Meinungsfreiheit adé?

rough-sea-2624054_1920.jpgVor kurzem hat die ZEIT einen Meinungsartikel gebracht, in dem Mariam Lau die Frage kritisch betrachtet, inwieweit die privaten, bzw. NGO-Rettungsschiffe das Flüchtlingsproblem (die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer) ggf. verstärkt.

Die Kritik der (noch herrschenden) linken Meinungsmacht in der Presse war so scharf, dass sich die ZEIT genötigt sah die Reißleine zu ziehen und sich faktisch zu entschuldigen:

Was haben wir gelernt? Das Jahrhundertthema Flucht setzt Europa unter hohen moralischen und politischen Druck, es fordert auch unseren Journalismus ungemein. Wir haben uns vorgenommen, es in Zukunft wieder besser zu machen.

Anstatt die Redakteurin zu schützen, ggf. Mißverständnisse zu klären und so die Meinungsfreiheit zu verteidigen, sah sich die Chefredaktion genötigt zurückzurudern …

Der grüne OB Boris Palmer (Tübingen; https://www.zeit.de/2018/30/private-seenotrettung-pro-contra-zeit-debattegen) hat in FB (wieder mal) in einen hilfreichen Artikel die gesellschaftspolitischen Folgen aufgezeigt; er kommentiert den 2. ZEIT-Artikel unter dem Motto „Entschuldigungsrituale und böswillige Missverständnisse„:

Der Text von Mariam Lau hat glasklar dafür plädiert, sich der Kehrseite eine privaten Seenotrettung bewusst zu werden, die wesentlich dazu geführt hat, dass Italien heute eine nahezu verrückte Regierung hat, die nicht nur alle Häfen sperrt, sondern Europa gefährdet und gemeinsam mit anderen rechten Regierungen an einer Festung Europa arbeitet, in der man nebenbei mal die Sinti zählen kann.

Mit keinem Wort wurde in diesem Beitrag angedeutet, dass man die Menschen im Meer ertrinken lassen soll. Es war ein Plädoyer für eine staatlich organisierte Kontrolle des Mittelmeers mit dem Ziel, niemand mehr ertrinken zu lassen. Denn was die privaten Seenotretter übersehen ist eben, dass sie zwar viele retten, aber auch viele ertrinken, weil sie in der Hoffnung auf Rettungsschiffe in Boote steigen, die niemals wieder an Land kommen können. Das geht eben nicht immer gut.

Wenn die Chefredaktion sich nun für etwas entschuldigt, dass nicht da stand, das offenkundig nicht gemeint war, von dem sie selbst nochmals beteuert, dass niemand meint, und das nur dazu diente, die Kritik an jeder Kritik der Seenotrettung mit moralischer Wucht auszustatten, auf dass sie für immer verstumme, dann muss man der Chefredaktion in ihrer eigenen Logik auch einen Vorwurf machen, wie ihr Text verstanden werden kann:

Mariam Lau, die Autorin, ist in den letzten sieben Tagen nicht nur von moralischen Fundamentalisten beinahe gesteinigt worden, es ging hin bis zu offen Tötungsaufrufen und übelsten Beleidigungen. Indem die Chefredaktion dazu nicht ein Wort sagt, könnte man schlussfolgern, dass sie das hinnimmt. Mehr noch. Man könnte sagen, eine Chefredaktion billigt übelste Angriffe auf die eigene Redaktion, wenn sie sich bei empfindlichen Lesern entschuldigt, die angeblich nicht in der Lage sind, zu erkennen, dass niemand vorgeschlagen hat, Menschen ertrinken zu lassen, aber kein Wort findet, um diese Angriffe zurück zu weisen. Und da es in dieser Debatte mal wieder darum geht, dass Leser empört waren, frage ich: Wo bleibt die Empörung über die Empörten, denen jedes Mittel Recht ist, um andere Meinungen als ihre eigene in den Dreck zu ziehen?

(…)

Weil das linksliberale Milieu mit der Mitte so umgegangen ist wie letzte Woche mit Mariam Lau und heute die Chefredaktion mit ihrer Autorin. Der moralische Furor, der jedem die ewige Verdammnis wünscht, der mal ein kritische Anmerkung macht oder ein konkretes Problem mit Flüchtlingen hat, hat die AfD erst auf 15% gehievt. Der dauernde Vorwurf, irgendeine Äußerung sei rechtspopulistisch, irgendein normaler Sprachgebrauch sei menschenfeindlich und man solle doch bitte zur AfD gehen treibt die Mitte nach Rechts.

