behauptet, dass das viel zu pauschal geurteilt sei, Christen sehr wohl ihren Glauben kennen würden usw. usw. Doch lassen wir das doch einfach einmal stehen als eine Beobachtung eines Menschen, der offensichtlich wenigstens gelegentlich mit Christen diskutiert und sich mit ihnen auseinander gesetzt hat. Der Grundwasserspiegel der Kenntnisse von den Inhalten der Bibel, des christlichen Glaubens, der Geschichte der Kirche ist mittlerweile unter Christen sehr niedrig geworden. Und die post-moderne Denke, dass man sowieso keine substantiell eindeutigen Antworten des christlichen Glaubens und der Wahrheit mehr geben könne usw., sowie das mehr sentimentale „Gefühls-Christentum“ oder das religiös-sozial-politische Gutmenschentum im christlichen Gewand, tragen nicht gerade dazu bei, diesen Grundwasserspiegel wieder steigen zu lassen. Im Gegenteil.

Ich will jetzt nicht lange lamentieren, will auch keinen Vortrag halten über die zentralen christlichen Glaubensüberzeugungen, die zu wissen und zu glauben notwendig und heilsnotwenig sind. Aber eines will ich doch, nämlich betonen, dass alle Christen ihren Glauben, ihre Bibel, ihre Geschichte gut kennen sollten, auf dass sie „stark in ihrem Glauben sind“ und auch gut „argumentieren können“, wenn Atheisten, Agnostiker, Glaubensmüde, Kirchengeschädigte, Gottsucher, Gottesleugner oder normale religiöse Analphabeten uns Fragen zu unserem Glauben stellen. „Kenne“ (inhaltlich usw.) deinen Glauben gut! Dann „bekenne“ deinen Glauben an Christus vor den Menschen.

1Petr. 3,15: „Seid auch allezeit bereit zur Verantwortung gegenüber jedermann, der Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist, und zwar mit Sanftmut und Ehrerbietung.“

Hebr. 5,11-14: „Über ihn haben wir viel zu sagen, und zwar Dinge, die schwer zu erklären sind, weil ihr träge geworden seid im Hören. Denn obgleich ihr der Zeit nach Lehrer sein solltet, habt ihr es wieder nötig, daß man euch gewisse Anfangsgründe der Aussprüche Gottes lehrt, und ihr seid solche geworden, die Milch nötig haben und nicht feste Speise. Wer nämlich noch Milch genießt, der ist unerfahren im Wort der Gerechtigkeit; denn er ist ein Unmündiger. Die feste Speise aber ist für die Gereiften, deren Sinne durch Übung geschult sind zur Unterscheidung des Guten und des Bösen.“

Das Phänomen der glaubensarmen Zeit ist wohl ein „altes“, wie dieses schöne, aufmunternde Lied „O komm du Geist des Wahrheit“ von Carl Johann Phillip Spitta (1801-1859) verdeutlicht. Ich finde es gut, wenn wir Christen uns zu neuem „Kennermut“ und „Bekennermut“ aufwecken und einladen lassen, auch im Jahre 2015 und darüber hinaus bis der HERR Jesus schließlich wiederkommt.

1) O komm, du Geist der Wahrheit, und kehre bei uns ein,
verbreite Licht und Klarheit, verbanne Trug und Schein.
Gieß aus dein heilig Feuer, rühr Herz und Lippen an,
dass jeglicher getreuer den Herrn bekennen kann.

2) O du, den unser größter Regent uns zugesagt:
komm zu uns, werter Tröster, und mach uns unverzagt.
Gib uns in dieser schlaffen und glaubensarmen Zeit
die scharf geschliffnen Waffen der ersten Christenheit.

3) Unglaub und Torheit brüsten sich frecher jetzt als je;
darum musst du uns rüsten mit Waffen aus der Höh.
Du musst uns Kraft verleihen, Geduld und Glaubenstreu
und musst uns ganz befreien von aller Menschenscheu.

4) Es gilt ein frei Geständnis in dieser unsrer Zeit,
ein offenes Bekenntnis bei allem Widerstreit,
trotz aller Feinde Toben, trotz allem Heidentum
zu preisen und zu loben das Evangelium.

5) In aller Heiden Lande erschallt dein kräftig Wort,
sie werfen Satans Bande und ihre Götzen fort;
von allen Seiten kommen sie in das Reich herein;
ach soll es uns genommen, für uns verschlossen sein?

6) O wahrlich, wir verdienen solch strenges Strafgericht;
uns ist das Licht erschienen, allein wir glauben nicht.
Ach lasset uns gebeugter um Gottes Gnade flehn,
dass er bei uns den Leuchter des Wortes lasse stehn.

7) Du Heilger Geist, bereite ein Pfingstfest nah und fern;
mit deiner Kraft begleite das Zeugnis von dem Herrn.
O öffne du die Herzen der Welt und uns den Mund,
dass wir in Freud und Schmerzen das Heil ihr machen kund.

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Über Dr. Berthold Schwarz

Dr. Berthold Schwarz arbeitet seit 2003 als Dozent für Systematische Theologie an der Freien Theologischen Hochschule Gießen (FTH) = Giessen School of Theology. Nach seinem Theologiestudium in Marburg, Erlangen und Tübingen und verantwortlicher Mitarbeit in christlichen Gemeinden, ließ er sich in den Gemeindegründungs- und Missionsdienst nach Japan berufen, um dort die frohe Botschaft vom gekreuzigten und auferstandenen Christus zu verbreiten. Nach seiner Rückkehr aus Japan promovierte er an der Universität Erlangen mit einer Untersuchung zu John Nelson Darbys Theologie (Leben im Sieg Christi“, Gießen 2008 – ISBN: 978-3-7655-9550-9). Ein Habilitationsprojekt ist gegenwärtig „im Werden“. Jetzt an der FTH hilft er dabei mit, junge Menschen für einen leitenden Dienst in der Gemeinde, in christlichen Werken und in der Mission auszubilden. Neben seiner Haupttätigkeit als Hochschullehrer für Systematische Theologie ist er Leiter des „Israel-Instituts“, das sich zum Ziel gesetzt hat, das Verhältnis zwischen Juden und Christen, zwischen Israel und Gemeinde Jesu, biblisch-theologisch zu erklären. Außerdem hält er deutschlandweit Vorträge und Workshops in Gemeinden und auf Konferenzen zu unterschiedlichen christlich motivierten Themenstellungen. Durch verschiedene Aufsatz- und Buchveröffentlichungen zu Themen der christlichen Lehre und der Schriftauslegung will Dr. Berthold Schwarz biblisch verantwortetes Gedankengut fördern. Er ist verheiratet und hat vier Kinder.

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