Wie Kirchgemeinden theologisch liberal werden (6): Fünf Killerargumente

Nach der zehnteiligen Serie „Stationen meines Aufwachens“ beschäftigt mich in dieser Serie die Frage, wie eine Kirchgemeinde bzw. ein Gemeindeverband über die Zeit theologisch liberal werden können. Ich beleuchte das Thema mittels unterschiedlicher Modelle von verschiedenen Seiten, wobei ich auf das Werk „Crossed Fingers“ von Gary North zurückgreife.

In diesem 9-Minuten-Audiobeitrag bespreche ich fünf Argumentationsweisen, die zur Vermeidung einer inhaltlichen Diskussion ins Feld geführt werden. Gary North spricht von «Killerargumenten».

  1. Die Forderung nach Toleranz: Wer theologisch gegensätzliche Positionen nicht akzeptiert, gilt als intolerant. Das entspricht dem Diktum der spätmodernen Erkenntnistheorie, wo das Prinzip des Widerspruchs ausser Kraft gesetzt wird. Mit diesem Argument verwahrt sich derjenige, der es einsetzt, gegen eine inhaltliche Diskussion. (Dies muss in Fragen der Theologie stets über eine gründliche Auswertung der biblischen Offenbarung, also der Bibel, geschehen.)
  2. Die Beanspruchung der Demarkationslinie «ich glaube auch»: Wer kann etwas dagegen einwenden, wenn der Einwand kommt, dass der Betreffende auch über eine eigene Beziehung zu Gott verfüge? Glaube ist gemäss säkularer Spielregel an sich eine intime, höchst persönliche Angelegenheit. Sie darf nicht hinterfragt werden und hat darum die Funktion einer Rückzugslinie.
  3. Die Deklaration verschiedener Herangehensweisen an die Bibel: Der Meinungspluralismus wird selbstverständlich für die Auslegung der Bibel beansprucht. Es wird von vornherein unterstellt, dass – offensichtlich auch für zentrale Fragen – keine Klarheit zu erringen sei. Dies zu behaupten sei Teil eines «Bibelfundamentalismus». Nicht selten wird dann ein Strohmann aufgebaut mit Beispielen, die angeblich wörtlich genommen werden müssten.
  4. Bei Bekenntnisfragen wird «Weite» beansprucht. Durch den Einwand, dass man etwas «nicht so eng» sehen dürfe, wird automatisch ein inhaltlich neuer Raum erschlossen. Die Interpretation des Bekenntnisses wird erweitert (und damit ausser Kraft gesetzt).
  5. Entzug der Rechenschaftspflicht beim Vorwurf von falscher Lehre. Es ist problemlos möglich, sich diesem Vorwurf zu entziehen. Drei Wege: Man ist in keiner Gemeinde verbindlich dabei und entzieht sich so der Rechenschaftspflicht. Oder man wechselt den Gemeindehafen. Manche Orte sind weniger gut informiert, tolerieren schweigend oder propagieren gar den Standpunkt. Drittens ist es möglich, ein Buch, einen Artikel oder einen Vortrag (oft aus dem Internet) als Beweismittel heranzuschaffen und Verbündete in der Gemeinde zu suchen. Um des lieben Friedens willen schweigen Gemeindeleitungen.

Über Hanniel Strebel (PhD)

Hanniel Strebel, * 1975, Betriebswirt & Theologe, glücklich verheiratet, fünf Söhne, Blogger - Autor - Selbstlerner

5 thoughts on “Wie Kirchgemeinden theologisch liberal werden (6): Fünf Killerargumente

    1. Grüezi Herr Greifenstein

      Also:
      – Inhaltlich hat Felix Aeschlimann im Kommentarthread geantwortet.
      – Zur „Etikette“ des Determinismus: http://hanniel.ch/2018/02/03/zitat-der-woche-gott-bestimmt-alles-und-der-mensch-trifft-echte-verantwortliche-entscheidungen/
      – Zum Begriff der „liberalen Theologie“: http://hanniel.ch/2018/03/13/input-liberale-theologie-definition-eines-etiketts/
      – Zur Art und Weise des Umgangs: http://hanniel.ch/2018/02/06/kolumne-du-verurteilst-andere-verletzt-sie-und-handelst-nicht-wie-jesus/

      Herzlich, Ihr
      Hanniel Strebel

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