Es ist das Kennzeichen von Fundamentalismus, nicht mehr abwägen zu können und für Kompromisse nicht zugänglich zu sein. In diesem Sinne haben die moralischen Fundamentalisten nicht nur zu verantworten, dass Europa immer weiter nach rechts rückt, sie haben auch zu vertreten, dass Europa zu einer Festung wird, statt eine geordnete Hilfspolitik zu organisieren. (…)

Wenn die AfD demnächst nicht nur die SPD überholen sollte … – und unser Land so unregierbar wird, weil niemand mit der AfD koalieren will, dann liegt es vsstl. daran, dass wir weiterhin reflexhaft alle abweichenden Meinungen als rechtsradikal einstufen und Redakteure (bis hin zu Morddrohungen) bedrohen. Die ‚Alternative‘?: durch besonders „farbige“ Koalitionen, die gesellschaftliche Schere noch weiter auseinanderklaffen lassen …

Ron Kubsch hat das Thema in seinem TheoBlog aufgegriffen indem er auf einen Artikel in der BAZOnline referenziert:

Eine Journalistin der linksliberalen Zeitung DIE ZEIT erlebt einen Shitstorm, weil sie es gewagt hatte, sachliche Kritik an den Flüchtlingsrettern zu äussern. In den USA ist es inzwischen noch schlimmer. Dort werden Meinungsstücke bei Gegenwind teilweise geschwind vom Netz genommen. Immer mehr Journalisten und Autoren zweifeln daran, ob sie sensible Themen überhaupt noch aufgreifen sollen. Wer sich mit dem Mainstream anlegt, riskiert seine Karriere.

Tamara Wernli in der BAZ:

Falls Sie es noch nicht mitbekommen haben, liebe Leser, wir stehen kurz vor dem Untergang unserer Zivilisation. Der soziale Frieden ist nachhaltig zerstört. Zerstört hat ihn ein einziger Essay in einer deutschen Zeitung – und alle selbsternannten Moralhüter zusammen konnten die Ketzerschrift nicht verhindern. Tja. In den USA sind sie einen Schritt weiter: Texte, die sensible Gemüter zu sehr erregen, werden sofort vom Netz genommen.

Polemisch? Urteilen Sie selbst; Hier sind die Quellen:

  • Das Original ( und , 11./12.07.2018): https://www.zeit.de/2018/29/seenotrettung-fluechtlinge-privat-mittelmeer-pro-contra
  • Die Entschuldigung (ZEIT-Chefredaktion, 18./19.07.2018): https://www.zeit.de/2018/30/private-seenotrettung-pro-contra-zeit-debatte
  • Der Kommentar 1 (Boris Palmer, 19.07.2018): https://www.facebook.com/ob.boris.palmer/posts/1976018562437666
  • Der Kommentar2 (Tamara Wernli, 20.07.2018): https://m.bazonline.ch/articles/5b517fadab5c371bc1000001
  • Der Kommentar 3 (Ron Kubsch, 20.07.2018): https://theoblog.de/der-schleichende-tod-der-meinungsfreiheit/32475/
  • Foto: Myriams-Fotos / 1431 images, in: https://pixabay.com/en/rough-sea-sea-boat-dark-clouds-2624054/
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Dieser Blog-Beitrag von Uwe Brinkmann erschien zuerst auf brink4u . Lies hier den Original-Artikel "Meinungsfreiheit adé?".

Über Uwe Brinkmann

* 1962 (Oberhausen / Rhld.), verheiratet (1992), 4 Kinder ... aufgewachsen in der 4. Generation der "Brüderbewegung"; kritische Aufarbeitung: heute moderater "Dispi"; seit seiner "Bekehrung" (1981) theol. Autodidakt, 1993/94 für eine theol. Kurzausbildung in den USA ... seit 1987 im Großraum München in der Gemeindearbeit und bis 2017 in der Jugendarbeit tätig; Gründungsmitglied (1997) und MA im Leitungsteam einer evangelisch-freikirchlichen Gemeinde, der "Christlichen Gemeinde Unterschleißheim" (www.cgush.com) ... Mitarbeiter eines übergemeindlichen Schlungsprogramms: H3: "Hirn, Herz und Hand" im Großraum München; Blogger auf www.brink4u.com (seit 01.01.2015) ... beruflich seit 1996 Projektleiter Hochbau, dann Projekteinkäufer im Anlagenbau, und nun wieder Teilprojektleitung im Anlagenbau eines kommunalen Energieversorgers

One thought on “Meinungsfreiheit adé?

  1. Die losgetretene Eskalationsspirale sehe ich als Hauptproblem, die „verfeindeten“ Lager scheinen nicht mehr in der Lage vernünftig und respektvoll miteinander zu kommunizieren. Entweder wird die Nazikeule ausgepackt oder die links/grün versifften Alt68 sind an allem Schuld.
    So macht man aus einer einigermaßen intakten Gesellschaft eine Bananenrepublik. Wenn von Schuld gesprochen werden darf, dann würde ich bei den „Eliten“ anfangen. Beginnend bei einer abgehobenen Politikerkaste, die die Anliegen des einfachen Mannes nicht mehr zu registrieren scheint, über
    eine schwadronierende schreibende Zunft, die sich der Kanzlerin verpflichtet fühlt, zu den peinlichen TV- Größen, die zumindest die Ossis an das DDR- Staatsfernsehen erinnern. Schon seltsam, dass gerade diejenigen, die immer und gerne von Vielfalt reden, eine ziemlich enge Vorstellung davon haben.
    So wird das nix mit der vollendeten Einheit und Demokratie und Frieden auf Erden. Ohne Jesus geht alles den Bach runter im Mikro und im Makrokosmos !

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