von Pfr. Beat Laffer-König
Die erste Begegnung mit Francis A. Schaeffer am 5. Okt 1970. Francis Schaeffer (1912-1984) kam an die damalige FETA in Basel, heute STH, und wurde durch seinen Schwiegersohn, Udo Middelmann, übersetzt. Schon im 1. Semester, Herbst 1970, lehrte er Kulturphilosophie. Alle 24 Studenten konnten 1970 daran teilnehmen. Seine Vorlesungen waren äusserst spannend, interessant, aufschlussreich. Er stellte die Kultur in einen grossen Zusammenhang, beurteilte dabei die Kultur, vornehmlich des Westens, aus dem Blickwinkel des Biblischen Christentums. Damit vermittelte er uns Grundlagen, um Menschen aus allen Ländern besser zu verstehen, um ihnen das Evangelium als Antwort auf ihre Fragen besser vermitteln zu können. Professor Dr. theol. Samuel Külling, Rektor der neu gegründeten Ausbildungsstätte für Theologen und Theologinnen, war sehr angetan von Schaeffers Vorlesungen und äusserte sich dahingehend, dass er in seinem Studium in der Schweiz nie etwas Ähnliches gehört habe.
Besuch in L’Abri
Später konnte ich das Ehepaar Francis und Edith Schaeffer, zweimal in den Jahren ab 1970 in L’Abri, ob Huémoz/Ollon, Kanton Waadt, Schweiz, besuchen. Sie lebten dort in Huémoz als Familie. Ich wurde sehr offen und herzlich empfangen. Man fühlte sich sofort sehr wohl in ihrem bescheidenen Zuhause. In L’Abri hörte ich noch ausführlicher seine Vorlesungen. Obwohl sich immer sehr viele Zuhörer aus verschiedenen Ländern einfanden, hatte ich das Gefühl, dass er allein zu mir redete. Dies erstaunte mich sehr. Das war das erste Geheimnis des Ehepaars Schaeffer: Liebe und Wahrheit. Um ihren Lebensweg in der Schweiz zu verstehen, ist das Buch von Edith Schaeffer aufschlussreich, in «L’Abri, Gottes Wirklichkeit heute erlebt. Eine Familie wird Treffpunkt der modernen Jugend».
Das Ehepaar Schaeffer hatte vier Kinder. Die Bücher von Edith Schaffer sind ebenso wichtig zu lesen. Sie vermitteln Einsichten in ihren Weg des Glaubens und des christlichen Lebens. Ein weiteres Geheimnis ihres «Erfolgs» war ihre Bescheidenheit und zeitweilige Armut. Bewusst, so legte Schaeffer dar, kam ihre exakte Adresse nie in einem Buch vor. Man wollte möglichst nur echt suchenden Menschen, Männern und Frauen, in Praxis und Theorie, die Antwort des biblischen Christseins geben. Sehr viele Menschen kamen durch das Ehepaar zum Glauben an Jesus Christus. Orthodoxie und Orthopraxis wurden sehr glaubhaft gelebt und vermittelt. Das Ehepaar Schaeffer erfuhr auch Leiden, Anfechtungen und Angriffe. Froh und gestärkt im Glauben, reiste ich in meine Heimatstadt Basel zurück.
In L’Abri konnte man ebenfalls studieren. Viele Vorträge auf Tonband vermittelten Querverweise zu anderen Referenten, Referentinnen, und Vorlesungen, die dort ebenfalls gehört werden konnten. Ebenso wurde auf andere Bücher verwiesen. Es war somit keine Engführung zu beobachten, sondern Weite, aber dennoch verwurzelt im Biblischen Christentum. Meines Wissens gibt es auf der Welt andere «L’Abri»-Zentren, die vernetzt sind. Schaeffer beschrieb und untersuchte Kultur im Kontext von West und Ost, von Süd und Nord, dennoch kritisch durchleuchtet vom biblisch-christlichen Glauben her. Francis und Edith waren oft zusammen auf Wanderungen, tauschten sich über die heutige Situation in Kirchen und Gesellschaft aus. Die Strömungen der Säkularisation wurden in vielen Bereichen unseres gesellschaftlichen Lebens aufgegriffen. Dabei war der biblisch-christliche Glauben die Basis. Das Zentrum war der Erlöser, der Christus, der Messias, wie ihn die Heilige Schrift bezeugt. Die Bibel, die Heilige Schrift, war und blieb immer im Sinn des Urchristentums und der Reformation das Basisdokument der Christen. Von dieser Basis aus wurden viele Bereiche beleuchtet, etwa Philosophie, Kunst, Musik und Kulturleben, Theologie, Mystizismus, Politik, Wirtschaft.
Wichtige Gedanken von Francis Schaeffer
Der Zerfall des Westens. Francis und Edith Schaeffer bewegte der Zerfall des Westens sehr, der Zerfall der Kirchen und der Gesellschaft. Sie zeigten «Die Linie der Verzweiflung» auf. Heute kann man noch weitergehen und teilweise von der Dekadenz des Westens reden. Zerfall, Dekadenz und Zerbruch haben ihren Ursprung in der Abwendung vom biblischen Christentum und als Folge davon den Zerfall der Kirchen. Von daher suchte ich in L’Abri die Frage zu beantworten, ob ich mich in der Evang.-reformierten Kirche im Pfarramt engagieren sollte. Udo Middelmann bewegte diese Frage ebenfalls sehr. Die Antwort war nicht leicht. Middelmann sagte unter anderem den Satz: «… um derentwillen, die an Jesus Christus glauben». Heute ist der Zerfall der Kirchen in Europa und Nordamerika noch weiter vorangeschritten – und dies sage ich nach 36 Jahren Tätigkeit als Pfarrer in der Evang.-reformierten Kirche der Schweiz. Seit 2013 bin ich pensioniert und übernahm Stellvertretungen in derselben.
Was ist Kirche? – Diese Frage ist heute noch umstrittener als im letzten Jahrhundert. Schaeffer nahm diese Thematik auf in den Büchern «Kirche am Ende des 20. Jahrhunderts», «Die Kirche Jesu Christi. Auftrag und Irrweg», «Die grosse Anpassung – Der Zeitgeist und die Evangelikalen», und schon oben darauf hingewiesen, «Das Kennzeichen des Christen». Andere Bücher von ihm nehmen indirekt diese Thematik auf. Dabei wollen wir nicht vergessen, dass er zunächst der theologischen Richtung angehörte, die man als «liberale Theologie» bezeichnet. Seine Erfolglosigkeit führte Schaeffer dazu, diese Richtung zu verlassen und vieles von der Bibel her, vom biblisch-christlichen Glauben aus als die Basis zu durchdenken. Die «Dialektische Theologie», die man in den USA oft als «neoorthodoxy» bezeichnet, resultierend daraus die «Positive Theologie» oder «Offenbarungstheologie», verwarf Schaeffer ebenfalls. Das Problem liegt viel tiefer. Es geht um die Frage, ob die Heilige Schrift in allen ihren Aussagen wahr ist oder nicht.
Die Frage nach dem Glauben
Schaeffer und viele aus anderen wissenschaftlichen Bereichen gingen dieser Frage nach. So konnte man sehr viele Vorträge ab Tonband in L’Abri hören, reflektieren und studieren. Es wurde sehr viel darüber ausgetauscht. Es nützt wenig, einen sogenannten «Sprung» zu vollziehen und zu vertreten, dass diese Frage nicht relevant sei. Hauptsache man glaubt, so die Meinung. Schaeffer sah das nicht so. Er untersuchte viele Weltanschauungen, naturwissenschaftliche, philosophische aus West und Ost. Zugleich war er der Überzeugung, dass der christliche Glaube ebenfalls eine Weltanschauung vermittelt. Doch machte er deutlich, dass diese ihren Ursprung in Gott hat – und nicht im Menschen. Daher haben wir Menschen absolute Werte, Werte, die Gott setzte. Diese Werte sind nicht relativ. Die Heilige Schrift ist in ihren Urtexten inspiriert durch den Heiligen Geist, eine der drei Personen der Dreieinigkeit Gottes. Da Gott nicht lügen kann, muss sie wahr sein. Man soll alle Weltanschauungen auf ihre Aussagen hin überprüfen. Nicht alles, was die weltliche Wissenschaft vertritt, ist wahr. So sind zum Beispiel Naturwissenschaftler vorsichtiger, indem sie die Meinung vertreten: «Nach dem heutigen Stand des Wissens, ist es so, doch morgen, durch neue Forschung, muss alles revidiert werden.» Man kann die Meinung vertreten, dass die Heilige Schrift wahr ist.
In der Auseinandersetzung kann man die Wissenschaft nicht als wahr hinstellen, ohne sie zu überprüfen. Das ist intellektuelle Geistesarbeit. Dabei ergeben sich viele Voraussetzungen (Axiome, bis in die Mathematik), die nicht überprüft werden. Ich könnte viele solche Voraussetzung nennen, will jedoch nur auf die Geschichtsphilosophie vom Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel oder auf die Halbwertszeit der Atome (Chemische Elemente) hinweisen. Niemand kann beweisen, dass die Halbwertszeit in der Vergangenheit immer dieselbe war. In der Vorlesung – ich studierte nach der Theologie Naturwissenschaften an der Universität Basel – zeigte uns ein Chemie-Professor einen Versuch, der mit dem damaligen, derzeitigen chemisch-physikalischen Modell nicht erklärbar ist. Dieser war somit vorsichtig mit der Aussage, dass es so ist. Er meinte: «Wenn jemand von Euch dies herausfindet (ein anderes Modell), ist er morgen Nobelpreisträger». Schaeffer war nicht gegen die Wissenschaft, sondern sie soll kritisch befragt werden, und er lud viele Wissenschaftler nach L’Abri ein. Er hatte also keine Angst davor.
Ist Francis A. Schaeffers Schrifttum heute noch aktuell?
Ich meine Ja. Warum? Dazu möchte ich eine meiner Beobachtungen im Dienst als Pfarrer weitergeben. Zunächst weise ich auf das Stück von Samuel Beckett hin, «Warten auf Godot». Im Theaterstück kam Godot nicht. Das Warten war vergeblich. Es war beklemmend. Ich sah es circa 1970. Im Laufe der Zeit erkannte ich, dass die Menschen überhaupt nicht auf die Idee kommen, auf Gott zu warten, Gott zu erkennen. Sie haben vergessen, dass sie Gott vergessen haben – im Leben und im Sterben. Falls man religiös ist – und heute sind es viele Menschen – , sucht man nicht im biblischen Christentum, auch nicht im kirchlichen Christentum, sondern jenseits davon. Man stellt sich selbst die eigene Religiosität zusammen, eine Patchwork-Religiosität.
Man sucht Anleihen im Hinduismus, im Buddhismus und deren Systeme, in der Gnosis und Esoterik. Man überspielt den Individualismus im Mystizismus und sucht die Kraft in sich selbst. Das Gebiet, nahe bei Basel, in dem ich wohne, ist seit Jahrhunderten römisch-katholisch und circa ab 1870 zum Teil christ-katholisch. Es gibt eine einzige Gemeinde, in welcher ich nun wohne, in diesem Gebiet, welche evangelisch-reformiert war. Ich stelle jedoch heute fest, dass dieses Gebiet voller Esoterik ist, welche heutzutage von den drei Konfessions-Kirchen angeboten wird. Es ist Mystik ohne das Wort Gottes, ohne die Heilige Schrift. In den Kirchen – Freikirchen eingeschlossen – wird kaum mehr gefragt, was Gottes Wort zum kirchlichen, privaten und gesellschaftlichen Leben in Theorie und Praxis ausführt. Man hüpft zum Mainstream in der Meinung, dieser sei christlich geprägt.
Es braucht Zeit und Willen, die intellektuellen Abhandlungen von Francis A. Schaeffer verstehen zu wollen. Dasselbe gilt für die Bücher seiner Ehefrau Edith. Nicht wenige sind auf Deutsch erschienen. Es lohnt sich ebenfalls heute, sich mit den Schriften von Francis und Edith Schaeffer vertraut zu machen. Viele Menschen erhielten vom Ehepaar Schaeffer, in der Gemeinschaft von L’Abri, in persönlichen Gesprächen, durch ihre Bücher, echte Antworten auf ihre Fragen. Deshalb kamen auch viele Menschen zum Glauben an Jesus Christus. Die intellektuellen Barrieren, die ihnen den Zugang zum biblisch-christlichen Glauben verschloss, wurden beiseite geschafft. Beide verhalfen Suchenden, zum ursprünglichen Christlichen Glauben vorzustossen. Männer und Frauen wurden überzeugte Christen.
Pfarrer Beat Laffer-König, Biel-Benken, Schweiz, im März 2024.
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